Im ersten Quartal brach der Gewinn vor Zinsen und Steuern um fast 78 Prozent auf nur noch 617 Millionen Euro ein, wie Daimler in der Nacht zum Donnerstag auf Basis vorläufiger Zahlen mitteilte. Rechnet man Sondereffekte wie etwa die Kosten für die Dieselaffäre oder Umstrukturierungen heraus, bleiben im operativen Geschäft immerhin 719 Millionen Euro. Eine Prognose sei damit nicht mehr möglich. Den ursprünglichen Jahresausblick kippte Daimler, nachdem das Unternehmen schon Mitte März auf die nicht absehbaren wirtschaftlichen Folgen der Viruspandemie hingewiesen hatte. Die Auswirkungen auf Nachfrage, Lieferketten und Produktion könnten nicht sicher und detailliert eingeschätzt werden. Der Konzern gehe aber davon aus, dass Absatz, Umsatz und operatives Ergebnis in diesem Jahr jeweils unter Vorjahresniveau liegen werden. Die vollständigen Quartalszahlen will Daimler am 29. April veröffentlichen.

Daimler hatte im ersten Quartal weltweit rund 477 400 Autos der Kernmarke Mercedes-Benz verkauft, das waren knapp 15 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Im gleichen Maße gingen die Verkaufszahlen bei den Vans zurück. Deutliche Rückgänge gab es im wichtigsten Markt in China, wo die Ausbreitung des Coronavirus früher begonnen hatte. In Europa und in den USA, wo die Welle später einsetzte, gingen die Zahlen aber ebenfalls schon zurück. Auch im Lastwagen- und Busgeschäft sowie in der Sparte für Mobilitäts- und Finanzdienstleistungen brach der operative Gewinn deutlich ein.

Liquidität stimmt zuversichtlich


Für die Zeit nach der Corona-Krise sieht sich der Konzern finanziell dennoch gut aufgestellt: "Angesichts des Umstands, dass wir umfassende Maßnahmen zum Schutz unseres Barmittelbestands getroffen und unsere finanzielle Flexibilität erhöht haben, sind wir zuversichtlich, für die Zeit während und nach der Krise gut positioniert zu sein", hieß es von Daimler. Im ersten Quartal verbrannte der Autobauer 2,3 Milliarden Euro. Finanzvorstand Harald Wilhelm hatte bereits Anfang April erklärt, dass angesichts der Krise das Absichern der Liquidität oberste Priorität habe. Die Nettoliquidität im Industriezweig sank von Januar bis März auf 9,3 von elf Milliarden Euro. Der Konzern hatte zur Sicherheit erst kürzlich mit mehreren Banken eine Vereinbarung über eine neue Kreditlinie von zwölf Milliarden Euro geschlossen.

Nach und nach fährt der Konzern seit Anfang der Woche auch seine Produktion wieder hoch. Diese war seit rund vier Wochen in großen Teilen stillgestanden. Die Kurzarbeit, die seit dem 6. April gilt, läuft nach bisherigem Stand noch bis Ende des Monats weiter. Etwa 80 Prozent der rund 170.000 Beschäftigten in Deutschland sind davon in unterschiedlichem Maße betroffen.

Der Premiumhersteller hat schon länger mit Gewinnschwund zu kämpfen, denn er muss zig Milliarden in neue Technologien wie Elektroautos und autonomes Fahren stecken. Der Diesel-Abgasskandal brockte den Schwaben Bußgelder und milliardenhohe Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten ein. Der Absatz leidet seit bald zwei Jahren unter dem Handelsstreit zwischen den USA und China. Außerdem kamen Produktionspannen und der Flop eines Luxus-Pickups den Autobauer teuer zu stehen. So war im vergangenen Jahr das operative Ergebnis wegen etlicher Sondereffekte um 60 Prozent auf 4,3 Milliarden Euro gesunken. Vor dem Ausbruch von Corona hatten die Schwaben für 2020 eine deutliche Steigerung des Ebit in Aussicht gestellt, obwohl der Absatz leicht sinken und der Umsatz stagnieren sollte. Mit dem im November angekündigten Sparprogramm will Daimler die Personalkosten um 1,4 Milliarden Euro drücken, indem mehr als 10.000 Beschäftigte freiwillig ausscheiden sollten.

Unsere Einschätzung:


Nach Bekanntgabe der aktuellen Geschäftszahlen ging es für die Daimler-Aktie zunächst um gut zwei Prozent bergauf. Diese Gewinne musste das Papier jedoch schon bald wieder abgeben. Seither trat die Aktie nahezu auf der Stelle. Im Pandemie-Crash hat sich der Aktienkurs mittlerweile halbiert.

In einer am Montag vorliegenden Studie schrieb Deutsche Bank-Analyst Tim Rokossa, dass die Quartalszahlen vom Daimler-Konkurrenten Volkswagen seine Einschätzung bestätigt hätten, dass die Befürchtungen eines hohen Liquiditätsverbrauchs deutscher Autobauer im ersten Quartal ungerechtfertigt seien. Die Hersteller dürften weiterhin profitabel sein und noch über ausreichend flüssige Mittel verfügen. Bei Daimler bestünden aber gewisse Kreditrisiken. Die Deutsche Bank hat das Kurzsziel für Daimler deshalb von 50 auf 35 gesenkt, aber die Einstufung auf "Hold" belassen.

Die Corona-Krise macht dem Autobauer deutlich zu schaffen. Und die Zahlen für das zweite Quartal könnten noch schlechter ausfallen, erinnerte Analyst Frank Schwope von der NordLB. Auch schon vor dem Corona-Crash musste die Automobilindustrie einstecken. Die Nachwirkungen der Corona-Krise werden daher unter Berücksichtigung des Produktionsstillstands und der Unterbrechung der Lieferketten noch lange zu spüren sein. Langfristig könnte sich die Aktie wieder erholen. Unsere Empfehlung: Anleger sollten den Wert eher von der Seitenlinie aus beobachten.

Mit Material von Reuters und dpa-AFX