Die Dynamik bestimmt aber auch die Angst der Anleger, etwas zu verpassen. "Für einige, die an der Seitenlinie auf fallende Kurse gewartet haben, ist der Druck einfach zu groß geworden", sagt Portfolio-Manager Thomas Altmann. "Jetzt müssen sie in den Markt." Andere sähen die neuen Hochs als beständigen Aufwärtstrend und stockten ihre Bestände auf. In der ablaufenden Woche legte der Dax per Freitagnachmittag bei einem Rekordstand von 16.030 Punkten rund 1,7 Prozent zu. Für die meisten europäischen Börsen war es die vierte Gewinnwoche in Folge. Auch die Wall Street eilt von Rekord zu Rekord.

AUF DIE GEWINNE KOMMT ES AN


Trotz der Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus zeigten die Börsen in Europa und den USA bislang keine Schwäche, sagte Analyst Pierre Veyret vom Handelshaus ActivTrades. Das liege auch an den im Vergleich zu Asien energischeren Impfkampagnen. Hohe Kursgewinne seien zudem ein schwaches Argument für bevorstehende Korrekturen, fasst Anlagestratege Ulrich Stephan von der Deutschen Bank zusammen. Der eigentlich relevante Faktor für die Aktienanlage seien die Unternehmensgewinne, "und die entwickeln sich prächtig." So ermöglichten die weltweiten Öffnungen der Volkswirtschaften in den USA ein Gewinnwachstum im zweiten Quartal von gut 80 Prozent gegenüber dem Covid-belasteten Vorjahresquartal für bonitätsstarke Unternehmen.

Dank Impfstoffentwicklung und Fiskalpaketen werden auch die im europäischen Auswahlindex der 600 größten Unternehmen nach IBES-Daten von Refinitiv einen Rekordanstieg bei den Quartalsgewinnen von rund 148 Prozent einfahren. Das wären deutlich mehr als die vor die Beginn der Bilanzsaison prognostizierten 104 Prozent. Hierzulande stehen in der neuen Woche hauptsächlich noch Bilanzen aus der zweiten und dritten Reihe an.

ANLEGER WARTEN AUF HINWEISE IN FED-PROTOKOLLEN


Bei den Konjunkturdaten richten die Investoren ihre Aufmerksamkeit am Dienstag auf die US-Einzelhandelsumsätze. Der Der jüngste Boom sei voraussichtlich vorbei, prognostiziert Commerzbank-Experte Christoph Balz. Zum einen laufen die sehr großzügigen staatlichen Hilfsleistungen aus, zum anderen haben sich viele Haushalte neu ausgestattet mit Möbeln oder technischen Geräten, sodass die entsprechende Nachfrage in ein Loch gefallen ist, erläutert er.

Am Mittwoch könnten die Sitzungsprotokolle der US-Notenbank Fed Aufschluss über die weitere geldpolitische Richtung liefern. Aufgrund der steigenden Inflation und der verbesserten Lage am US-Arbeitsmarkt könnten die Notenbanker um Jerome Powell noch im August auf dem internationalen Notenbankertreffen in Jackson Hole oder spätestens im September nach der nächsten regulären Notenbanksitzung den Beginn einer sukzessiven Reduzierung der Wertpapierkaufvolumina (Tapering) ankündigen, sagt Carsten Mumm, Chefvolkswirt beim Bankhaus Donner & Reuschel. "Tapering, Corona-Unsicherheiten und weltweit steigende Produktionskosten dämpfen die Perspektiven der Aktienmärkte, wenngleich sie aufgrund fehlender verzinslicher Anlagealternativen und eines grundsätzlich dynamischen Aufschwungs moderat positiv bleiben." Zudem seien die Investoren dabei, sich mit dem Gedanken an ein Abebben der Notenbank-Geldflut bereits etwas anzufreunden, sagt Stratege Michael Hewson vom Handelshaus CMC Markets. "Solange die Diskussion nicht auf das sensiblere Thema der Zinserhöhungen übergeht, scheint der aktuelle Trend immer höherer Hochs anzuhalten."

rtr