"Es ist das alte Spiel: Die Abwägung zwischen kurzfristig stimulierenden Effekten und langfristig dämpfenden globalen Trends", sagt Analyst Frank Wohlgemuth von der National-Bank in Essen. Er gehe davon aus, dass die langfristigen Coronavirus-Folgen wie erhöhte Arbeitslosigkeit oder vermehrte Firmenpleiten den aktuellen Preisanstieg, der durch Konjunkturprogramme und einen Konsumstau befeuert werde, rasch dämpfen werden.
Er betrachte daher die jüngsten Kursrücksetzer als gesunde Reaktion auf die Rally der vorangegangenen Monate, fügt Wohlgemuth hinzu. "Besorgniserregend wäre eine Korrektur der geldpolitischen Ausrichtung. Eine solche ist aber nicht zu erwarten." In den vergangenen büßte der Dax insgesamt ein knappes Prozent ein.
AUFSCHWUNG GEWINNT AN FAHRT - FED-PROTOKOLLE IM BLICK
Grundsätzlich seien die Aussichten gut, sagt Marc Decker, Chef-Fondsmanager der Privatbank Merck Finck. "Die Berichtssaison des ersten Quartals war über fast alle Regionen und Sektoren hinweg eine der besten der letzten Jahre. Die Erholung sollte sich weiter fortsetzen." Frische Impulse sind von den Unternehmen in der neuen Woche allerdings kaum zu erwarten, da nur einige Nachzügler Zahlen veröffentlichen. Unter anderem öffnen der italienische Versicherer Generali, der US-Einzelhändler Walmart und der Netzwerk-Ausrüster Cisco ihre Bücher.
Vor dem Hintergrund der Inflationsdebatte werden Börsianer am Mittwoch die Worte in den Fed-Protokollen auf die Goldwaage legen. Denn einige Investoren schienen den Strategiewechsel der US-Notenbank, bei dem der Beschäftigung ein höheres Gewicht zugebilligt wird als der Teuerung, nicht ernst zu nehmen, sagt Martin Lück, Chef-Anlagestratege für Deutschland, Österreich und Osteuropa beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock. Daher signalisierten die Kurse an den Terminmärkten erste US-Zinserhöhungen Ende 2022, während die Notenbanker solche Schritte erst ab Anfang 2024 andeuteten.
WENIGE RELEVANTE KONJUNKTURDATEN
Bei den Konjunkturdaten richten Anleger ihre Aufmerksamkeit unter anderem auf das Konjunkturbarometer der Federal Reserve Bank von Philadelphia am Donnerstag. Analysten erwarten für Mai einen Rückgang auf 40 Punkte von 50,2 Zählern im Vormonat.
Diesseits des Atlantiks stehen unter anderem die Barometer für die Stimmung der deutschen und europäischen Einkaufsmanager (Freitag) auf dem Terminplan. Der Index für das europäische verarbeitende Gewerbe sei wohl auf 60 Punkte von 62,9 Zählern gesunken, prognostiziert Commerzbank-Analyst Christoph Weil. "Allerdings heißt dies nicht, dass die Industriekonjunktur sich zuletzt merklich abgeschwächt hat oder die Chancen auf eine weitere Erholung sinken." Denn die Werte der vergangenen Monate seien durch den Wirtschaftseinbruch im Frühjahr 2020 verzerrt worden.
rtr