Im Zuge des Zinsentscheids der Währungshüter kam der Leitindex von seinem Hoch seit Ende Mai zurück. Der Grund: Europas Geldwächter wollen angesichts wachsender Risiken für die Konjunktur zwar laut Mitteilung noch lange an ihrem Billiggeldkurs festhalten. Marktteilnehmer hatten von der Europäischen Zentralbank (EZB) jedoch größere Entschlossenheit erwartet, der Verlangsamung des Wirtschaftswachstums entgegenzuwirken. "Angesichts der Forderungen, mehr zu tun, scheint die EZB ein wenig zu verhalten zu agieren. Anstatt eine Zinserhöhung vom Tisch zu nehmen, wird beschlossen, die erste Zinserhöhung einfach weiter nach hinten zu schieben", sagt Chefmarktanalyst Neil Wilson vom Markets.com.
Börsianer sehen stattdessen im Detail Anzeichen, dass die EZB langsam aus der Politik der Negativzinsen aussteigen wolle. Verwiesen wurde dabei als Indiz auf höhere Zinsen für langfristige Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO-III). Damit versorgt die EZB den Markt zwar auch weiterhin mit günstiger längerfristiger Liquidität, sie wird aber nicht mehr ganz so billig sein wie in der Vergangenheit. Die so genannte Überschussliquidität wird deshalb etwas zurückgehen, erwarten Marktteilnehmer. "Die EZB trägt den Banken das Geld nicht mehr hinterher", kommentierte dies Thomas Gitzel von der VP Bank.
Der Euro zieht mit den Aussagen von EZB-Präsident Mario Draghi hingegen deutlich an. Die Gemeinschaftswährung schießt mit den falkenhaft interpretierten Draghi-Kommentaren bis auf das Tageshoch von 1,1309 Dollar empor von Wechselkursen um 1,1227 Dollar zuvor.
Allerdings liegen die Karten an den Märkten auch bei der US-Notenbank, die zuletzt eine Lockerung der Geldpolitik angedeutet und damit die Aktienmärkte gestützt hat. Doch die Dynamik der Aufwärtsbewegung scheint zunächst verflogen angesichts der herrschenden Handelskonflikte zwischen den USA und China sowie Mexiko. Während es mit China keine Fortschritte zu geben scheint, sollen die Gespräche mit Mexiko im Tagesverlauf fortgesetzt werden. Kommt es zu keiner Einigung in den Migrationsfragen, drohen ab dem kommenden Montag US-Strafzölle von zunächst 5 Prozent auf mexikanische Importe. Nach und nach sollen diese dann bis auf 25 Prozent angehoben werden. Dies dürfte vor allem negative Auswirkungen auf die Autoimporte aus Mexiko haben. "Während die genaue Auswirkung auf die Preise schwer zu quantifizieren ist, ist es vorstellbar, dass ein Zoll von 25 Prozent die gesamte Fahrzeugnachfrage um mehr als 3 Millionen Einheiten oder mehr als 18 Prozent drückt", sagt Emmanuel Rosner, Ökonom bei der Deutschen Bank.
Dafür setzt der Markt weiter auf kojunkturstützende Maßnahmen in China. Rückenwind kam am Vormittag auch vom Auftragseingang der deutschen Industrie. Er ist im April höher ausgefallen als erwartet, und die März-Zahlen sind nach oben korrigiert worden.
Was am Donnerstag an der Börse sonst noch wichtig war
Fiat scheitert bei Renaultübernahme
Nach dem überraschend abgesagten Fusionspläne zwischen Fiat Chrysler und Renault kommen die Aktien des französischen Automobil-Konzerns unter Druck. Die Italiener haben die Gespräche beendet und dies mit den politischen Widerständen in Frankreich begründet. Der französische Staat, der mit 15 Prozent an dem Unternehmen beteiligt ist, wollte mehr Zeit und offenbar die Unterstützung des Partners Nissan. Der wollte sich bei der Abstimmung über den Deal aber offenbar enthalten. Renault fallen um 6,5 Prozent, Fiat Chrysler gewinnen 0,1 Prozent. Erwartet worden war, dass Fiat Chrysler eine Prämie für Renault bezahlen würde.
