Hinzu komme die Geldpolitik, stellen die Experten der Weberbank fest. Zwar sei noch nicht mit einer Trendwende bei EZB, Fed und Co. zu rechnen, aber die Diskussion könne im zweiten Halbjahr durchaus angestoßen werden. In den vergangenen zwölf Monaten ging es kräftig nach oben - trotz Brexit und Handelskonflikt. Das kommende Jahr könnte stärkere Kursausschläge in beide Richtungen bringen, sagen die Weberbank-Fachleute voraus.
2019 ging es für den Dax um gut ein Viertel nach oben auf mehr als 13.300 Zähler. Das wichtigste Börsenbarometer Deutschlands liegt nun nur gut zweihundert Punkte unter seinem Rekordhoch vom Januar 2018. Die meisten Fachleute gehen davon aus, dass es auch 2020 weiter aufwärtsgeht. Martin Stürner, Chef des Fondsanbieters PEH Wertpapier AG, hält bis zum Ende 2020 einen Dax-Stand von 15.000 Punkten für möglich - das wäre ein Plus von ungefähr zwölf Prozent. Wichtige Impulse könnten vom zuletzt besseren Geschäftsklima kommen.
Auch Ulrich Stephan, Chefstratege bei der Deutschen Bank, hält an Aktien fest. "Im Vergleich zu Staats- und Unternehmensanleihen erscheint das Chance-Risiko-Profil von Aktien nach wie vor interessant", stellt er fest. Der deutsche Markt könne besonders profitieren, wenn die Nachrichtenlage insgesamt positiver werde. Deutschlands Firmen sind stark vom Welthandel abhängig. Zieht die Wirtschaft global an, treibt das den Dax nach oben. Anders sieht es in den USA aus, wo die Wirtschaft stärker auf den Konsum ausgerichtet ist. In einem allgemein eher unsicheren Marktumfeld sollte es daher in den USA besser laufen, sagt Stephan. 2019 erreichten Dow, S&P und Nasdaq Rekordwerte.
US-WAHLKAMPF im FOKUS
Die Experten der Vermögensverwaltung Lyxor gehen davon aus, dass der Rückstand der europäischen Indizes zur Wall Street sinken wird. "Europas Aktienmärkte könnten 2020 nach mehr als zehn Jahren der Underperformance gegenüber den US-Aktienmärkten aufholen", prognostizieren sie. Dabei spiele eine Rolle, dass die Papiere auf dem Kontinent niedriger bewertet sind als auf der anderen Seite des Atlantiks. Eine Kenngröße dafür ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis, das den Aktienkurs in Relation zum Gewinn je Aktie misst. Im Dax liegt es derzeit im Schnitt bei 17,8 - im S&P dagegen bei 22,9.
Doch auch für die USA zeigten sich die Experten zuversichtlich. Dort dürfte der Präsidentschaftswahlkampf für Gesprächsstoff an der Börse sorgen. Los geht es schon im Februar mit den ersten Vorwahlen. Bereits jetzt wirke sich fast jede Äußerung Trumps unmittelbar auf die Kurse aus, sagt Carsten Mumm, Chefvolkswirt der Privatbank Donner & Reuschel. "Deutlich fallende Aktienkurse würden die Chancen für seine Wiederwahl wohl erheblich senken." Trump werde daher mit allen Mitteln versuchen, für gute Stimmung an der Börse zu sorgen. "Das macht einerseits das Wirken des US-Präsidenten wohl noch unberechenbarer - vor allem bezüglich internationaler Themenfelder wie der Handelskonflikte. Generell hat er aber ein Interesse an einem ruhigen Verlauf für Konjunktur und Kapitalmärkte, weshalb der Wahlkampf die Lage eher stabilisieren sollte."
KEINE ANGST VOR KURSEINBRÜCHEN
Zusätzliche Unterstützung vonseiten der Geldpolitik dürften sich die Anleger allerdings nicht erhoffen, anders als 2019, sagen die Experten des Vermögensverwalters BlackRock voraus. So könnten zwar die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank von Japan auf die hartnäckig niedrige Inflation mit einer weiteren Lockerung reagieren. "Aber beide Zentralbanken haben kaum noch Spielraum dafür übrig, und die Nebenwirkungen der negativen Zinsen - besonders bei der Profitabilität der Banken und ihrer Fähigkeit, Geld zu verleihen - untergraben zunehmend die geldpolitischen Bemühungen."
Angst vor einem Kurseinbruch müsse man nicht haben, sagt Mumm. Krisen würden meist von überraschenden Entwicklungen nach Übertreibungsphasen ausgelöst. Zweifellos führe die jahrelange Niedrigzinspolitik der Notenbanken zu Verwerfungen. Aber die Tatsache, dass alle darüber redeten, spreche dagegen, dass eine Krise davon ausgelöst werde. Zudem sei keine Euphorie zu spüren, obwohl viele Aktienindizes auf oder nahe ihrer Allzeithochs stünden. "Das wahrscheinlichste Szenario für 2020 ist daher ein moderates Wirtschaftswachstum mit weiter niedrigen Zinsen und tendenziell steigenden Aktien- und Immobilienpreisen", sagt der Experte.
rtr