Legendäre Investoren
Es wäre die Krönung einer märchenhaften Erfolgsstory, die eigentlich kaum noch zu überbieten ist: Die Beckhams sollen die Nachfolge der Kardashians antreten, der berühmtesten Prominentenfamilie des Internetzeitalters. Der Streamingdienst Netflix will seinen Abonnenten britischen Presseberichten zufolge ab Anfang 2022 Einblicke in den Alltag von Victoria und David Beckham bieten und dafür rund 17,7 Millionen Euro bezahlen. Wie bei den Kardashians soll ein Kamerateam das Leben des Paars und seiner vier Kinder begleiten.
David und Victoria Beckham sitzen heute gemeinsam auf dem Thron des Ruhms und herrschen über die wirklich wichtigen Ländereien des neuen Jahrtausends: Hochglanzmagazine, die globalen Luxusmärkte und soziale Netzwerke. Die Beckhams haben mit ihren Kindern rund 100 Millionen Instagram-Follower. Die britische "Vogue" nannte sie in einer Titelgeschichte die "zweite königliche Familie", sie sind inzwischen mit einem Vermögen von über einer Milliarde Dollar vermögender als die Königin von England.
Die Beckhams sind längst zu einem globalen Phänomen geworden, ihr Leben und ihre Erfolge werden in China wie in Amerika oder Europa verfolgt. Sie waren Influencer, bevor es dieses Wort überhaupt gab. Seit Beginn ihrer Beziehung haben sie einen Einheitsmythos zelebriert, trotz völlig unterschiedlicher Lebensläufe. "Ihre Vereinigung vermählte auch zwei Unterhaltungssphären, die vor zwanzig Jahren nur lose miteinander verbandelt waren, das Showbiz und den Profisport", schrieb der "Spiegel".
Victoria, ehemalige Sängerin der Spice Girls, ist inzwischen eine anerkannte Modedesignerin. Sie war siebenmal auf dem Cover der "Vogue", heute tragen Stars wie Meghan Markle, Lady Gaga, Jennifer Lopez und Drew Barrymore ihre Kleider, sie wurde zur "wichtigsten Unternehmerin Englands" gekürt und schrieb zwei erfolgreiche Bücher. Und David Beckham, der ehemalige Kapitän der englischen Fußball-Nationalmannschaft, mit über 60 Tattoos geschmückt, gilt als Sexsymbol, er hat lukrative Werbeverträge (Armani, Adidas, Pepsi, Gillette, Samsung, Calvin Klein etc.). Er ist Geschäftsführer mehrerer Unternehmen.
Beide adelte Königin Elisabeth II. mit dem Verdienstorden Order of the British Empire. Und sie stehen für traditionelle Werte, die sie glamourös vermarkten: Ehe ist sexy, Treue ist sexy, Kinder sind sexy. Die nächste Generation der Beckham-Dynastie steht übrigens schon bereit: Der Älteste, Brooklyn Beckham (22), hat seinen ersten Bildband als Fotograf veröffentlicht und plant gerade seine Hochzeit mit der Schauspielerin und Milliardärstochter Nicola Peltz. Romeo (18), der zweitälteste Sohn, modelt für Burberry, und Cruz Beckham (16) wird als der neue Justin Bieber gehandelt. Die einzige Tochter, Harper Seven, ist gerade erst neun. Sie möchte Fußballerin werden.
Das Paar ist seit Juli 1999 verheiratet. David war, wie er später gestand, schon in Victoria verliebt, bevor er sie überhaupt kennengelernt hatte. Es passierte im November 1996 in einem tristen Hotelzimmer. Sein Zimmernachbar Gary Neville hatte den Fernseher eingeschaltet, gezeigt wurde ein Video der Spice Girls. "Oh, ich mag die in dem kleinen schwarzen Catsuit", sagte Beckham. Die Sängerin im Catsuit, das war Victoria Adams.