Rocket Internet will Geld auch in Immobilien stecken
Auf der Suche nach vielversprechenden Investments erkundet die Berliner Beteiligungsgesellschaft Rocket Internet neue Geschäftsfelder. Die Start-up-Fabrik macht inzwischen unter anderem auch Immobiliengeschäfte und will künftig technologische Versicherungs- und Gesundheitsdienstleistungen anbieten. Das sieht eine Satzungsänderung vor, die die Hauptversammlung am Donnerstag beschloss. Bei dem Aktionärstreffen wurde auch die Sorge laut, dass die Firma den Mietenanstieg in Berlin befeuern und dadurch das Ansehen des Unternehmens Schaden nehmen könnte.
Presse: Berliner Linke will Mieten auf fünf Jahre einfrieren
Im Kampf um bezahlbare Mieten in der Hauptstadt will die Berliner Linke laut Presseberichten ein neues Gesetz zur Begrenzung der Mietkosten in den Senat einbringen. Von 2020 an sollen die Mieten in Berlin für fünf Jahre auf dem bisherigen Niveau eingefroren werden, heißt es in einem Eckpunktepapier von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Die Linke), über das unter anderen die Zeitungen "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) und "Der Tagesspiegel" am Donnerstag berichteten. In Reaktion auf die Berichte sackten die Aktien von Immobilienunternehmen, wie Vonovia und Deutsche Wohnen, an der Börse deutlich ab.
Boeing verhandelt über Großbestellung aus China
Der US-Flugzeugbauer Boeing verhandelt einem Medienbericht nach über eine große Bestellung aus China - trotz des Handelsstreits zwischen Washington und Peking. Bei den Gesprächen gehe es um insgesamt rund 100 Maschinen vom Typ 787 "Dreamliner" und von Boeings neuestem Langstreckenjet 777X, schrieb der Finanzdienst Bloomberg am Mittwoch (Ortszeit) unter Berufung auf einen Insider. Das Auftragsvolumen dürfte sich ohne branchenüblicher Rabatte auf über 30 Milliarden Dollar (27 Mrd Euro) belaufen. Boeing lehnte einen Kommentar ab, eine Stellungnahme aus China lag zunächst nicht vor.
ProSiebenSat.1 und RTL gründen Gemeinschaftsfirma für Werbekunden
MÜNCHEN/KÖLN - Die Fernsehkonzerne RTL und ProSiebenSat.1 machen bei der Werbung jetzt gemeinsame Sache, um Google und Facebook Paroli zu bieten. Werbekunden könnten künftig über eine gemeinsame Plattform selbst kleinste Zuschauergruppen der Sender und Online-Dienste zielgenau erreichen, teilten die beiden Unternehmen am Mittwoch in Köln und Unterhaching mit. Dazu gründen sie eine Gemeinschaftsfirma, die die "Plattform zur automatisierten Buchung von Addressable TV und Onlinevideo" steuert.
Investor Elliott erhöht Anteile an Scout24
Der aktivistische Investor Paul Singer hat über seinen Fonds Elliott seine Anteile am Onlineportalbetreiber Scout24 erhöht. Er hält nun 7,49 Prozent der Anteile, nachdem er sich Ende Mai bereits 6 Prozent gesichert hatte, wie das Münchner MDax-Unternehmen in einer Pflichtmitteilung am Donnerstag schrieb.
Deutsche Banken wenig profitabel
Deutsche Banken gehören nach einer neuen Studie bei der Profitabilität im Privatkundengeschäft international zu den Schlusslichtern. Demnach erwirtschafteten sie mit 159 Euro pro Kunde pro Jahr vergleichsweise niedrige Betriebsgewinne. Schweizer Banken erzielen mit 451 Euro pro Kunde ein fast dreimal so hohes Ergebnis. Das hat das Beratungsunternehmen PwC Strategy& in seiner am Donnerstag veröffentlichten Untersuchung von gut 50 europäischen Banken und Bankengruppen ausgerechnet.