"Auch wenn die Volatilität wahrscheinlich hoch bleiben wird, stehen die Märkte besser da als viele Investoren glauben", sagt Christophe Braun, Investmentdirektor für Aktien beim Vermögensverwalter Capital Group. Auch Maximilian Kunkel, Chef-Anlagestratege für Deutschland bei der Bank UBS, sieht während der Bilanzsaison weiter größere Kursausschläge kommen. Jedoch böten die Zahlen der US-Firmen Rückenwind: Drei Viertel der Unternehmen hätten die Erwartungen im Schnitt um fünf Prozent übertroffen. Das sei nicht schlechter als im langjährigen Durchschnitt.

Zuletzt sorgten Überlegungen von US-Notenbankern für Unruhe, kräftigere Zinsschritte vorzunehmen. Allerdings hätten bei allen US-Zinserhöhungszyklen seit Anfang der 70er Jahre die Aktienmärkte unter dem Strich zugelegt, erklärt Chris Iggo, Investmentchef des Vermögensverwalters Axa Investment Managers. Ausnahme seien die Turbulenzen durch die Ölkrise 1973 und 1974. "Die Märkte werden sich irgendwann an die Straffung gewöhnen." Auch dass die Europäischen Zentralbank (EZB) eine geldpolitisch restriktivere Rhetorik angeschlagen habe, sei an sich nichts Schlechtes, sagt sein Kollege Olivier de Berranger vom Vermögensverwalter La Financiere de l’Echiquier. "Es wäre viel beunruhigender gewesen, wenn die EZB an ihrer allzu lockeren Haltung festgehalten und die Tatsache des Inflationsdrucks geleugnet hätte."

In der zweiten Hälfte der zu Ende gehenden Woche war der Handel maßgeblich von der höchsten US-Inflation seit 40 Jahren und der daraus folgenden Aussicht auf eine baldige Zinswende der Fed bestimmt. Zudem nahmen die Spannungen in der Ukraine-Krise weiter zu. Ungeachtet dessen gewann der Dax in den vergangenen Tagen insgesamt mehr als zwei Prozent und stand vor dem größten Wochengewinn seit zwei Monaten.

PANDEMIE TRITT IN DEN HINTERGRUND


Die Verunsicherung um Geo- und Geldpolitik dränge dabei die Coronavirus-Pandemie in den Hintergrund, gibt Patrick Linden, Partner bei Vermögensverwalter Clartan Associes, zu bedenken. "Auch wenn Anleger gerade Druck von allen Seiten Stand halten müssen - bei dem ein oder anderen Finanzmarktakteur dürfte der Status Quo nach zwei Jahren Corona-Fokus für gelegentliche Nostalgie-Gefühle sorgen. Denn auch in den kommenden Wochen dürfte die Entwicklung der Indizes nicht von gesundheitspolitischen Herausforderungen bestimmt werden."

In der neuen Woche legen unter anderem der Lebensmittel-Konzern Nestle, der Flugzeugbauer Airbus, die Chipfirma Nvidia, der Fahrzeug-Hersteller Renault und der Einzelhändler Walmart Zahlen vor. In Deutschland öffnen der Versicherer Allianz und die Commerzbank ihre Bücher.

Bei den Konjunkturdaten stehen am Mittwoch die US-Einzelhandelsumsätze an. "Je stärker die Daten ausfallen, desto mehr wird am Markt darauf gesetzt werden, dass die Fed noch schneller, entschlossener und länger vorgehen muss, als derzeit erwartet", prognostiziert Commerzbank-Analystin Antje Praefcke. Einblicke in die Gedankenwelt der US-Notenbank versprechen sich Experten von den Protokollen der jüngsten Fed-Beratungen, die ebenfalls am Mittwoch veröffentlicht werden sollen.

Am Freitag verfallen zudem Optionen auf Indizes und einzelne Aktien. Zu diesem Termin schwanken die Aktienkurse üblicherweise stark, weil Investoren die Preise derjenigen Wertpapiere, auf die sie Derivate halten, in eine für sie günstige Richtung bewegen wollen.

rtr