Neben Coronavirus-Pandemie und Ölpreis-Kapriolen sei die auf Hochtouren laufende Bilanzsaison wichtig für die Anlegerstimmung, sagt Florian Ielpo, Chef-Analyst des Vermögensverwalters Unigestion. "Analysten erwarten derzeit einen Gewinnrückgang von 18 Prozent im Jahresvergleich für S&P 500-Unternehmen, einen Rückgang von 22 Prozent beim Stoxx600 und einen Rückgang von 19 Prozent beim MSCI-Weltindex."
In den vergangenen Tagen büßte der Dax gut zwei Prozent ein und steuerte auf den größten Wochenverlust seit gut einem Monat zu. Mit knapp 10.400 Punkten notiert er aber etwa 26 Prozent über seinen Tiefs von Mitte März. Die Furcht vor den wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie hatte ihn damals auf ein Sechseinhalb-Jahres-Tief gedrückt.
Anleger sollten sich durch die starke Kurserholung aber nicht blenden lassen, warnt Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. "Der erste Schock des wirtschaftlichen Lockdowns mag vielleicht verarbeitet sein. Was der zeitlich wohl lang ausgedehnte Stillstand des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens aber anrichtet, findet jetzt erst allmählich durch den Ölpreis-Crash und schlechte Quartalszahlen der Unternehmen Eingang ins Bewusstsein der Anleger."
Wegen der kollabierenden Nachfrage bei gleichzeitig gestiegenem Angebot rutschte der Preis für die US-Rohölsorte WTI zuletzt erstmals unter null Dollar je Barrel (159 Liter).
FLUT VON FIRMENBILANZEN ERWARTET
Unterdessen steuert die Bilanzsaison auf ihren Höhepunkt zu. Allein aus dem Dax legt in der neuen Woche ein knappes Dutzend Firmen Geschäftszahlen vor. Besonders arbeitsreich wird es für Börsianer am Donnerstag, wenn die Autobauer Daimler und Volkswagen sowie die Deutsche Bank ihre Bücher öffnen. Bei letzterer richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Risikovorsorge für faule Kredite. US-Konkurrenten wie JPMorgan und Goldman Sachs haben wegen möglicher Ausfälle als Folge der Virus-Krise bereits Milliardenbeträge zurückgestellt.
In den USA geben unter anderem der Online-Händler Amazon, die Google-Mutter Alphabet, der iPhone-Anbieter Apple und der Software-Konzern Microsoft Zahlen bekannt. Aufmerksam werden Investoren außerdem die Veröffentlichungen der Ölkonzern BP, Exxon und Chevron studieren, um Hinweise auf mögliche Reaktionen auf die jüngsten Ölpreis-Kapriolen zu erhalten. Nach dem Preissturz vom März hatten viele bereits ihre Investitionen drastisch zusammengestrichen.
REZESSION IM ERSTEN QUARTAL - FED UND EZB BERATEN SICH
Zudem warten Börsianer gespannt auf die vorläufigen Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt in der Euro-Zone (Donnerstag) und den USA (Mittwoch). In beiden Fällen rechnen Experten mit deutlichen Rückgängen. Größere Kursrückschläge seien deswegen aber nicht zu erwarten, sagt Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. "Die Messlatte liegt so niedrig, dass die Anleger nichts wirklich verschrecken kann."
Mit einem Auge schielen Investoren zudem auf die Beratungen der US-Notenbank (Fed) am Mittwoch und der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag. Zwar haben beide bereits billionenschwere Wertpapierkäufe angekündigt, um der Konjunktur unter die Arme zu greifen. Experten halten es aber nicht für ausgeschlossen, dass die Notenbanker noch einmal nachlegen.
rtr
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