Anzeichen einer schwächeren US-Konjunktur und eine drohende Eskalation im Handelsstreit zwischen den USA und China haben den Aktienmärkten weltweit schwer zugesetzt. Der DAX rutschte am Donnerstag erstmals seit zwei Jahren unter die Marke von 11 000 Punkten und ging mit einem Minus von 3,5 Prozent aus dem Handel. Es war der größte Tagesverlust seit dem Brexit-Votum 2016. Allerdings beruhigte sich die Lage an der Wall Street von Donnerstag auf Freitag. Auch der DAX machte am Freitag Boden gut, Schnäppchenjäger sahen ihre Chance.
Auslöser der jüngsten Zuspitzung war die Verhaftung der Huawei-Finanzchefin Meng Wanzhou in Kanada, der nun die Auslieferung in die USA droht. Das chinesische Unternehmen, weltgrößter Netzwerkausrüster, soll gegen Iran-Sanktionen der USA verstoßen haben. Investoren fürchten nun wieder eine Zuspitzung des Handelskonflikts zwischen den USA und China. Beide Länder hatten sich gerade erst auf eine 90-tägige Streitpause in dem seit Monaten schwelenden Konflikt um Handelszölle verständigt.
Hinzu kamen neue Konjunktursorgen aus den USA, die vor allem mit der Entwicklung am dortigen Anleihemarkt zusammenhängen. Erstmals seit Jahren bringen dort Anleihen mit kurzen Laufzeiten teilweise mehr Rendite als solche mit langen Laufzeiten. Experten sehen diesen Trend in Richtung einer sogenannten "inversen Zinskurve" als Vorboten eines Wirtschaftsabschwungs. Außerdem haben Bankaktien auf diesen Zinstrend bereits negativ reagiert, da sich die Geldhäuser zu kurzfristigen Zinsen finanzieren und sich bei der Kreditvergabe an den längerfristigen Zinsen orientieren.
Neuer Auftrieb für den DAX
Marktbeobachter rechnen damit, dass es angesichts der Risiken Handelskrieg, Italien-Haushaltsstreit und Brexit erst einmal turbulent weitergehen wird. "Zuletzt sah es eher nach Schlussverkauf als nach Schlussrally aus", erläutert Donner-&- Reuschel-Chefvolkswirt Carsten Mumm. Der DAX könne in diesem Negativumfeld bis an die 10 000-Punkte-Marke fallen, möglicherweise gefolgt von einer leichten Erholung bis zum Jahresende. Für 2019 seien die Perspektiven dann vom niedrigeren Niveau aus wieder besser. "Falls sich einige politische Belastungsfaktoren klären, können wir uns einen Anstieg bis auf 12 500 Punkte bis Ende 2019 vorstellen", sagte Mumm gegenüber BÖRSE ONLINE.
Dieses DAX-Niveau erwartet auch die DWS - vor allem weil die Fundamentaldaten schlicht zu stabil seien. Auch mit einer Rezession rechnet die DWS nicht, allenfalls mit einer Abschwächung des Wirtschaftswachstums. Postbank-Stratege Heinz-Gerd Sonnenschein wiederum erwartet bis zum Jahresende 2019 für den Leitindex ein Niveau von 13 000 Punkten: "Bis in den Frühsommer dürfte der Index in der aktuellen Wellenbewegung bleiben. Danach sollten positive Gewinnausweise und Geschäftsausblicke der Unternehmen die Basis für steigende Kurse bilden."
Den DAX-Konzernen bläst im aktuellen Umfeld aber erst einmal der Wind ins Gesicht, was sich nach einer Studie der Beratungsfirma EY besonders im vierten Quartal niederschlagen dürfte. "Die Aussichten haben sich eingetrübt, das Wachstum des Welthandels flaut ab, es gibt neue Handelsbarrieren", sagt EY-Geschäftsführer Mathieu Meyer. Da dies inzwischen aber der "Normalzustand" sei, hätten sich die Unternehmen darauf eingestellt. "Sie arbeiten an ihrer Flexibilität, stellen die eigene Struktur und das Geschäftsmodell auf den Prüfstand und trennen sich von großen Geschäftsfeldern oder setzen Zukäufe um." Sollte sich der Negativtrend allerdings auch im ersten Quartal 2019 fortsetzen, müssten die Unternehmen gegensteuern und weitere Kostensenkungen vornehmen. Im dritten Quartal haben die DAX-Konzerne ihren Umsatz um drei Prozent auf 333 Milliarden Euro gesteigert. Der operative Gewinn legte um zwölf Prozent auf 31,6 Milliarden Euro zu.