Seit Heiligabend, als die Aktienmärkte so tief notierten wie lange nicht, ist es sehr schnell und massiv nach oben gegangen. Der breite, 500 Aktien starke Index von S & P beispielsweise legte um gut 18 Prozent zu. Das ist ein kleiner Schock für alle, die diese Rally verpasst haben. Und gleichzeitig wirft sie die Frage auf: Sollte man als Anleger nach einer derart starken Aufwärtsbewegung hier und jetzt vernünftigerweise noch einsteigen?

Das Momentum ist stark derzeit, was den Schluss zulässt, dass sich fundamentale Aspekte dramatisch verbessert haben. Weil es in der Natur der Anleger liegt, in der Regel zu langsam auf neue Rahmenbedingungen zu reagieren, zieht sich diese jüngste Aufwärtsbewegung derart lange hin. Sie wird so lange anhalten, bis die neuen Aspekte eingepreist sind. Und bis auch die letzten Anleger zugegriffen haben, wenn also eine Art Herdentrieb zu einer finalen und übertriebenen Kursbewegung führt.

Der neue Aspekt, der zu der aktuellen Rally geführt hat, ist vermutlich die Wende in der Politik der US-Notenbank Fed. Dort haben nach den "Falken" jetzt anscheinend die "Tauben" das Sagen, um in der Sprache der Wall Street zu bleiben. Man geht jetzt davon aus, dass es eine Art Sicherheitsnetz der Fed gibt, manche sprechen auch in Anspielung auf Fed-Chef Jerome Powell von einem "Powell-Put", also einer Art Option, die einen Kursrutsch absichert. Dies ist deswegen eklatant, weil Powell im Gegensatz zu seinen Vorgängern bis dato als knallharter Verfechter einer strengen Geldpolitik galt.

Lang anhaltende Effekte



Powell hat eine Kehrtwende um 180 Grad hingelegt. Das ist dramatisch. Richtig dramatisch. Gut zu sehen ist das auch an den extrem gefallenen Fed Funds Futures, einem Indikator, der wiedergibt, wie die Wahrscheinlichkeit neuer Zinserhöhungen in den USA eingeschätzt wird.

Um es kurz zu machen: Auch wenn die Kurse gerade an der US-Börse stark gestiegen sind, wäre es vermutlich ein Fehler, als längerfristig agierender Anleger die aufgelaufenen Gewinne bereits jetzt einzustreichen. Das Momentum ist stark und die Effekte der Powellschen Kehrtwende sind wohl noch lange nicht in den Kursen enthalten. Auch wer die Rally bislang verpasst hat, macht wohl keinen Fehler, Kursdellen zum Kaufen zu nutzen. "Buy the dip", sagen die Amerikaner.

Natürlich ist es möglich, dass die Kurse noch einmal absacken und das Tief von Heiligabend testen. Die derzeit überwiegend negativen Nachrichten zur kurzfristigen Konjunkturentwicklung geben das eigentlich her. Allerdings haben all diese belastenden Aspekte bislang nichts bewirkt, sie werden negiert. Man blickt lieber voraus, sieht beispielsweise gute Chancen, dass die sino-amerikanischen Gespräche ein gutes Ende finden. Also wäre es wohl ein Geschenk der Götter, wenn sich tatsächlich noch einmal Kaufchancen zu Dezember-Preisen ergeben sollten. Aber will man darauf wirklich wetten?

Chancen auch in Schwellenländern



Das Risiko, dass eine solche Wette nicht aufgeht, ist groß. Das tatsächliche Geschenk der Götter ist nämlich die börsenfreundliche Geldpolitik der US-Notenbank. Und die sollte man nicht verpassen, nur weil man auf die Dezember-Kurse schielt. Wer mutig investiert, dürfte besser fahren. Nicht nur, was US-Aktien angeht. Gerade das Risiko-Rendite-Profil für hochwertige Wachstumsaktien in den Schwellenländern ist angesichts niedrigerer Bewertungen und steigender Gewinne sehr verlockend.