"Der bessere Teil der Tapferkeit ist Vorsicht", zitierte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com, aus dem Shakespeare-Drama "Heinrich IV.". Da frische Impulse fehlten, machten Anleger Kasse und konzentrierten sich auf 2020.
Kopfzerbrechen bereitete Börsianern jedoch der Brexit-Kurs des britischen Premierministers Boris Johnson, der eine Verlängerung der Frist für den Abschluss eines Freihandelsabkommens mit der EU per Gesetz ausschließen will. Sofern Johnson nicht einlenke und der Wirtschaft Planbarkeit liefere, drohe eine Rezession, warnte Anlagestratege Oliver Harvey von der Deutschen Bank. "Unglücklicherweise erscheint ein Abschwung nun wahrscheinlich." Die Experten der Banken BMO, JPMorgan und Nordea taxieren das Risiko eines harten Brexit zum Jahresende 2020, der die Einführung von Zöllen beinhaltet, auf bis zu 35 Prozent.
Vor diesem Hintergrund hielt die Bank von England (BoE) wie erwartet die Füße still. Das Pfund Sterling schlug zwar nach Bekanntgabe der Entscheidung kurzzeitig aus, bewegte sich unter dem Strich aber kaum und kostete 1,3078 Dollar. "Wir gehen davon aus, dass die Brexit-Unsicherheit anhalten und sich die Wirtschaft nicht erholen wird", schreiben die Analysten der Bank Unicredit. "Dies wird die Notenbank dazu zwingen, den Leitzins in den ersten drei Quartalen 2020 um jeweils 25 Basispunkte zu senken." Aktuell liegt der Schlüsselsatz in England bei 0,75 Prozent.
SCHWEDENS ZENTRALBANK BEENDET NULLZINSPOLITIK
Die schwedische Riksbank verabschiedete sich von ihrer negativen Zinspolitik und hob den Schlüsselsatz auf null von minus 0,25 Prozent an. "Nach Auffassung der Märkte ist das etwas, das auch die Europäische Zentralbank (EZB) tun sollte", sagte Anlagestratege Peter McCallum von der Investmentbank Mizhuo. In der Euro-Zone liegt der Zins für Einlagen bei der Notenbank bei minus 0,5 Prozent. Spekulationen auf eine straffere EZB-Geldpolitik lösten Verkäufe europäischer Staatsanleihen aus. Dies trieb die Rendite der zehnjährigen französischen Bonds auf ein Sechs-Monats-Hoch von 0,090 Prozent. Gleiches galt für ihre deutschen Pendants, die bei minus 0,208 Prozent rentierten.
Mit Schulterzucken quittierten Investoren dagegen die offizielle Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen US-Präsident Donald Trump. Das Ergebnis der Abstimmung im von den Demokraten dominierten Repräsentantenhaus sei keine Überraschung, sagte Anlagestratege Fritz Louw von der Bank Mitsubishi UFJ. So lange der Senat mit seiner republikanischen Mehrheit nicht ebenfalls für das sogenannte Impeachment stimme, sei keine Kursreaktion der Dollar zu erwarten.
WIRECARD NACH FT-BERICHT IM MINUS
Am deutschen Aktienmarkt stand erneut Wirecard im Rampenlicht. Die negative Berichterstattung über den Zahlungsabwickler reiße nicht ab, sagte ein Händler. Die "Financial Times" warf in einem Bericht Fragen zu einer Übernahme in Indien im Jahr 2015 auf. Auch die "Süddeutsche Zeitung" widmete dem Unternehmen einen ganzseitigen Bericht. Wirecard-Aktien verloren 1,4 Prozent.
Bei Jungheinrich nutzten Anleger dagegen die Gelegenheit zum Einstieg. Die Titel des Gabelstapler-Herstellers gewannen 6,5 Prozent, nachdem sie am Mittwoch wegen eines mauen Ausblicks um ein Viertel eingebrochen waren.
rtr