Die Furcht vor einer zweiten Welle in der Coronavirus-Pandemie lässt Europas Börsianer zittern. Ein spektakulärer Kurssturz beim DAX-Konzern Wirecard trieb den Puls der Börsianer zusätzlich in die Höhe. Die Papiere des Zahlungsabwicklers verloren um mehr als zwei Drittel ihres Börsenwerts. Wegen milliardenschwerer Unklarheiten in der Bilanz musste der Konzern die Vorlage seines Jahresabschlusses für 2019 am Donnerstag ein weiteres Mal verschieben. Wirtschaftsprüfer von EY hätten Hinweise auf falsche Angaben zu Täuschungszwecken gefunden, teilte der Konzern mit. "Mit Betrug will keiner mehr etwas zu tun haben, weder die Geschäftspartner noch Anleger", sagte ein Händler. Spekulanten, die auf fallende Kurse wetteten, hatten hingegen Grund zum Jubeln. "Ich habe gerade ein Vermögen gemacht", so ein Händler.

Es droht der Abstieg aus dem DAX. Der Wirecard-Schock sitzt tief, sagte Marktexperte Andreas Lipkow von der Comdirect Bank. "Der Geduldsfaden ist nun anscheinend bei vielen Investoren gerissen und so trennen sich auch die letzten Optimist von den Wirecard-Anteilen." Sollte der Konzern einen testierten Abschluss bis zum morgigen Freitag, 19. Juni, nicht präsentieren, könnten Kredite in Höhe von etwa zwei Milliarden Euro gekündigt werden, warnte das Unternehmen. Aktienindex-Experten zufolge könnte nun Wirecard im September aus dem DAX fliegen. Als mögliche Nachfolger wurden der Aromenhersteller Symrise und der Essenslieferant Delivery Hero genannt.

Am Devisenmarkt stützte die ausgeweitete Geldflut der britischen Notenbank das Pfund Sterling nur zeitweise. Zwar stockte die Bank von England (BoE) ihr bestehendes Wertpapierankaufprogramm zum Ankurbeln der Wirtschaft um 100 Milliarden auf eine Zielsumme von 745 Milliarden Pfund auf. Allerdings stimmten nur acht Mitglieder der Führungsriege dafür, BoE-Chefvolkswirt Andy Haldane votierte gegen eine Ausweitung.

Als DAX-Gewinner ging BASF aus dem Handel gefolgt von Covestro und Vonovia. Weit abgeschlagen schloss Wirecard mit einem Minus von rund 60 Prozent.

Was am Donnerstag an der Börse außerdem wichtig war


Betrugsverdacht: Wirecard verschiebt Bilanzvorlage - Aktie crasht
Der Wirtschaftskrimi um den Zahlungsabwickler Wirecard spitzt sich dramatisch zu. Wegen milliardenschwerer Unklarheiten in der Bilanz musste der Dax-Konzern die Vorlage seines Jahresabschlusses für 2019 am Donnerstag quasi in letzter Minute ein weiteres Mal verschieben. Das Management hält es für denkbar, dass Wirecard Opfer eines gigantischen Betrugs geworden ist, und kündigte eine Strafanzeige gegen unbekannt an. Jetzt droht Wirecard die Zeit davonzulaufen: Wenn bis Freitag kein testierter Jahresabschluss vorliegt, könnten Banken dem Unternehmen Kredite über zwei Milliarden Euro kündigen.

Post-Chef sieht Verantwortung für Streetscooter-Aus auch in der Politik
Mit dem Streetscooter hat die Deutsche Post gezeigt, wie eine innovative Idee scheitern kann. Post-Chef Frank Appel hatte zwar immer an seinen Elektro-Flitzer geglaubt, am Ende musste er ihn dann doch aufgeben. Die Verantwortung sieht der Manager auch bei der Politik, wie er am Mittwochabend bei einer Online-Konferenz des Internationalen Clubs Frankfurter Wirtschaftsjournalisten deutlich machte: Wenn der Streetscooter kostenlos in die Städte gekommen wäre und Diesel-Fahrzeuge nicht oder aber der CO2-Ausstoß verteuert worden wäre, hätten sich die Elektro-Lieferwagen auch besser verkauft, argumentierte Appel.

BASF-Chef schließt Verlust im zweiten Quartal weiterhin nicht aus
BASF-Chef Martin Brudermüller hält wegen der Coronavirus-Krise einen Verlust im zweiten Jahresviertel weiterhin für möglich. BASF werde den Einfluss der Pandemie im zweiten Quartal stark zu spüren bekommen, sagte Brudermüller laut Redetext auf der Online-Hauptversammlung des weltgrößten Chemiekonzerns am Donnerstag. "Wir erwarten bestenfalls ein operatives Ergebnis von einem niedrigen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag. Es kann auch null sein oder negativ", bekräftigte er seine Einschätzung von Ende April. Er begründete dies vor allem mit dem weltweiten Stillstand in der Automobilindustrie, der wichtigsten Kundengruppe von BASF.

Gewinnschwelle bei Delivery Hero noch nicht in Sicht
Der stark wachsende Essenslieferdienst Delivery Hero rechnet vorerst weiter mit Verlusten. Er könne noch keine Prognose abgeben, wann im laufenden Geschäft kostendeckend gearbeitet werden könne, sagte Finanzchef Emmanuel Thomassin bei der Hauptversammlung am Donnerstag. Die Vorhersage des Managements beschränke sich auf 2020. In diesem Jahr rechnet das Berliner Unternehmen weltweit mit einem Umsatz zwischen 2,4 Milliarden und 2,6 Milliarden Euro.

