Der Miterfinder des DAX, Frank Mella, zieht eine kritische Bilanz der Erweiterung. Von Wolfgang Ehrensberger

€URO AM SONNTAG: Sie waren von 1977 bis 1988 als Redakteur der „Börsen-Zeitung“ für den Index Börsenzeitung verantwortlich, den Vorgänger des DAX. Woher kam eigentlich die Idee für diesen Index?

FRANK MELLA: Die Hardy-Bank hatte 1959 den ersten deutschen Laufindex gestartet, wollte aber 1981 nicht mehr weiterrechnen. Die „Börsen-Zeitung“ hat die Berechnung bis zur DAX-Einführung 1988 fortgesetzt, weil wir ihn für die Börsenberichterstattung brauchten.

Der DAX hatte jahrzehntelang 30 Standard- werte. Mit der Reform im September 2021 wuchs er auf 40. War der Schritt richtig?

Aktuell haben von den 40 DAX-Werten 15 Unternehmen ein Gewicht von unter einem Prozent. Da hätte man auch gleich bei 30 bleiben können. Außerdem wird jetzt häufiger ausgetauscht — der DAX wird dadurch instabiler, unruhiger. Schließlich hat man ohne Not das gesamte Indexgebäude eingerissen: Mit MDAX und TecDAX kann ich nichts mehr anfangen. Ich halte die DAX-Reform für puren Aktionismus.

Der DAX hatte Schwächen, etwa seine Industrielastigkeit. Hat die Reform nicht auch Wachstumswerten Platz verschafft? 

In den Index gehören die größten Konzerne und nicht die, die gerade en vogue sind. Vor der Reform wurde die hohe Auto-Gewichtung moniert, mit BMW, Daimler und VW. Jetzt sind mit Porsche und Daimler Truck noch zwei dazu gekommen. Wieso soll der DAX jetzt besser sein?

Die DAX-Regeln wurden auch wegen des Wirecard-Skandals verschärft. Wäre der mit besseren Regeln vermeidbar gewesen? 

1996 ist die Metallgesellschaft nach Schieflage aus dem DAX geflogen und 2008 die Hypo Real Estate im Zuge der Bankenkrise. Wirecard war nicht der erste und wird nicht der letzte Fall bleiben. Eine DAX-Aufnahme folgt keinem Bonitätsurteil. Jeder DAX-Wert kann pleitegehen.