Einen Monat später traf er sie zum ersten Mal live. Er war mit seinem Club Manchester United beim FC Chelsea in London zu Gast, die Spice Girls hatten das Spiel besucht, in der Players Lounge ging Victorias Manager auf Beckham zu und stellte sie ihm vor. Victoria war zu dem Zeitpunkt berühmter als er, denn ihre Band war gerade auf dem Höhepunkt ihres Ruhms angekommen. Beckham war damals noch nicht der lässige Hedonist seiner späteren Jahre, sondern schüchtern, hatte eine Allerweltsfrisur und trug Sakko und Krawatte. "Wir haben uns eine Stunde in der Players Lounge unterhalten. Sie war mit dem Zug gekommen und sie hat dann ihre Nummer auf ihr Bahnticket geschrieben, und die habe ich immer noch."
1999 heirateten die beiden in einem irischen Schloss, saßen auf goldenen Thronen, sie trug eine Krone und ein cremefarbenes Brautkleid, und am Ende wurde eine Fahne mit den Buchstaben "V. B. D." gehisst - Initialen, die von da an auch ein Markenlogo sein sollten.
David Beckham, 1975 geboren, wuchs in einem Arbeitervorort von London auf. Sein Vater arbeitete als Kücheninstallateur, die Mutter als Friseurin. Beide waren Fans von Manchester United. Schon als Kind spielte David Fußball, gewann mit elf einen Talentwettbewerb an der Fußballschule des legendären Trainers Bobby Charlton und wurde drei Jahre später von Manchester United verpflichtet.
Im Gegensatz zu ihrem Mann war Victoria Beckham in einem reichen Elternhaus aufgewachsen. Ihr Vater betrieb in Harlow in der Grafschaft Essex einen Elektronik-Großhandel, er fuhr seine Tochter jeden Morgen mit einem Rolls-Royce in die Schule. Zuhause war sie die Prinzessin, in der Schule die Außenseiterin.
Lukratives Superteam
David und Victoria wurden das "Team Beckham" und multiplizierten quasi ihre Popularität. David bekam die meisten seiner Werbeverträge erst nach seiner Liaison mit Victoria und wurde damals zum bestverdienenden Fußballspieler aller Zeiten. "Popballer" nannten ihn die spanischen Gazetten, weil er als neue Stilikone so viel mehr verkörperte als Fußball.
Aber auch Victoria machte eine bemerkenswerte Verwandlung durch. "Noch während der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland war Victoria Beckham die vielbelächelte ‚WAG‘ (für ‚Wives And Girlfriends‘), die ein bisschen zu gebräunte Spielerfrau mit Haarextensions, Silikonbrüsten und Hotpants, die sich manche Designer ausdrücklich nicht als Kundin wünschten", schrieb die "Neue Zürcher Zeitung". Zwei Jahre später, nachdem sie der prominente Stilkritiker Richard Blackwell zur "am schlechtesten gekleideten Frau 2007" gekürt hatte, änderte sie ihren Look, ließ sich eine Kurzhaarfrisur schneiden und zeigte sich in eleganten Roben.
Während der Corona-Krise geriet Victoria Beckham unter Beschuss, weil sie 30 Mitarbeiter ihres Modelabels beurlaubt und ihnen erklärt hatte, dass sie auf absehbare Zeit nur 80 Prozent ihres Gehalts erhalten würden. Das ehemalige Spice Girl, dessen Handtaschenkollektion allein einen Wert von 1,5 Millionen Pfund haben soll, könnte daher bis zu 75 000 Pfund Steuergeld pro Monat einfordern. In der Radio-Morgensendung "Good Morning Britain" bezeichnete der Moderator Piers Morgan Victoria Beckham als eine "verwöhnte Primadonna-Millionärin", die kein Steuergeld verwenden sollte, um ein "scheiterndes Eitelkeitsprojekt" zu retten.
Auch in den sozialen Medien wurde Kritik laut. Die Beckhams würden das Rettungsprogramm der Regierung nutzen, statt auf ihr Milliardenvermögen zurückzugreifen. Die Empörung darüber war umso größer, als Victoria und ihr Ehemann David Presseberichten zufolge nur zwei Wochen zuvor 17 Millionen Pfund für den Kauf eines Penthouses in Miami ausgegeben hatten. peb