Normalerweise nämlich muss bereits ab einem Anteil von 3 Prozent eine öffentliche Mitteilung erfolgen. Dann springen in der Regel viele Anleger auf den fahrenden Zug auf, in der Hoffnung, dass der Interessent weitere Anteile erwirbt. So können sie mit profitieren. Doch im Falle Geely/Daimler verhinderte der geschickte Schachzug einer Optionsschein-Strategie ein Hochschaukeln des Aktienkurses. Eine Aufstockung der Beteiligung sei zunächst nicht geplant, ließ Li Shufu am Wochenende wissen. "Das dämpft weitere Übernahmefantasien und könnte ebenfalls ein Grund für das Kursminus sein", sagte ein Händler.
Die Aktionäre von Daimler sind über den überraschend massiven Einstieg des chinesischen Autobauers Geely alles andere als begeistert. Statt Kursgewinnen, die normalerweise auf Anteilskäufe folgen, gaben die Aktien des Stuttgarter Premiumherstellers am Montag zeitweise spürbar nach. Gegen Mittag büßten die Daimler-Papiere im erholten Dax noch 0,61 Prozent auf 69,98 Euro ein und waren damit weiterhin größter Verlierer im Leitindex. Einerseits ist durch den auf einen Schlag großvolumigen Einstieg von Geely einiges an Kursfantasie aus der Aktie gewichen. Andererseits wirft der Schritt jede Menge Fragen auf, die sich insbesondere um den Nutzen für Daimler drehen, oder auch, wie es mit dessen Restrukturierungsvorhaben nun weiter gehen werde.
Zudem kann der chinesische Autobauer, da er nun größter Anteilseigner bei Daimler ist, jetzt auch einen Posten im Aufsichtsrat des Konzerns beanspruchen. "Das ist gleich aus mehreren Gesichtspunkten zu hinterfragen, denn dadurch wird dem chinesischen Konkurrenten nicht nur ein tieferer Einblick in die Organisation von Daimler möglich, sondern auch in zukünftige Strategien und Technologien", merkt Marktexperte Andreas Lipkow von der Comdirect Bank kritisch an. Zudem könnte es mit dem bisherigen Kooperationspartner in China, dem Autobauer BAIC, laut dem UBS-Experten Gong nun komplizierter werden.
Geely und will nach eigenen Aussagen eine Allianz schmieden für selbstfahrende Autos und dem Ausbau der Elektromobilität.
Bernstein: Investoren geschockt
Die Analysten des Investmenthauses Bernstein haben zum Geely-Einstieg bei Daimler eine vorsichtige Haltung eingenommen. Nach Gesprächen mit Managern von Daimler stelle sich die Frage, was Geely den Stuttgartern bieten könne bei der Entwicklung von Elektrofahrzeugen - dem zentralen Aspekt aus Sicht der Chinesen bei diesem Investment.
Die Deutschen seien "geschockt" gewesen von der Nachricht des Einstiegs von Geely bei den Stuttgartern, schrieben die Analyst Robin Zhu und Max Warburton von Bernstein nach einem Gespräch mit einem Manager von Daimler in China. Das gelte auch für die meisten Investoren, mit denen sie hierüber gesprochen hätten. Der Einstieg sei auch mit Blick auf den Zeitpunkt überraschend, denn andere chinesische Investoren wie Wanda, HNA oder Anbang hätten mittlerweile mit den Folgen exzessiver Investitionen im Ausland zu kämpfen.
Jefferies: Viele Fragen
Der Einstieg des chinesischen Konzerns Geely bei Daimler werfe zahlreiche Fragen auf, schrieb Analyst Philippe Houchois von der US-Bank Jefferies in einem Aktienkommentar. Vor allem sei unklar, welche Strategie Geely-Haupteigner Li Shufu verfolge und ob er einen Sitz im Aufsichtsrat anstrebe.
"Uns ist nichts bekannt von geschäftlichen Beziehungen" zwischen Daimler und Geely, schrieb Houchois. Die Stuttgarter hätten bislang vor allem mit dem chinesische Autohersteller BAIC kooperiert. Zudem beantworte die Reaktion von Daimler auf den Einstieg nicht die Frage, was das Unternehmen im Vorfeld von dem Einstieg gewusst habe.
