In der anlaufenden Bilanzsaison müssen sich Investoren Experten zufolge auf Enttäuschungen gefasst machen. Die Gewinnerwartungen der Analysten spiegelten die eingetrübten Konjunkturaussichten nicht wider, warnt Anlagestratege Harald Brandl von der VP Bank.

"Sowohl Konsumenten- als auch Produzentenpreise wuchsen mit Raten, die seit vier Jahrzehnten nicht mehr beobachtet worden sind. Je nach Einkaufs- und Absicherungsstrategie trifft das die Unternehmen vom Zeitpunkt und vom Umfang her sehr unterschiedlich."

Der Abschied von der Zeit billigen Geldes nach mehr als einem Jahrzehnt verdüstere die Aussichten zusätzlich, wirft Stephen Innes, Geschäftsführer beim Vermögensverwalter SPI, ein. "Es ist an der Zeit, sich mit dem Gedanken anzufreunden, sich unwohl zu fühlen." Denn die US-Notenbank Fed habe sich durch den Kursverfall der Börsen nicht von ihrem Zinserhöhungskurs abbringen lassen. "Ganz im Gegenteil."

Neben dem Gewöhnungseffekt an den Krisenmodus liefere die Saisonalität allerdings einen Hoffnungsschimmer, sagt Analyst Timo Emden von Emden Research. Daher sei eine kräftige Erholung nicht auszuschließen. Das vierte Quartal ist mit einem Plus von durchschnittlich 6,6 Prozent statistisch gesehen das stärkste am deutschen Aktienmarkt. In der alten Woche legte der Dax knapp drei Prozent zu, so stark wie zuletzt vor rund zweieinhalb Monaten.

In der neuen Woche läuten wie üblich die Großbanken die heiße Phase der US-Bilanzsaison ein. Den Anfang machen JPMorgan, Morgan Stanley und Wells Fargo am Freitag. "Sie geben ziemlich gute Hinweise auf den Konsum, da sie alle ein großes Kreditkarten-Geschäft haben, sagt Patrick Spencer, Manager bei der Investmentbank Baird. Die Kauflaune der US-Verbraucher gilt als Hauptstütze der weltgrößten Volkswirtschaft.

GELDPOLITIK BLEIBT EBENFALLS BESTIMMENDES THEMA

Da die Geldpolitik der US-Notenbank entscheidend für die Konjunkturaussichten und damit auch die Unternehmensgewinne sind, warten Investoren gespannt auf die Protokolle der jüngsten Fed-Sitzung am Mittwoch. Von ihnen versprechen sie sich Rückschlüsse auf das Tempo der erwarteten weiteren Zinserhöhungen.

Auf ähnliche Hinweise werden sie die US-Inflationsdaten am Donnerstag und die Einzelhandelsumsätze am Freitag abklopfen. "Der Preisdruck in den USA lässt nur sehr langsam nach", sagt Commerzbank-Volkswirt Bernd Weidensteiner. "Erst in den nächsten Monaten ist mit einer gewissen Entspannung zu rechnen." Bei der Teuerung erwarten Experten für September einen leichten Rückgang der Rate auf 8,1 Prozent im Jahresvergleich. Die Einzelhandelsumsätze seien voraussichtlich um 0,2 Prozent gestiegen. Die Kauflaune der US-Verbraucher gilt als Hauptstütze der weltgrößten Volkswirtschaft.

Diesseits des Atlantik stehen am Mittwoch Zahlen zur europäischen Industrieproduktion auf dem Terminplan. Diese sei im August um 0,5 Prozent gewachsen, prognostiziert Commerzbank-Experte Weidensteiner. "Die Industrie profitiert dabei von einer leichten Entspannung bei den Lieferengpässen und einem hohen Auftragsbestand. Die wegbrechende Nachfrage spricht aber gegen eine nachhaltige Erholung in den kommenden Monaten."

Von Reuters