Die Kurse vieler europäischer Autoaktien haben in diesem Jahr schon einen wilden Ritt hingelegt. Ablesen lässt sich das am EURO STOXX Automobiles + Parts Performance-Index. Dieser verlor seit dem Jahresultimo in der Spitze 25 Prozent an Wert, bevor sich die Notierungen in den vergangenen Wochen wieder etwas von ihren Jahrestiefs lösen konnten.
Ein mittelfristiger Kursverlauf, der aus Sicht der Analysten von Barclays im Kontrast zu der relativ guten Stimmung steht, welche die meisten Branchenvertreter auf dem kürzlich veranstalteten Genfer Autosalon an den Tag legten. Denn da soll man im Gespräch mit den Management-Teams aus dem Sektor durchaus auf einigen Optimismus gestoßen sein.
Gleichzeitig wird zwar eingeräumt, dass das Branchenumfeld nicht frei von Sorgen ist. So würden Unsicherheiten rund um die Schwellenländer oder anhaltende Schwankungen bei den Devisenkursen zwar eventuell auch weiterhin Probleme bereiten. Aber trotz so manchen volkswirtschaftlichen Herausforderungen sei auf der erreichten tiefen Bewertungsbasis auch zu bedenken, dass bereits moderat positive Nachrichten ausreichen könnten, um eine Kursrally auszulösen. Insbesondere dann, falls sich das Zulassungsvolumen in Europa als so robust erweisen sollten, um dadurch zu einer Erholung der Verkaufspreise beizutragen. Dann könnte es sogar zu wieder steigenden Gewinnschätzungen kommen. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auch darauf, dass sich die Branchenbewertung bei einem geschätzten KGV von 7,1 im relativen Vergleich um 44 Prozent unter dem Marktdurchschnitt bewege.
Unter den von Barclays abgedeckten europäischen Autoaktien stellen wir auf den nachfolgenden Seiten fünf Werte vor, die mit einer Kaufempfehlung ausgestattet sind. Davon stammen vier Titel aus Deutschland. Die Kursziele bewegen sich zwischen 24 Prozent und 88 Prozent über den aktuell gültigen Notierungen.
Europäische Autoaktien-Favoriten von Barclays, Nummer fünf: Continental AG (WKN: 543900, 196,65 Euro, alle Kurs- und Bewertungsangaben beziehen sich auf den Stand vom 16. März)
Der erste Barclays-Favorit ist mit Continental ein Autozulieferer. Die Aktie des DAX-Vertreters tritt zwar letztlich schon längere Zeit nur auf der Stelle, im Branchenvergleich hat man sich zuletzt aber noch relativ gut geschlagen. Was generell hilft, ist die breite Aufstellung, mit der das Unternehmen als Anbieter von Bremssystemen, Systemen und Komponenten für Antriebe und Fahrwerk, Instrumentierung, Infotainment-Lösungen, Fahrzeugelektronik, Reifen und technischen Elastomer-Produkten aufwarten kann.
Diese Aufstellung hat die Hannoveraner nicht nur unter die größten fünf Autozulieferer weltweit gebracht, sondern hat auch zu erneut soliden Geschäftszahlen im Vorjahr beigetragen. Unter dem Strich wurden 2,73 Milliarden Euro verdient, was einem Plus von fast 15 Prozent entspricht. Ebenfalls um 15 Prozent höher fällt mit 3,75 Euro je Anteilsschein der Dividendenvorschlag aus.
Für das laufende Geschäftsjahr stellt der Vorstand für die bereinigte Gewinnspanne aus dem laufenden operativen Geschäft einen Wert von über 10,5 Prozent in Aussicht. Von Barclays wird diese Vorgabe als vermutlich konservativ eingestuft, so wie das bei Continental traditionell üblich sei. Gefallen findet man an dem Wert ansonsten wegen der Präsenz in für den Sektor allgemein wichtigen Schlüsseltrends.
In diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert, dass bereits jetzt rund 60 Prozent des Umsatzes im Automobilgeschäft mit Technologien zur Digitalisierung erwirtschaftet werden. Mittelfristig soll dieser Anteil auf 70 Prozent gesteigert werden und um das zu erreichen wird 2016 kräftig in die Wachstumsfelder Digitalisierung und Automatisierung investiert. Ein weiteres damit verbundenes Ziel lautet, den Anteil von Fahrerassistenzsystemen, die eine wichtige Komponente auf dem Weg zum autonomen Fahren darstellen, kontinuierlich zu steigern. Den Planungen zufolge soll im Jahr 2020 jeder dritte Umsatzeuro mit Produkten erlöst werden, die das automatisierte Fahren ermöglichen.
Beim Gewinn je Aktie kalkuliert Barclays für das laufende und das nächste Geschäftsjahr mit 14,53 Euro und 16,29 Euro. Für 2017 ergibt sich daraus ein geschätztes KGV von gut zwölf. Das ist mehr als das, was die Autobauer bei dieser Kennziffer auf die Waagschale bringen. Dabei muss aber berücksichtig werden, dass sich Continental als Technologieunternehmen versteht. Das Kursziel wird von Barclays mit 244,00 Euro angegeben. Das liegt um 24,1 Prozent über den aktuellen Notierungen.
Europäische Autoaktien-Favoriten von Barclays, Nummer vier: Daimler AG (WKN: 710000, 67,65 Euro)
Sichtlich ins Trudeln gekommen ist zuletzt der Aktienkurs des zweiten Mitfavoriten Daimler. In der Spitze hatte sich die Notiz fast um 39 Prozent vom Vorjahreshoch nach unten abgesetzt. Das ist auf den ersten Blick deshalb etwas überraschend, weil die Stuttgarter für 2015 neue Rekorde bei Umsatz, Absatz und Gewinn gemeldet haben. Gleichzeitig gab sich der Vorstand für das aktuelle Jahr mit Blick auf volatile Märkte jedoch etwas vorsichtiger gestimmt, was erklären dürfte, warum auch die Anleger zurückhaltender geworden sind.
Auch Barclays streicht rückblickend aus dem beim Genfer Autosalon gehörten heraus, dass sich Daimler dort nur gedämpft zur Gewinndynamik im laufenden Jahr geäußert habe. Gleichzeitig sei aber von noch immer vorhandenen weiteren Möglichkeiten zur Verbesserung der Effizienz die Rede gewesen und davon, dass man unverändert zuversichtlich sei, in Sachen VW-Abgasskandal selbst nichts falsch gemacht zu haben.
Wie Continental wird der mit führende Hersteller von Premium-Personenkraftwagen und der weltweit größte Nutzfahrzeughersteller auch mehr Geld in Elektrifizierung, Digitalisierung sowie in neue Produkte stecken. Ausgaben wie diese belasten natürlich zunächst den Cashflow. In der Tat hat Daimler für das laufende Jahr auch einen deutlich niedrigeren Cashflow in Aussicht gestellt. Doch langfristig werden sich diese Investitionen aber hoffentlich auszahlen. Gebaut wird außerdem übrigens auch eine zweite Batteriefabrik in Deutschland, was rund 500 Millionen Euro kosten wird.
Die Gewinnschätzungen von Barclays für dieses DAX-Mitglied belaufen sich auf 8,80 Euro für 2016 und auf 8,88 Euro für 2017. Daraus resultiert für das kommende Jahr ein geschätztes KGV von 7,6. Das Kursziel wird auf 92,00 Euro taxiert. Das käme bei Zielerreichung einem Kursanstieg von 36 Prozent gleich.
Trotz des darin zum Ausdruck kommenden Potenzials lassen sich die Anleger bis jetzt noch nicht wieder richtig aus der Reserve locken. Vermutlich hat das auch mit den vielen existierenden Prognose-Unsicherheiten zu tun. Dieses Problem kommt auch in der Kurszielspanne zum Ausdruck, die sich laut Barclays für Daimler ergibt, wenn es besonders gut oder besonders schlecht laufen sollte. Denn während im Idealfall sogar 116 Euro als Kursziel für möglich gehalten werden, kann es im Negativfall durchaus auch bis auf 49,00 Euro nach unten gehen. Immerhin ist damit das Abwärtspotenzial aber deutlich geringer als das mögliche Aufwärtspotenzial.
