Chart 1 - DAX-Wochenchart mit Differenz zur 200-Tage-Linie Tradesignal Online. Tradesignal® ist eine eingetragene Marke der Tradesignal GmbH. Nicht autorisierte Nutzung oder Missbrauch ist ausdrücklich verboten.
Neue Woche, neue Rekordmarken beim DAX. Inzwischen braucht man sich nicht mehr die Mühe zu machen, die jeweilige Bestmarke zu notieren, denn die Halbwertszeit liegt oft nur bei wenigen Stunden. Eigentlich sind dies traumhafte Bedingungen für Anleger, die auf steigende Kurse setzen. Auf allen relevanten Zeitebenen ist der Trend aufwärts gerichtet, bereits bestätigte Widerstände kann es nicht mehr geben. Da es auch keine kurzfristigen Rücksetzer gibt, laufen selbst neue Positionen nicht in den Verlust. Stoppkurse können oft schon sehr schnell auf Einstandskurs nachgezogen werden, wer das Übernachtrisiko umgehen möchte, realisiert jeden Abend Buchgewinne.
Eine schöne Vorstellung. In der Realität spielt uns leider die Psychologie einen Strich durch die Rechnung. Seit dem Jahrestief vom 6. Januar bei 9383 ist der DAX um knapp 30 Prozent gestiegen. Wir hatten in den vergangenen Ausgaben bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass ähnlich kräftige Kursgewinne in so einem kurzen Zeitraum ungewöhnlich sind und auf eine Übertreibung deuten. Dazu reicht bereits ein Blick auf den ersten Chart, der den Wochenverlauf des DAX sowie darunter die Differenz zur 200-Tage-Linie zeigt. Sehr gut ist die jüngste Rally zu erkennen, die aufgrund ihres Anstiegswinkels durchaus Ähnlichkeiten mit den Bewegungen zwischen 1997 bis Frühjahr 2000 aufweist. Relevant für uns ist der Abstand zum langfristigen Durchschnitt. Mit 22,5 Prozent hat sich der DAX so weit von seiner viel beachteten Signallinie entfernt wie seit März 2000 nicht mehr. Dies allein ist bereits ein klarer Hinweis, dass wir uns inzwischen in einer stark ausgeprägten Übertreibungsphase befinden, die von Kaufpanik geprägt ist.
Ähnliche Marktphasen gab es auch zur Jahrtausendwende, als fundamentale Bewertungskennziffern und statistisch bewährte Signalgeber kurzzeitig außer Kraft gesetzt wurden. Inzwischen strebt der DAX seit acht Wochen in Folge aufwärts. Damit bewegen wir uns im Bereich historischer Ausnahmen, die nur 1997 und 1998 erreicht wurden. Auch wenn sich das aktuell Umfeld wesentlich von der damaligen Ausgangslage unterscheidet, liefern die erreichten Extremwerte zumindest grobe Orientierungspunkte. Denn sowohl 1986 als auch 1997 und 2000 endete der Höhenflug ab einer Differenz zur 200-Tage-Linie von 32,6 bis 34 Prozent. Übertragen auf die aktuelle Situation entspricht dies einem Niveau von rund 13.100 bis 13.220.
Auch wenn Ihnen angesichts dieser Kursmarken gerade wohl ein wenig die Luft zu atmen fehlt, sollte Sie ganz ruhig bleiben. Selbst wir können uns derzeit nicht vorstellen, dass der DAX auch noch die 13.000er-Marke in den kommenden Wochen überspringt. Allerdings wäre es an der Börse sehr fahrlässig, die Extremwerte der Vergangenheit komplett zu ignorieren. Die Wahrscheinlichkeit ist aber zumindest sehr gering. Wie beschrieben wurden die Rekordniveaus nur drei Mal in 30 Jahren erreicht. 1983 und 1998 war jeweils bei rund 26,5 Prozent Schluss, dies entspricht einem Zielbereich von knapp 12.500.
