Dies werde das Ergebnis im zweiten Quartal belasten, gab der Stuttgarter Konzern am Sonntagabend bekannt. Statt von einem leichten Anstieg geht Daimler für 2019 nun von einem Betriebsgewinn in der Größenordnung des Vorjahres aus, also gut elf Milliarden Euro. Es ist die dritte Gewinnwarnung in einem Jahr - und für Källenius, der den langjährigen Daimler-Boss Dieter Zetsche im Mai ablöste, eine Bürde: In einem ohnehin schwierigen Jahr muss er nun bei laufendem Konzernumbau gegen einen Vertrauensverlust bei den Anlegern ankämpfen: "Das ist kein guter Start", sagte Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler.
Die Daimler-Aktie verlor am Montag fast fünf Prozent und zog auch andere Autowerte mit nach unten. Vorausgegangen war am Samstag die Mitteilung des Bundesverkehrsministeriums, dass das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) den Stuttgarter Autobauer zum Rückruf von 60.000 Geländewagen angeordnet hat. In den Fahrzeugen vom Typ Mercedes-Benz GLK 220 soll eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut sein. Daimler vertritt den Standpunkt, dass die infrage stehende Softwarefunktion zulässig ist und hat Widerspruch gegen den Bescheid angekündigt.
Analysten fürchten aber, der Zwangsrückruf könnte erst der Anfang sein. "Da können weitere Dinge hochkommen", sagte Arndt Ellinghorst vom Investmentberater Evercore ISI. Er brachte die bis zu eine Milliarde Euro an Rückstellungen, die seiner Ansicht nach auch für rechtliche Risiken gebildet wurden, ins Verhältnis zu der vergleichsweise geringen Zahl von 60.000 betroffenen Fahrzeugen. "Was passiert denn, wenn man doch feststellt, dass davon auch andere Baureihen betroffen sind?", fragte der Autoanalyst. Noch größere Probleme bekomme Daimler womöglich, sollten in den USA Sammelklagen ins Rollen kommen, sagten auch andere Experten.
In Amerika laufen seit längerem Untersuchungen, weil Dieselmodelle von Mercedes-Benz mehr Stickoxid ausstoßen als erlaubt. Dabei geht es auch um den Verdacht, dass Daimler die Abgasreinigung illegal manipulierte. In einem ähnlich gelagerten Fall schloss Fiat Chrysler mit den US-Behörden zu Jahresbeginn einen Vergleich über 800 Millionen Euro. Volkswagen kostete der Skandal um manipulierte Dieselabgase, der vor fast vier Jahren in den USA aufflog, bisher 30 Milliarden Euro. Daimler hat derartige Manipulationen bestritten.
"ZETSCHES ERBE"
Analyst Ellinghorst sagte, einen solchen Start wie ihn Källenius habe, wünsche man niemandem. Frank Schwope von der NordLB rechnet mit weiteren Hiobsbotschaften: "Ich glaube, das wird nicht die letzte Gewinnwarnung gewesen sein." Die dritte Prognosekorrektur nach denen im Juni und Oktober vergangenen Jahres sei Zetsches "Erbe". Källenius stünden noch einige Aufräumarbeiten bevor. Der Schwede, der zuvor zweieinhalb Jahre Entwicklungschef von Daimler war, habe gar nicht anders handeln können, als die Anleger jetzt vor möglichen Risiken zu warnen.
Auch Analyst Pieper hält weitere Veröffentlichungen für möglich. Daimler gehe intern offenbar davon aus, dass auch die Transportersparte betroffen sei und dass man auch zu Hardware-Nachrüstungen gezwungen werden könnte, sagte Pieper und berief sich dabei auf Angaben aus dem Unternehmen. Ein Daimler-Sprecher äußerte sich nicht dazu.
Die Stuttgarter streiten seit längerem mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer über die Rechtmäßigkeit von Softwarefunktionen in der Abgasreinigung. Vor gut einem Jahr ordnete Scheuer einen umfangreichen Rückruf von deutschlandweit 238.000 Fahrzeugen wegen "unzulässiger Abschalteinrichtungen" an. Europaweit waren rund 700.000 Mercedes-Fahrzeuge betroffen, die auf der Straße zuviel Stickoxid ausstießen. Neben dem schon zurückgerufenen Transporter Vito ging es nach damaligen Angaben auch um Modelle der C-Klasse und des Geländewagens GLC.
Grund für die aktuelle Rückruf-Aktion ist laut "Bild am Sonntag" eine sogenannte "Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung". Sie sorge durch eine verzögerte Aufwärmung des Motoröls dafür, dass beim gesetzlichen Prüfzyklus der Grenzwert für Stickoxide eingehalten werde. Im Straßenbetrieb werde die Funktion dagegen deaktiviert und der Grenzwert überschritten, berichtete die Zeitung. Ähnliche Softwarefunktionen hatten auch beim Abgasskandal von Volkswagen eine Rolle gespielt.
rtr