Europäische Autoaktien-Favoriten von Barclays, Nummer drei: Fiat Chrysler Automobiles N.V. (WKN: A12CBU, 6,975 Euro)
Deutlich Federn lassen musste in den vergangenen zwölf Monaten auch Fiat Chrysler. Schaut man oberflächlich auf die Zahlen für das vierte Quartal, dann scheint das auch nachvollziehbar zu sein. Denn in diesem Zeitraum wurde trotz höherer Umsätze deutlich weniger verdient. Konkret bracht das Nettoergebnis um 40 Prozent auf 251 Millionen Euro ein. Zurückzuführen war dieser Einbruch allerdings auf Einmaleffekte, vor allem wegen der Produktionsverlagerung nach Mexiko. Werden die Belastungen außen vor gelassen, kletterte das Ergebnis mit 1,12 Milliarden Euro auf mehr als das Doppelte, was sich schon ganz anders liest.
Gemischt viel auch die Bilanz beim Ausblick aus. Während die Vorgaben für 2016 enttäuschten, hat der italienisch-amerikanische Autohersteller sein Umsatzziel für 2018 leicht angehoben und dabei gleichzeitig die Ergebniserwartung bekräftigt. Wie es hieß, werden im Jahr 2018 nun Erlösen von 136 Milliarden Euro erwartet, was drei mehr ist als bislang erwartet. Die operative Marge, bei der man noch einigen Rückstand zur Konkurrenz aufweist, sieht Fiat Chrysler 2018 unverändert bei 6,4 bis 7,2 Prozent.
Gut ist es für das Unternehmen im Februar in den USA gelaufen und damit dem größten Absatzmarkt der Gesellschaft. Den Angaben zufolge verbuchte Fiat Chrysler da einen Zuwachs von zwölf Prozent auf 182.879 Einheiten. Damit ist es gelungen, die Verkäufe den 71. Monat in Folge zu erhöhen. Die Nachfrage nach Jeeps legte sogar um 23 Prozent zu, die Modelle Cherokee, Wrangler, Patriot und Compass verzeichneten ihren besten Februar-Absatz aller Zeiten.
Der Aktienkurs konnte sich zuletzt immerhin wieder merklich vom Jahrestief von 5,23 Euro lösen. Die Barclays-Analysten glauben auch nach dem Besuch des Genfer Autosalons, dass noch deutlich mehr drin ist. Sie haben ihre Übergewichten-Empfehlung jedenfalls mit einem Kursziel von 10,00 Euro verstehen. Das bewegt sich um 43,4 Prozent über den momentan gültigen Notierungen.
Für Europa wird mit steigenden Margen gerechnet und dank eines verbesserten Produktmix und verbesserten Kostenstrukturen mit einer Verkleinerung des bestehenden Rückstandes zu Ford und General Motors in den USA. Beim Gewinn wird für 2016 mit 1,32 Euro und für 2017 von 1,94 Euro ausgegangen. Das geschätzte KGV für das kommende Jahr wäre auf dieser Basis mit 3,6 sehr niedrig.
Europäische Autoaktien-Favoriten von Barclays, Nummer zwei: BMW AG (WKN: 519000, 82,63 Euro)
Auf Basis der derzeit vorliegenden Daten ist es kaum nachzuvollziehen, warum der Aktienkurs von BMW von März 2016 bis Februar 2016 um 45 Prozent eingebrochen ist. Schließlich wurden für 2015 neue Rekorde für Umsatz und Gewinn gemeldet. Konkret kamen die Konzernerlöse um 14,6 Prozent auf 92,18 Milliarden Euro voran und der Jahresgewinn nach Steuern um 10,0 Prozent auf 6,40 Milliarden Euro, was jeweils etwas über den Erwartungen lag.
Selbst an dem Zahlensalat für 2015 hatten die Marktteilnehmer aber letztlich etwas auszusetzen. Denn ihnen reichte es nicht, dass der Autobauer vorgeschlagen hat, die Dividende um 0,30 Euro von auf 3,20 Euro je Aktie zu erhöhen. Das lässt sich damit erklären, dass wegen dem in diesem Jahr anstehenden 100-jährigen Firmenjubiläum mit einer Sonderdividende gerechnet worden war.
