Nach der jüngsten Rally im Dax haben sich die Anleger am Freitag eine Verschnaufpause gegönnt. Der deutsche Leitindex, der zuletzt elf Tage in Folge zugelegt hatte, verlor 0,4 Prozent auf 9929 Zähler. Der EuroStoxx50 gab 0,5 Prozent nach. Beherrschendes Thema war der Preisverfall beim Öl, der sich nach dem jüngsten Beschluss der Opec, die Fördermenge unverändert zu lassen, nochmals beschleunigte. Auch wenn niedrige Energiepreise oft als positiver Faktor für das globale Wachstum gesehen würden, sorge das Ausmaß des Preisrutsches doch für Verunsicherung, sagte Michael Turner, Stratege bei RBC Capital Markets.

Die Entscheidung der Opec für eine gleichbleibende Produktion markiert eine Kehrtwende gegenüber der bisherigen Strategie des Öl-Kartells, fallende Preise mit einer Reduzierung des Angebots zu bekämpfen. Da die Opec nicht eingreife, müsse sich der Markt nun selbst über die Preise regulieren, hieß es in einem Kommentar der Societe Generale.

Die richtungsweisende Sorte Brent aus der Nordsee verbilligte sich zum Wochenschluss um zwei Prozent auf 71,12 Dollar je Barrel (159 Liter) und kostete damit so wenig wie seit viereinhalb Jahren nicht mehr. Das US-Öl WTI brach zeitweise sogar um 8,1 Prozent auf 67,75 Dollar je Fass ein, weil die US-Anleger am Donnerstag feiertagsbedingt gefehlt hatten. Das ist der größte Tagesverlust seit dreieinhalb Jahren. Seit Juni sind die Ölpreise vor allem wegen der Wirtschaftsflaute in Europa und China bereits um gut ein Drittel gesunken.

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ÖLPREISVERFALL SETZT RUSSISCHEN MÄRKTEN ZU

Zu den Haupt-Leidtragenden des erneuten Ölpreis-Rutsches zählt Russland, das auf die Einnahmen aus den Rohstoff-Exporten angewiesen ist. Der Moskauer Aktienindex RTS fiel um bis zu vier Prozent auf ein Fünfeinhalb-Jahres-Tief von 965 Punkten. Die russische Währung ging ebenfalls in die Knie. Dollar und Euro markierten mit 49,90 beziehungsweise 62,031 Rubel jeweils ein Rekordhoch.

Keinen guten Tag erwischten auch die Energiewerte: Firmen wie der norwegische Off-Shore-Bohrkonzern Seadrill oder Total und Shell verloren zwischen 6,8 und 4,2 Prozent. Der europäische Öl&Gas-Index gab 4,8 Prozent auf 290,62 Zähler nach und notierte damit so niedrig wie seit sechs Wochen nicht mehr. Im Dax waren BASF mit einem Abschlag von 2,4 Prozent der größte Verlierer. Händlern zufolge fürchten Anleger, dass die Öl- und Gastochter Wintershall unter dem Ölpreisrückgang leiden könnte.

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INFLATIONSDATEN NÄHREN SPEKULATIONEN UM EZB-GELDPOLITIK

Nach oben ging es dagegen für die Flugwerte, da Treibstoff für die Branche ein starker Kostenfaktor ist. Lufthansa, die zusätzlich von einer Kaufempfehlung der UBS profitierten, legten 4,7 Prozent zu. Air France-KLM, Ryanair und EasyJet gewannen zeitweise zwischen 9,5 und 4,2 Prozent.

Ihre Spuren hinterließen die fallenden Energiepreise auch bei den Inflationsdaten im Euro-Raum, die im November auf 0,3 Prozent zurückgingen. Dies dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) unter Druck setzen, die am nächsten Donnerstag zu ihrer Ratssitzung zusammenkommt. Um einen für die Wirtschaft schädlichen Preisverfall auf breiter Front zu verhindern, hat sie ihren Leitzins bereits auf ein Rekordtief gesenkt. Außerdem pumpt die EZB Milliarden an billigem Geld in die Wirtschaft. Spekulationen auf eine weitere Lockerung der Geldpolitik haben den Dax seit Monatsbeginn um fast sieben Prozent in die Höhe getrieben.

Reuters