Nach einer jahrelangen Rekordfahrt trübt sich die Lage für Daimler nun deutlich ein. Im zweiten Quartal gab der Umsatz um ein Prozent auf 40,7 Milliarden Euro nach. Aber auf der Ergebnisseite sieht die Lage noch viel schlimmer aus. Von April bis Juni brach das operative Ergebnis um satte 30 Prozent auf 2,64 Milliarden Euro ein, der Überschuss sackte um 27 Prozent auf 1,825 Milliarden Euro ab. Damit blieb der Konzern hinter den Prognosen der Analysten. Die Experten hatten den Stuttgartern im Schnitt einen Umsatz von 42 Milliarden Euro zugetraut, beim Ebit lagen die Konsensschätzungen bei 2,77 Milliarden Euro.
Zur Begründung für die jüngsten Rückschläge verwies Daimler auf ein Bündel von Faktoren. Neben den Rückruf-Aktionen für den den Vito und weitere Fahrzeuge litt der Konzern in seiner Pkw-Sparte unter Lieferausfällen wegen eines Brands bei einem US-Zulieferer. Außerdem musste Mercedes-Benz in seinem wichtigsten Absatz-Markt in China deutlich höhere Rabatte geben als geplant. Ab Juli wurden die Zölle für Pkw-Importe aus Europa ins Reich der Mitte auf 15 von zuvor 25 Prozent gesenkt. Die entsprechenden Preisvorteile wollten chinesische Autokäufer aber schon vorher. Das drückt auf die Marge.
Dazu schlug die Einigung im jahrelangen Rechtsstreit um den verspäteten Start des Maut-Systems Toll Collect ins Kontor. Immerhin 418 Millionen Euro mussten die Schwaben für die überfällige Beilegung des teils öffentlich geführten Streits an den Bund überweisen. Das tut selbst einem Riesen wie Daimler weh.
Neue Konzern-Struktur
Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, gab der Konzern am Mittag zudem den Startschuss zum lange erwarteten Konzern-Umbau. Danach will der Konzern sein operatives Geschäft künftig von bislang fünf in drei rechtlich eigenständige Einheiten unter dem Daimler-Dach aufteilen: Mercedes-Benz AG (Pkw und Vans), Daimler Truck AG (Nutzfahrzeuge und Busse) sowie die Daimler Mobility (Finanz- und Mobilitätsdienstleistungen). Die Neuordnung soll den Aktionären auf der nächsten HV am 22. Mai 2019 zur Abstimmung vorgelegt werden. Geben die Eigentümer grünes Licht, will der Konzern am 1.1.2020 an den Start gehen.Die Kosten für den Umbau dürften insgesamt rund eine Milliarde Euro kosten.
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Einschätzung der Redaktion
Die Aktie mit Stern verliert weiter an Strahlkraft. Der Umsatz ist im zweiten Quartal überraschend gesunken, das operative Ergebnis sackte um ein Drittel weg und damit deutlich stärker als erwartet. Zwar hat sich das Truck-Geschäft wieder berappelt, weil die Nachfrage in wichtigen Märkten wie Indonesien oder Indien weiter wächst und selbst das einst kollabierende Truck-Geschäft in Brasilien endlich wieder anzieht.
Aber ausgerechnet das wichtige Pkw-Geschäft gibt derzeit Anlass zur Sorge. Die Ausläufer der branchenweiten Dieselaffäre haben auch die Schwaben inzwischen erreicht. Erst Mitte Juni hat der Konzern europaweit 774.000 Diesel-Fahrzeuge zurückgerufen, darunter die Modelle der volumenstarken C-Klasse sowie des GLC. Das belastet das Ergebnis.
Kritiker werfen auch Daimler vor, widerrechtlich Abgasabschalt-Einrichtungen eingebaut zu haben. Die Schwaben bestreiten dies vehement und verweisen auf den nötigen Bauteile-Schutz in bestimmten Temperatur-Bereichen.
Zudem erweist sich die Zertifizierung für den neuen europäischen Prüfzyklus WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure) auch bei Daimler als erheblich aufwändiger als gedacht. Angesichts der Herausforderungen gehe man davon aus, dass das operative Ergebnis von Mercedes Benz Cars (MBC) "im dritten Quartal deutlich unter dem Niveau des zweiten Quartals 2018 sowie des dritten Quartals 2017" liegen werde, teilte der Konzern heute mit. Im dritten Quartal 2017 fuhr MBC ein Ebit von 3,46 Milliarden Euro ein.
Immerhin: Die Gefahr von Strafzöllen auf europäische Auto-Exporte in die USA ist nach den Gesprächen von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und US-Präsident Donald Trump von Mittwoch Abend wohl erst mal vom Tisch.
Und strategisch ist der Konzern mit der heute angekündigten Neuausrichtung auf dem richtigen Weg. Wenn die HV im kommenden Jahr grünes Licht gibt und die Umwandlung der Sparten in rechtlich eigenständige Sparten durchwinkt, wird es für den Riesen künftig einfacher, Allianzen zu schließen oder neue Partner an Bord zu holen. Gerade im Pkw-Geschäft, das angesichts der Elektro-Revolution vor großen Herausforderungen steht, dürfte das ein großes Plus sein. Kurzfristig kostet die geplante Umwandlung aber erst mal Geld. Bis 2020 dürften die Kosten für den Umbau ansteigen und sich in der Spitze" auf "einen sehr niedrigen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag belaufen".
Anleger sollten aber dennoch vorsichtig bleiben. Wegen der Diesel-Vorwürfe sieht sich Daimler milliarden-schweren Klagen ausgesetzt. Dazu kommen die Probleme mit WLTP sowie die Strafzölle in China. Viele potenzielle Daimler-Kunden könnten im weltweit wichtigsten Mercedes-Markt auf höhere Rabatte pochen, weniger Ausstattung buchen oder gleich auf kleinere und damit margen-schwächere Baureihen ausweichen. Das würde die im zweiten Quartal ohnehin deutlich geschrumpfte Profitabilität weiter belasten (siehe Grafik). Die zweite Jahreshälfte dürfte also sehr herausfordernd für den Konzern werden.
Auch charttechnisch ist die Lage derzeit eher durchwachsen. Die Daimler-Aktie steckt mitten in der Bodenbildung. Sowohl der seit 2016 verlaufende langfristige als auch der mittelfristige Abwärtstrend sind intakt. Erst wenn die Aktie die Kurslücke (Gap) von Mitte Juni schließt, würde sich die Lage wieder aufhellen. Dort verläuft auch die 55-Tage-Linie. Zudem lauert in dieser Zone ein hartnäckiger Widerstand. Fällt die Marke von 60 Euro, sind weitere Kursgewinne bis in die Zone von 64 Euro drin. Wir bleiben angesichts dieser Gemengelage zunächst bei unserer Einschätzung: Halten.
Stopp: 53,50 Euro
Ziel: 64 Euro