Analysten verweisen auf wachsende Risiken durch eine ungewöhnlich große Anzahl an Brandherden: die sich anbahnende Zinswende in den USA, schlechte Geschäftszahlen, widersprüchliche Konjunkturdaten und nicht zuletzt die Ukraine-Krise. Das verleitet Anleger dazu, Kursgewinne mitzunehmen. Über die vergangenen drei Jahre hatte der DAX seinen Wert in der Spitze fast verdoppelt.
Aktienmarktstrategen von Helaba Trust interpretieren die Kursrückgänge vor allem als eine "aus fundamentalen Gründen notwendige Korrektur überzogener Markterwartungen". Die Kurse seien seit geraumer Zeit nicht mehr durch Wachstums- und Gewinnaussichten getragen worden, sondern in erster Linie durch Liquidität. Dadurch habe sich ein "explosives Gemisch aus fundamentaler Überbewertung und technischer Überhitzung" ergeben, heißt es bei Helaba.
Abzulesen ist diese Entwicklung am Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des DAX. Diese viel beachtete Bewertungskennziffer war seit August vergangenen Jahres von 11,4 auf mehr als 13 gestiegen. Die Kurse haben also deutlich stärker angezogen als die von Analysten für die jeweils kommenden zwölf Monate prognostizierten Konzerngewinne.
Inzwischen ist mit den Kursen auch das KGV des Index gesunken: Am Freitag lag es für den DAX nach Daten des Finanzdiensts Bloomberg bei 11,7 und damit nur noch leicht über dem zehnjährigen Durchschnittswert von 11,5.
Die Bewertung des DAX steht aber noch immer auf einem wackeligen Fundament, da der Trend bei vielen Unternehmen nach unten zeigt: Eine Auswertung von €uro am Sonntag ergab, dass Analysten seit Jahresbeginn ihre Gewinnschätzung für 20 der 30 Indexmitglieder gesenkt haben. Entsprechend allergisch reagieren Anleger auf enttäuschende Geschäftszahlen aus den Unternehmen. Besonders hart wurden Adidas und Lufthansa abgestraft, die seit dem Allzeithoch des DAX Anfang Juli mehr als 20 Prozent an Wert verloren haben.
Allerdings beweisen auch etliche Unternehmen, dass sie in einem schwierigen Wirtschaftsumfeld Gewinnsteigerungen erzielen können, etwa die Automobilhersteller BMW und Daimler.
Die Berichtssaison in den USA hat ebenfalls ermutigende Signale ge-liefert. Laut Datendienst Bloomberg haben 75 Prozent der Unternehmen im Aktienindex S & P 500 im zweiten Quartal netto mehr Geld verdient als von Analysten erwartet.
Dies allein wird für eine schnelle Trendwende am Aktienmarkt nicht reichen. Neben politischen Spannungen sorgen einige Konjunktur-daten für Verunsicherung. Die Privatbank M.M. Warburg hält an einem grundsätzlich positiven Konjunkturszenario fest, verweist aber auf enttäuschende Daten etwa zur Industrieproduktion in Deutschland und Frankreich. In Italien ist die Wirtschaft zuletzt sogar wieder geschrumpft.
Die Commerzbank rechnet im derzeitigen Umfeld vorerst mit einer weiter relativ hohen Schwankungsbreite an den Aktienmärkten. Die Landesbank Baden-Württemberg rät, eine "Bodenbildung und Stimmungsberuhigung" abzuwarten. Wann genau dieser Punkt erreicht ist, lässt sich wie immer schwer vo-raussagen. Einige Einzelwerte könnten bereits wieder attraktive Niveaus erreicht haben.
Auch historische Kursmuster machen durchaus Mut. Sie zeigen, dass harte Korrekturen fester Bestandteil einer jeden Aktienmarktrally sind. So blieb der DAX in den vergangenen zwei Jahrzehnten nur 1996 und 2005 von einer größeren Korrektur verschont. In den übrigen Jahren gab es jeweils mindestens eine Abwärtsphase von rund zehn Prozent und mehr. Der historisch betrachtet schlechteste Monat des Börsen-jahres allerdings, der September, steht noch bevor.