Am aktuellen Geschäftsverlauf scheint die vom Vorstand in dieser Hinsicht gezeigte Zurückhaltung aber nicht zu hängen. Zumindest wenn als Maßstab die Entwicklung im Februar herangezogen wird. Brachte dieser Monat den Angaben zufolge doch mit weltweit 163.965 Fahrzeugauslieferungen (plus 7,7 Prozent) einen neuen Rekord. Doch frei von Sorgen sind die Münchener deswegen nicht. So scheint das hochmargige Geschäft in China unter einem erheblichen Druck zu stehen. Zumindest deutet darauf der Absatzrückgang von 16 Prozent hin, den der Joint-Venture-Partner Brilliance in den beiden ersten Monaten des laufenden Jahres hinnehmen musste.
Die Analysten von Barclays sahen nach dem Genfer Autosalon aber keine Veranlassung, etwas an ihren bisherigen Gewinnschätzungen für BMW zu verändern. Für 2016 sehen sie den Gewinn je Aktie bei 9,79 Euro und für 2017 bei 11,23 Euro. Das bedeutet für das kommende Jahr ein geschätztes KGV von 7,4. Das Kursziel ist auf 129,00 Euro taxiert - ein Aufschlag von 56,1 Prozent über den derzeitigen Notierungen.
Europäische Autoaktien-Favoriten von Barclays, Nummer eins: Porsche Automobil Holding SE (WKN: PAH003, 44,57 Euro)
Klingt das Kurspotenzial bei BMW schon hoch, dann können einem bei der Kurszielvorgabe für Porsche fast die Ohren wackeln. Denn hier veranschlagt Barclays das Kursziel auf 84 Euro. Damit die Rechnung aufgeht, müsste die Aktie um stolze 88,5 Prozent zulegen.
Allerdings war zuletzt von Kurselan nach oben wenig zu spüren. Vielmehr ist die Notiz im Sog des VW-Abgasskandals ebenfalls sehr deutlich abgerutscht. Was den Skandal rund um Volkswagen angeht, gehen die Verantwortlichen bei Porsche aber nicht von ernsten Auswirkungen auf das eigene Unternehmen aus. Zwar habe auch Porsche mit der Dieselvariante des Modells Cayenne einen Fahrzeugtyp ausgeliefert, der eine illegale Motorsoftware enthält. Man sei aber überzeugt, dass die Kunden auch in Zukunft zu Porsche stehen würden.
Was den operativen Gewinn angeht, so wurde diese im Vorjahr erheblich gesteigert. Der operative Gewinn der Volkswagen-Tochter kletterte um rund 25 Prozent auf 3,40 Milliarden Euro und der stieg ebenfalls um ein Viertel auf 21,53 Milliarden Euro. Daraus ergibt sich eine hohe Gewinnspanne von 15,8 Prozent. Getrübt wurde die Freude aber durch den Ausblick, stellte der Finanzvorstand für 2016 durch nur einen Gewinn auf Vorjahresniveau in Aussicht. Allerdings sei an dieser Stelle daran erinnert, dass auch für 2015 die Vorhersagen vorsichtig formuliert waren.
Zu beachten ist ansonsten unbedingt, dass die Autobau-Aktivitäten längst in den Volkswagenkonzern integriert sind. Die Porsche Automobil Holding ist nur noch eine Beteiligungsgesellschaft. Sie hält die Mehrheit an den VW-Stammaktien. Erinnert sei auch an die Risiken, die sich aus einer anhängigen Klage ergeben, die im Zuge eines früher fehlgeschlagenen VW-Übernahmeversuches ergeben.
Wie dieser Prozess letztlich ausgehen wird, bleibt ebenso abzuwarten wie die Folgen des VW-Abgasskandals. Barclays kalkuliert bei seinen Berechnungen derzeit aber für 2016 und 2017 mit Gewinnen je Aktie von 10,69 Euro und 11,83 Euro. Das entspricht für 2017 einem geschätzten KGV von unter vier. Das ist ein so tiefer Wert, dass darin schon einige Risiken stecken dürften. Die Charttechnik gibt derzeit aber außer einer sich andeutenden Bodenbildung noch keinen klaren Hinweis darauf, dass sich an der niedrigen Bewertung schon bald etwas ändern wird.