"Eine Lehre aus der Finanzkrise vor zwölf Jahren ist, dass heftige Börsenturbulenzen längerfristig nachwirken, eben weil der Ausblick für die Gewinne für längere Zeit unsicher bleibt. Den Investoren steht vermutlich auch in der aktuellen Krise noch eine holprige Reise bevor." Der Dax kam in der ablaufenden Woche kaum vom Fleck und lag zuletzt bei über 10.800 Punkten.
Kursrückschläge drohten den Börsen vor allem bei einer zweiten Infektionswelle, prognostiziert Naeem Aslam, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses AvaTrade. "Staaten lockern ihre Restriktionen, aber die Öffentlichkeit wird sorgloser. Die Zahl derjenigen, die soziale Distanz praktizieren, wird in den kommenden Wochen schrumpfen."
Gleichzeitig wüchsen die politischen Gefahren, warnt Christopher Smart, Chef des Research-Hauses Barings Investment Institute. "Es steht zu erwarten, dass China und die Vereinigten Staaten aus dem großen Lockdown noch gekränkter hervorgehen werden und dass sich Anleger auf eine Welt zunehmender Spannungen, steigender Handelsschranken und größerer Risiken einstellen sollten." Im Streit über die Rolle Chinas in der Virus-Krise hatte US-Präsident Donald Trump dem Land mit neuen Strafzöllen gedroht.
ERNEUTE FLUT VON FIRMENBILANZEN
Die laufende Bilanzsaison steht ebenfalls ganz unter dem Eindruck der Corona-Pandemie. Dabei liege das Hauptaugenmerk aber auf den Plänen der Firmen zur Bewältigung der Krise, sagt Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. "Wer sich heute bewährt, wird zu den Gewinnern von morgen zählen. Die Anleger werden ganz genau darauf schauen, welches Unternehmen seine Hausaufgaben macht und welches nicht."
In der neuen Woche legt etwa ein halbes Dutzend Dax-Firmen Geschäftszahlen vor. Hierzu gehören der Versicherer Allianz, die Versorger E.ON und RWE sowie der Autobauer BMW. Im Ausland öffnen unter anderem der Netzwerk-Ausrüster Cisco und die spanische Hochtief-Mutter ACS ihre Bücher.
RELATIV WENIGE KONJUNKTURDATEN ERWARTET
Etwas leerer ist der Terminkalender der Konjunkturdaten. Dort stehen die Zahlen zur Industrieproduktion in Europa (Mittwoch), den USA und China (beide Freitag) an. Zum Abschluss der neuen Woche werden Daten zum deutschen und europäischen Wirtschaftswachstum veröffentlicht. Wenige Stunden später folgen die US-Einzelhandelsumsätze.
"Die deutsche Wirtschaft dürfte im ersten Quartal im Vergleich zum Schlussquartal 2019 um 2,5 Prozent geschrumpft sein", prognostiziert Commerzbank-Volkswirt Ralph Solveen. "Damit wäre Deutschland im Vergleich zu den meisten anderen Euro-Ländern noch relativ glimpflich davongekommen." Bei den US-Einzelhandelsumsätzen im April rechnet der Experte mit einem Minus von 11,5 Prozent. Der private Konsum gilt als Hauptstütze der weltgrößten Volkswirtschaft.
rtr