Ob selbst das tiefere Niveau noch erreicht wird, ist vollkommen offen. Der Weg des geringsten Widerstands zeigt unverändert aufwärts, die jüngste Zunahme der Aufwärtsdynamik stimmt aber zugleich sehr vorsichtig. Oft enden Übertreibungsphasen in einer Kapitulation der Gegenseite in Form einer finalen Bewegung, die meisten von erhöhten Handelsumsätzen gekennzeichnet ist. Der gestrige Tag kommt diesen Vorgaben recht nahe. Der DAX startete bereits mit einer Aufwärtslücke in den Handel und zog im Tagesverlauf kontinuierlich an. Erst kurz vor der Schlussglocke wurden teilweise Gewinne realisiert. Das Handelsvolumen lag mit 5,1 Mrd. Euro auf Xetra deutlich über dem 6-Monatsdurchschnitt von 3,7 Mrd. Euro. Hier drängt sich die Vermutung auf, dass zahlreiche auch professionelle Anleger auf dem falschen Fuß erwischt wurden und vor dem großen Eurex-Verfall am kommenden Freitag ihre Leerverkäufe korrigieren mussten. Durch die Anpassungen wurde die Rally weiter befeuert und immer mehr Akteure mussten sich eindecken. Ein klassischer Short-Squeeze.
Anleger die bisher von der Seitenlinie aus zugeschaut haben, sollten der Verlockung wiederstehen und nicht mehr einsteigen. Auch im sehr kurzfristigen Bereich ist das Chance-Risiko-Verhältnis schlecht. Wer den Ausbruch über die 11.830 nicht nutzte, kann nur auf einen Rücklauf hoffen. Mit der Fed-Sitzung am Mittwoch ist zumindest ein potentieller Auslöser für Gewinnmitnahmen in Sicht. Pure Spekulationen auf fallende Kurse sind derzeit noch zu früh, da der Markt keine Schwächesignale liefert. Lediglich Gewinnabsicherungen mit Short-Positionen bieten sich an. Passende Scheine finden Sie am Ende der Analyse.
Chart 2 - Fünf-Minuten-Chart des DAX
Chart 3 - Tageschart mit Abstand zur 21-Tage-Linie in %
Nach der beeindruckenden Rally der vergangenen Wochen ist das Potenzial für den DAX auf der Oberseite limitiert. Als gutes Barometer dient der Abstand zur 21-Tage-Linie. Die Extremwerte zwischen 8 und 9 Prozent sind fast wieder erreicht. In den zurückliegenden Monaten erfolgten die meisten Wendepunkte bereits, wenn der Index zwischen 3,6 und 3,8 Prozent über seinem Monatsdurchschnittskurs kletterte - dieser Schwellenwert wurde inzwischen deutlich überschritten. Eine Konsolidierung ist daher nur eine Frage der Zeit.
Offen ist nur die Frage, wie der überhitzte Zustand abgebaut wird. Zwei Varianten sind denkbar: Entweder über eine Seitwärtsbewegung und somit Konsolidierung auf hohem Niveau oder über Kursverluste.
Chart 4 - Wochenchart mit Abstand zur 200-Tage-Linie
Wie weit kann es langfristig nach den neuen Allzeithochs nun noch gehen? Die Statistik hilft, diese Frage zu beantworten: Unter dem Kursverlauf des DAX haben wir im Wochenchart den Abstand der Kurse zur 200-Tage-Linie (entspricht etwa dem 40-Wochen-Durchschnitt) abgebildet. Mit dieser Methode lässt sich ein Kursziel auf der Oberseite bei maximal rund 11.930 Zählern errechnen - dieser Wert entspricht den in der Vergangenheit im Idealfall gemessenen 20/21 Prozent Abstand des Index zu seinem langfristigen Durchschnittspreis.
Zu Beginn des Jahrtausends waren es auch mal 33 Prozent und mehr - doch das sollten sich Anleger lieber nicht wünschen, auch wenn der DAX dadurch noch rechnerisches Potenzial bis über die 13.000er-Marke hätte. Denn anschließend startete damals der dreijährige Abwärtstrend, im Zuge dessen sich der Indexstand fast viertelte.
Chart 5 - Kerzenchart auf Tagesbasis
Unterstützungen und Widerstände
Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar".
www.index-radar.de