"Die Volkswirtschaften und Finanzmärkte werden den Preis dafür bezahlen müssen." Die Folgen könnten noch in Monaten, wenn nicht sogar Jahren spürbar sein. Auch Enttäuschung über die Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus drückte die Stimmung.

Der Dax fiel am Donnerstag um bis zu knapp elf Prozent auf ein Dreieinhalb-Jahres-Tief von 9308,15 Punkten und steuerte auf den zweitgrößten Tagesverlust seiner Geschichte zu. Der EuroStoxx50 stürzte ähnlich stark ab. Der US-Standardwerteindex Dow Jones brach um mehr als neun Prozent ein. Das ist der größte Kurssturz seit dem "Schwarzen Montag" von 1987. Auch der Euro stand unter Verkaufsdruck, er verbilligte sich um ein Prozent auf 1,1152 Dollar.

Entgegen den Erwartungen beließ die EZB den Einlagenzins unverändert bei minus 0,5 Prozent. Sie kündigte aber die Aufstockung ihrer Wertpapierkäufe und Billig-Kredite für mittlere und kleinere Unternehmen an. "Das alles ist nicht falsch", sagte Otmar Lang, Chef-Volkswirt der Targobank. "Aber anders als früher sind Notenbankmaßnahmen aktuell nur schmückendes Beiwerk, das keinen Turnaround bewirken kann. Die klassische Geldpolitik ist damit nicht am Ende - aber sie ist derzeit einfach nicht das richtige Mittel."

TRUMP VERHÄNGT EINREISE-SPERRE FÜR EUROPÄER


Ab Freitag darf für 30 Tage niemand mehr aus den meisten Ländern Europas in die USA einreisen. Ausgenommen sind US-Bürger. Auch für Großbritannien gelten die Sanktionen nicht. "Reisebeschränkungen sind gleichbedeutend mit geringerer Wirtschaftsaktivität", sagte Stephen Innes, Chef-Anlagestratege des Brokerhauses Axicorp. Besonders hart traf es erneut die Luftfahrt- und Touristikwerte. Der europäische Branchenindex brach um gut 13 Prozent ein - so stark wie nie. US-Fluggesellschaften wie American Airlines, Delta oder United verloren bis zu 17 Prozent.

Die Furcht vor einer Rezession und einer Pleitewelle trieb die Kosten für Versicherungen gegen Zahlungsausfälle in die Höhe. Der Markit iTraxx Crossover-Index stieg auf ein Siebeneinhalb-Jahres-Hoch. Gleichzeitig gingen die europäischen Finanzwerte erneut auf Talfahrt. Ihr Index brach um mehr als 13 Prozent ein.

ÖLPREISE RUTSCHEN AB - ANLEIHEN BLEIBEN GEFRAGT


Am Rohölmarkt verhagelte neben dem Konjunkturpessimismus der Preiskrieg zwischen Saudi-Arabien und Russland Investoren die Stimmung. Die Sorte Brent aus der Nordsee verbilligte sich um 6,8 Prozent auf 33,34 Dollar je Barrel (159 Liter). "Sollte der Kampf um Marktanteile nicht stoppen, wird Brent zum Jahresende bei etwa 20 Dollar liegen", sagte Robert Ryan, Chef-Anlagestratege für Energie beim Research-Haus BCA.

Dies drückte den Index für die europäische Öl- und Gas-Branche auf den tiefsten Stand seit 22 Jahren. Ihre US-Rivalen Chevron und Exxon büßten bis zu 8,1 Prozent ein. Bei anhaltend niedrigen Preisen drohe eine Pleitewelle bei den US-Schieferölförderern, warnte Hussein Sayed, Chef-Anlagestratege des Brokerhauses FXTM. Diese haben wegen des aufwendigen Fracking-Verfahren relativ hohe Kosten. Aus der Branche brachen Titel wie Marathon, Apache oder Occidental um bis zu 18 Prozent ein.

Vor diesem Hintergrund flüchteten Anleger in "sichere Häfen". Dies drückte die Renditen der zweijährigen Titel aus Deutschland und den USA auf Rekordtiefs von minus 1,020 beziehungsweise plus 0,378 Prozent. Die "Antikrisen-Währung" Gold konnte ihre anfänglichen Gewinne jedoch nicht halten und verbilligte sich um 3,3 Prozent auf 1580,14 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Börsianern zufolge dämpfe die Aufwertung des Dollar die Nachfrage, weil er das Edelmetall für Investoren außerhalb der USA verteuere. Außerdem könnten einige von ihnen zu Verkäufen gezwungen sein, um Verluste in anderen Anlageklassen auszugleichen.

rtr