Hoffnungsfroh stimmten die Anleger auch die jüngsten Signale aus China im Handelsstreit mit den USA. An der Wall Street zeichnete sich eine freundliche Eröffnung ab. Die Regierung in Peking erklärte, sie spreche mit den USA über eine nächste Verhandlungsrunde im Zollstreit. Vor allem kurzfristig orientierte Anleger griffen nun zu, sagte Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst vom Handelshaus CMC Markets.
Unbeeindruckt zeigten sich die Anleger von einem etwas schwächer ausgefallenen US-Wirtschaftswachstum im Frühjahr. Zwischen April und Juni stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit einer auf das Jahr hochgerechneten Rate von 2,0 Prozent. In einer ersten Schätzung war von 2,1 Prozent die Rede.
Dolce Vita an der Mailänder Börse
In Mailand stieg der Leitindex um 2,1 Prozent auf den höchsten Stand seit Anfang August. Die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen sank auf ein Rekordtief von 0,929 Prozent. Präsident Sergio Mattarella erteilte dem bisherigen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte den Auftrag, eine neue Regierung aus den Sozialdemokraten (PD) und den populistischen 5 Sternen zu bilden. "Das ist aus Anlegersicht das Beste, was Italien momentan passieren kann", sagte Experte Marco Wagner von der Commerzbank. Zu umfassenden Strukturreformen werde es unter dieser Regierung aber wahrscheinlich nicht kommen. Auch der Haushalt werde wohl nicht in Ordnung gebracht werden. "Es wird aber trotzdem eine Regierung sein, die finanziell nicht völlig über die Stränge schlagen wird."
Damit hätten Europas Anleger zumindest eine Sorge weniger. Ohnehin dürfte die Börsenparty nach Meinung von Marktteilnehmern dank frischer Geldspritzen der Notenbanken im kommenden Jahr weitergehen. Einer Umfrage von Reuters zufolge gehen die meisten der rund 30 befragten Analysen, Broker und Fondsmanager von weiter steigenden Kursen an den europäischen Aktienmärkten aus. 2019 steuert der EuroStoxx50 den Experten zufolge auf ein Plus von rund dreizehn Prozent zu. Ganz so hoch dürfte der Zuwachs im Jahr 2020 angesichts der Rezessionsängste und des drohenden Brexits allerdings nicht mehr ausfallen, ergab die Reuters-Umfrage. In Großbritannien verunsichert nach wie vor die Entscheidung von Premierminister Boris Johnson, eine Parlamentspause bis Mitte Oktober zu verlängern. Damit verringert sich die Zahl der Tage, in denen die Abgeordneten über den Brexit debattieren können. Der Austritt Großbritanniens ist für den 31. Oktober vorgesehen.
Gute Geschäftszahlen verhelfen Bouygues zu Plus
Gefragt waren die Aktien des IT-Unternehmens Cancom, die an ihrem ersten Tag im MDax zeitweise 3,3 Prozent zulegten. Der außerplanmäßige Wechsel in den Mittelwerteindex war nötig geworden, weil der Streubesitz von Axel Springer nach der Übernahme durch KKR unter die nötige Schwelle gefallen war. In den Kleinwerteindex SDax rückte dafür der Essener Immobilienentwickler Instone nach, dessen Aktien um 2,4 Prozent nachgaben. Regulär überprüft die Deutsche Börse die Zusammensetzung ihrer Indizes in der kommenden Woche.
In Paris schnellten die Aktien des Mischkonzerns Bouygues um mehr als sechs Prozent in die Höhe. Das Telekom- und das TV-Geschäft bescherten dem Unternehmen in der ersten Jahreshälfte ein besseres Ergebnis als erwartet und halfen über die Schwäche im Baugeschäft hinweg.
rtr