"Wir denken, dass die Bundesregierung ein Interesse an allen Entwicklungen (bei Daimler) haben dürfte", ergänzte der Experte und verwies auf den früheren Anteil von Daimler an dem europäischen Gemeinschaftsunternehmen EADS
Bundesregierung - Geely-Einstieg bei Daimler ist Firmen-Entscheidung
Die Bundesregierung betrachtet den Einstieg des chinesischen Großinvestors Geely bei Daimler als unternehmerische Entscheidung. "Der Erwerb von 9,7 Prozent des Aktienkapitals and der Daimler AG durch das chinesische Unternehmen Geely ist der Bundesregierung natürlich bekannt, es handelt sich aber um eine unternehmerische Entscheidung", sagte Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Montag in Berlin. Zu Gesprächen des Geely-Haupteigners Li Shufu beim wirtschafts- und finanzpolitischen Berater der Bundeskanzlerin gebe die Bundesregierung wie in ähnlichen Fällen üblich keine Auskunft
VW-Aktie und BMW im Aufwind
Andere deutsche Autoaktien lagen dagegen im Plus. Volkswagen legten 1,5 Prozent zu, BMW rückten um 1,1 Prozent vor. Der Geely-Einstieg bei Daimler zeige, dass ausländische Investoren an deutsche Unternehmen interessiert seien und das aktuelle Bewertungsniveau als attraktiv sähen, sagte Kapitalmarktanalyst Orlando Rodrigues von der Privatbank Donner & Reuschel.
Die Titel von des schwedischen Autoherstellers Volvo, an denen Geely ebenfalls beteiligt ist, notierten knapp ein Prozent schwächer.
Daimler-Betriebsräte setzen auf Verlässlichkeit von Geely
Die Vertreter der Beschäftigten im Daimler-Aufsichtsrat wollen das Wirken des neuen Großaktionärs Geely bei dem Autokonzern genau im Blick behalten. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat wollten sich intensiv mit den Auswirkungen des Einstiegs der Chinesen, insbesondere auf die Sicherheit von Standorten und Arbeitsplätzen in Deutschland, auseinandersetzen, erklärten sie am Montag. "Unsere Erwartung gegenüber Li Shufu ist, dass er langfristiges Interesse an Daimler hat und unser Unternehmen gemeinsam mit den Beschäftigten weiterentwickeln will."
Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht hatte Anfang Februar erklärt, die Arbeitnehmer beim schwedischen Autohersteller Volvo hätten mit dem Eigner Geely bisher gute Erfahrungen gemacht. "Ich kann aus heutiger Sicht nicht sagen, ob Geely ein schlechter Aktionär wäre. Bei Volvo gibt es im Moment keine negative Diskussion", hatte er damals zu Spekulationen erklärt, Geely kaufe sich ein Aktienpaket bei Daimler zusammen.
CDU-Wirtschaftssprecher - Chinas Daimler-Einstieg kann Chance sein
Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion Joachim Pfeiffer hat den Einstieg eines chinesischen Großinvestors beim Autokonzern Daimler als "ganz normalen Vorgang" in einer globalisierten Wirtschaft gewertet. "So, wie das jetzt aussieht mit dem Erwerb von knapp zehn Prozent, kann das auch eine große Chance sein", sagte Pfeiffer am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. "Die Globalisierung lebt von offenen Märkten." Das gelte auch für den Kapitalverkehr und Auslandsinvestitionen. Deutschland habe in den vergangenen Jahrzehnten massiv in China und andere Märkte in Schwellenländern investiert. Von daher sei im Grundsatz nichts gegen das chinesische Engagement zu sagen.
"Ich bin nicht naiv", sagte Pfeiffer. Natürlich müsse man sich solche Engagements gut anschauen. Und zudem müsse man auch immer wieder darauf drängen, dass auch China seine Märkte weiter öffne und Benachteiligungen für hiesige Firmen auf dem dortigen Markt abbaue. Das könne aber kein Grund sein, die Märkte hier nun gegen Investitionen aus dem Land abzuschotten. "Da kann ich nur davor warnen", sagte er. Für Daimler könne es jedenfalls auch Chancen bieten, wenn man nun einen neuen Investor mit strategischen Interessenten gewinnen konnte. Im Übrigen sei dieses Engagement ein Ausweis der Attraktivität des hiesigen Wirtschaftsstandortes für ausländische Investoren. Pfeiffer kommt aus Baden-Württemberg, wo Daimler seinen Sitz hat.
SPD-Wirtschaftssprecher sieht China-Einstieg bei Daimler gelassen
Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Bernd Westphal hält den Einstieg eines chinesischen Großinvestors beim Autokonzern Daimler für unproblematisch. "Grundsätzlich sollten wir nicht das Signal senden, dass wir hier ausländische Investoren verprellen", sagte Westphal am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. "Hier ist erst einmal jeder willkommen, wenn er sich an unsere Regeln hält." Ein solches Engagement von China in Deutschland sollte aber Anlass sein, gegenüber der asiatischen Wirtschaftsmacht auf Gleichbehandlung deutscher Investoren in China zu drängen.
"Die Frage ist einfach, können wir das damit verknüpfen, dass unsere Investoren auch in diesen Ländern die gleichen Bedingungen vorfinden", sagte der SPD-Politiker. Die deutsche Wirtschaft klagt seit langem, dass sie bei Ausschreibungen und Engagements in dem Land benachteiligt wird.
rtr/dpa-AFX