Der Ausverkauf an den europäischen Aktienmärkten geht in eine neue Runde. Der Dax fiel am Donnerstag in der Spitze um 1,7 Prozent auf 12.611 Punkte, den tiefsten Stand seit Mitte Juli. Der EuroStoxx50 gab 1,8 Prozent nach. An den vergangenen fünf Handelstagen hat der Dax bereits rund drei Prozent an Wert verloren. "Zinsen, Inflation und Rezessionssorgen treiben die Gedanken der Anleger und sorgen für Skepsis am Markt", sagte Salah-Eddine Bouhmidi vom Broker IG. Auch Jochen Stanzl vom CMC Markets konstatiert: "Die Stimmung an der Börse ist erneut im Keller."

Viele Analysten sehen derzeit wenig Gründe, bei Aktien zuzugreifen. Unter Investoren geht die Furcht um, dass die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) mit einem zu aggressiven Kurs im Kampf gegen die Inflation eine wirtschaftliche Schwäche auf breiter Front lostreten könnten. Investoren taxieren laut Geldmarkt-Kursen die Wahrscheinlichkeit inzwischen auf rund 80 Prozent, dass die EZB bei ihrer Zinssitzung nächsten Donnerstag die Zinsen um 0,75 Prozentpunkte anheben wird. Auch hinsichtlich der Fed wird an den Märkten mit einem weiteren großen Zinsschritt gerechnet. Die US-Notenbank hat seit der Zinswende im März das geldpolitische Niveau stetig erhöht und es zuletzt zwei Mal in Folge kräftig um 0,75 Prozentpunkte angehoben - auf nun 2,25 bis 2,50 Prozent.

ZINSERWARTUNGEN MACHEN DOLLAR BEGEHRT

Die US-Währung profitierte auf breiter Front von den US-Zinserwartungen. Der Dollar-Index stieg um bis zu 0,4 Prozent auf 109,1320 Punkte und notierte damit in Reichweite seines jüngsten 20-Jahres-Hochs von 109,48 Stellen. Zur japanischen Währung kletterte der Dollar in der Spitze auf ein 24-Jahres-Hoch von 139,67 Yen. Bei der Gemeinschaftswährung überwogen dagegen die Rezessionsängste, die neben den Zinssorgen auch durch die jüngsten Preisturbulenzen am Energiemarkt angeheizt wurden. Der Euro verlor 0,5 Prozent auf 1,0006 Dollar.


Zum zweiten Mal binnen weniger Wochen hat Russland den Gastransport nach Deutschland und in weitere Länder Europas durch die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 1 gestoppt. Seit Mittwochmorgen fließt wie angekündigt kein Gas mehr, am Samstagmorgen sollen die Lieferungen wieder aufgenommen werden. In der vergangenen Woche war der europäische Erdgas-Future zeitweise auf einen Rekordstand von 343,08 Euro je Megawattstunde geklettert. Inzwischen hat sich die Lage trotz der Lieferunterbrechungen beim Gas- wie auch beim Strompreis wieder etwas entspannt. 

ZALANDO AUF ZWEI-MONATS-TIEF

Unter den Einzelwerten im Dax gingen vor allem Zalando auf Talfahrt. Spekulationen auf den Einstieg von Alibabas Online-Shopping-Plattform Lazada belasteten die Aktien, sie fielen in der Spitze um 5,1 Prozent auf ein Zwei-Monats-Tief von 21,93 Euro. Der Nachrichtenagentur "Bloomberg" hatte Lazada-Chef James Dong gesagt, das Unternehmen bereite sich darauf vor, in Europa an den Start zu gehen.


Keinen guten Tag erwischten auch Lufthansa, die im MDax 3,5 Prozent nachgaben. Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) hat die Verhandlungen im Tarifkonflikt für gescheitert erklärt und die mehr als 5000 Piloten von Lufthansa und der Frachtlinie Lufthansa Cargo am Freitag zum Streik aufgerufen.

LUXUSWERTE FALLEN NACH WEITEREM CHINA-LOCKDOWN

Deutliche Auswirkungen auf die Luxusmarken-Hersteller hatten die verschärften Corona-Beschränkungen in China. Die Papiere von LVMH, der Gucci-Mutter Kering, Hermes und Burberry fielen um bis zu 2,8 Prozent. Richemont und Swatch verloren in Zürich 4,4 und 5,9 Prozent. Zum Technologiezentrum Shenzhen, der Hafenstadt Dalian und der Wirtschaftsmetropole Guangzhou gesellte sich am Donnerstag das 21,2 Millionen Einwohner zählende Chengdu zu der Liste der wirtschaftlich bedeutenden chinesischen Regionen mit Corona-bedingten Einschränkungen. 

Von Reuters