Ihr Blick richte sich vor allem auf die US-Beschäftigtenzahlen, sagte Thomas Gitzel, Chef-Volkswirt der VP Bank. Der jüngste dramatische Anstieg der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe deute darauf hin, dass die Entlassungswelle in den USA bereits in vollem Gang sei.
In der alten Woche gaben aber noch die billionenschweren Hilfspakete von Regierungen und Notenbanken den Börsen die Richtung vor. Der Dax stand mit einem Plus von insgesamt knapp zehn Prozent vor dem größten Wochengewinn seit mehr als acht Jahren und die Wall Street legte binnen drei Tagen so stark zu wie zuletzt Anfang der 1930er Jahre. "Das bedeutet aber nicht, dass es nicht noch einmal abwärts gehen könnte", warnt Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. Steigende Corona-Todesfälle oder eine zweite Infektionswelle könnten einen erneuten Ausverkauf auslösen.
Der aktuelle "maximale Pessimismus" der Anleger könnte aber auch den Ausgangspunkt für eine massive Börsenrally bilden, geben die Experten von der Bank of America zu bedenken. In der vergangenen Woche hätten Kunden Wertpapiere im Volumen von 234,6 Milliarden Dollar zu Geld gemacht, so viel wie noch nie. Der Aktienanteil in den Depots liege mit 52,8 Prozent auf dem niedrigsten Stand seit sieben Jahren.
ENTLASSUNGSWELLE IN DEN USA
Für die am Freitag anstehenden US-Arbeitsmarktzahlen sagen Analysten einen Abbau von 293.000 Stellen außerhalb der US-Landwirtschaft voraus, nachdem im Vormonat noch 273.000 Jobs neu geschaffen worden waren. Das volle Ausmaß der Entlassungen werde aber wohl erst im kommenden Monat offensichtlich, sagt Ian Lyngen, leitender Anlagestratege der Investmentbank BMO.
Einen Vorgeschmack auf die offiziellen Daten liefern die Zahlen der privaten Arbeitsagentur ADP am Mittwoch. Am Tag darauf stehen die wöchentlichen Erstanträge auf US-Arbeitslosenhilfe auf dem Programm. In der alten Woche hatte sich die Zahl der Bezieher auf 3,3 Millionen verzehnfacht. Das ist fast fünf Mal so viel wie der bisherige Rekord aus dem Jahr 1982. Ebenfalls am Donnerstag werden Zahlen zu den Auftragseingängen für langlebige US-Güter und zu den Bestellungen in der Industrie vorgelegt.
TRÜBE AUSSICHTEN AUCH IN EUROPA - HOFFNUNGSSCHIMMER IN CHINA
Auch diesseits des Atlantik sind die Aussichten trübe: Nach dem Einbruch des Ifo-Index, der die Stimmung in den deutschen Chef-Etagen widerspiegelt, rechnen Experten mit einem ähnlich starken Rückgang des europäischen Geschäftsklima-Index (Montag). Außerdem stehen im Verlauf der neuen Woche die Barometer für die Laune der deutschen und europäischen Einkaufsmanager auf dem Terminplan.
Etwas besser seien die Aussichten für die chinesischen Einkaufsmanager-Indizes, sagt Commerzbank-Volkswirt Christoph Balz. Denn dort werde die Produktion wieder hochgefahren. "Die Krise ist aber auch in China noch nicht überwunden, denn die Wirtschaft erhält nun Gegenwind von den Problemen in Europa und Amerika."
Die Experten des Vermögensverwalters MFS raten dazu, sich auf eine tiefe Rezession einzustellen. "Die Konjunkturdaten für März, April und vielleicht auch Mai werden wahrscheinlich verheerend sein. Trotz der Stundung von Steuern und anderen Ausgaben sowie sehr billiger Kredite könnte es viele kleine und mittlere Unternehmen sehr hart treffen."