Dank der Erleichterung über den Sieg von Joe Biden bei der US-Präsidentschaftswahl und Erfolgen bei der Entwicklung eines Coronavirus-Impfstoffs legte der Dax in den vergangenen Tagen insgesamt rund fünf Prozent zu und hielt sich am Freitagnachmittag über der psychologisch wichtigen Marke von 13.000 Punkten. "Tatsächlich haben sich somit bei zwei der zentralen Belastungsfaktoren entscheidende Fortschritte ergeben", sagt Carsten Mumm, Chef-Analyst der Privatbank Donner & Reuschel. "Dadurch könnte die zuletzt stockende wirtschaftliche Erholung in Europa ab dem ersten Quartal wieder einen deutlichen Anschub erhalten, vor allem, wenn bei den Brexit-Verhandlungen kurzfristig auch noch eine positive Überraschung gelingen könnte."
Hier gab es zuletzt allerdings einen Dämpfer. Der irischen Regierung zufolge werden sich Großbritannien und die EU nicht wie erhofft bis Mitte November auf ein Handelsabkommen einigen. Eine Vereinbarung zu diesem Termin galt bislang als zwingend, damit ein Vertrag bis zum endgültigen EU-Austritt des Vereinigten Königreich zum Jahreswechsel von allen Mitgliedstaaten ratifiziert werden kann. Als positives Zeichen werteten Marktbeobachter allerdings, dass der engste Berater des britischen Premierministers Boris Johnson, Dominic Cummings, seinen politischen Rückzug zum Jahresende in Aussicht stellte. "Mit Cummings Weggang, der als einer der Schlüsselpersonen hinter dem Brexit angesehen wird, deutet dies darauf hin, dass Johnson weitere Kompromisse in Betracht ziehen könnte, was positiv zu werten sein wird", sagt Lee Hardman, Währungsanalyst beim Broker MUFG.
EXPERTE - FED WIRD KASTANIEN AUS DEM FEUER HOLEN
Rund um die US-Wahlen halte sich die Enttäuschung der Anleger über den ausgebliebenen Erdrutschsieg von Bidens Demokraten in Grenzen, sagt Bart Melek, leitender Anlagestratege beim Brokerhaus TD Securities. Wenn die Republikaner ihre Mehrheit im US-Senat bei den ausstehenden Stichwahlen verteidigten, werde das erwartete zusätzliche Konjunkturpaket zur Abfederung der Coronavirus-Folgen sicher kleiner ausfallen als gedacht. "Irgendetwas werden wir aber bekommen." Außerdem dürfe man die ultra-lockere Geldpolitik der US-Notenbank Fed nicht vergessen. "Es gibt andere Wege zu Stimuli als über den Kongress."
Nigel Green, Gründer und Chef des Anlageberaters deVere, mahnte allerdings zu "vorsichtigem Optimismus". Anleger sollten auf jeden Fall vermeiden, wahllos Aktien zu kaufen.
KAUM KONJUNKTURDATEN UND FIRMENBILANZEN ERWARTET
Bei den Konjunkturdaten richten Anleger ihre Aufmerksamkeit auf die US-Einzelhandelsumsätze am Dienstag. Der private Konsum gilt als Hauptstütze der weltgrößten Volkswirtschaft. Am Tag zuvor steht das Konjunkturbarometer der Federal Reserve Bank von New York auf dem Terminplan. Am Donnerstag folgen die Frühindikatoren.
Diesseits des Atlantik stehen nur wenige Zahlen zur Veröffentlichung an. Hierzu gehört der Index für die Verbraucherstimmung in der Euro-Zone am Freitag.
Von der auslaufenden Bilanzsaison versprechen sich Experten ebenfalls kaum Impulse für den Gesamtmarkt. Unter anderem öffnen der britische Mobilfunker Vodafone, der französische Mischkonzern Bouygues und der US-Einzelhändler Walmart ihre Bücher.
Unabhängig davon verfallen am Freitag Optionen auf Indizes und einzelne Aktien. Zu diesem Termin schwanken die Aktienkurse üblicherweise stark, weil Investoren die Preise derjenigen Wertpapiere, auf die sie Derivate halten, in eine für sie günstige Richtung bewegen wollen.
rtr