Puma-Großaktionär begibt Wandelanleihe - Artemis-Anteil sinkt auf 25 Prozent
Der Puma-Großaktionär Artemis beschafft sich via seine Beteiligung an dem deutschen Sportwarenkonzern frisches Geld. Die Holding der französischen Milliardärsfamilie Pinault begibt eine Wandelanleihe in Höhe von 500 Millionen Euro, die im Jahr 2025 in Puma-Papiere gewandelt werden könne, wie Artemis am Donnerstag mitteilte. Die Wandelpämie soll bei 35 bis 40 Prozent auf den Referenzpreis liegen. Artemis war zuletzt eigenen Angaben zufolge mit rund 29 Prozent an Puma beteiligt, nach dem Schritt fällt der Anteil vorerst auf rund 25 Prozent.

Zalando erwartet überraschend gute Geschäfte - Aktien auf Rekordkurs
Der Internet-Modehändler Zalando rechnet mitten in der Corona-Krise mit deutlichen Zuwächsen bei Umsatz und operativem Gewinn. Die tatsächliche Entwicklung des zu Ende gehenden zweiten Quartals liege "deutlich" über den mittleren Erwartungen von Analysten, teilte das im MDax gelistete Unternehmen überraschend am Mittwochabend in Berlin mit. Ein Grund für die Steigerungen sei ein verändertes Einkaufsverhalten der Kunden.

Rheinmetall erhält Großauftrag der Bundeswehr
Der Rüstungskonzern und Autozulieferer Rheinmetall hat einen Großauftrag der Bundeswehr erhalten. Für insgesamt bis zu 2 Milliarden Euro soll der Konzern bis zu 4000 LKW liefern, von denen ein großer Teil mit gepanzerten Kabinen ausgestattet sein wird. Das teilte Rheinmetall am Donnerstag in Düsseldorf mit. Der Vertrag umfasst den Zeitraum von 2021 bis 2027. Zunächst wurde jetzt die Produktion von 540 Fahrzeugen in Auftrag gegeben, diese erste Charge habe einen Wert von 348 Millionen Euro. Der Aktienkurs legte daraufhin zu.

Telekom-Tochter T-Mobile US bekommt neuen Finanzchef
Der zum Bonner Telekom-Konzern gehörende US-Mobilfunker T-Mobile US hat einen neuen Finanzvorstand ernannt. Peter Osvaldik werde das Amt mit Wirkung zum 1. Juli übernehmen, teilte das Unternehmen am Mittwoch (Ortszeit) nach US-Börsenschluss am Hauptsitz in Bellevue im US-Bundesstaat Washington mit. Er folge auf Braxton Carter, der seit rund 19 Jahren für den Konzern tätig sei, und nun in den Ruhestand gehe. Osvaldik ist seit Januar 2016 bei T-Mobile und leitet dort derzeit noch als Vice President die Finanzbuchhaltung. Zuvor arbeitete er für die Geldautomatenbetreiber Outerwall und Coinstar sowie für die Beratungsfirma PwC.

IT-Dienstleister Cancom wächst dank hoher Nachfrage nach Hardware
Der IT-Systemanbieter Cancom hält nach einem starken ersten Quartal an seinen Jahreszielen fest und peilt unverändert ein moderates Wachstum bei Umsatz und Ergebnis an. Zum Jahresauftakt hatte die wegen der Corona-Krise hohe Nachfrage nach Software-Lizenzen und Hardware für das mobile Arbeiten wie Laptops und Tablets das Wachstum beim Münchener MDax-Unternehmen beschleunigt, wie Cancom am Donnerstag mitteilte.

Altaktionäre von PharmaSGP müssen bei Börsengang kleinere Brötchen backen
Weniger Nachfrage als offenbar erhofft: Der Arzneimittelhersteller PharmaSGP muss das Volumen bei seinem Börsengang deutlich reduzieren. Der Konzern will jetzt nur noch bis zu rund 4 Millionen Aktien platzieren, heißt es in einer Mitteilung am Donnerstag, und damit weniger als die Hälfte des ursprünglichen Volumens. Vorher war noch von insgesamt bis zu 9,66 Millionen Aktien die Rede gewesen. Alle weiteren Bedingungen des Börsengangs blieben allerdings unverändert, heißt es weiter.

Siemens Gamesa rechnet mit weiteren Verlusten - Aktie rutscht ab
Der Windanlagenbauer Siemens Gamesa rechnet wegen der Corona-Krise im laufenden Quartal mit weiteren Verlusten im operativen Geschäft. Wegen Projektkosten und der Auswirkungen durch Covid-19 soll das bereinigte Ebit (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) im dritten Geschäftsquartal bis Ende Juni negativ ausfallen, wie das Unternehmen am späten Mittwochabend im spanischen Zamudio mitteilte. Zwar soll das Ergebnis im nachfolgenden Jahresviertel wieder positiv sein, dies dürfte aber nicht ausreichen, um die negative Entwicklung für das gesamte Geschäftsjahr auszugleichen, hieß es weiter. Der Aktienkurs brach ein.

rtr/dpa-AFX/iw