Nach dem jüngsten Höhenflug lassen es europäische Aktienanleger ruhiger angehen. Die Optimisten täten zwar ihr Bestes, die Aufwärtsdynamik aufrecht zu erhalten, sagte Naeem Aslam, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses AvaTrade. "Sie haben aber Schwierigkeiten, die Kurse auf Rekordniveau zu bringen."
Die Notenbanken boten den Börsen keinen Rückenwind. Die Fed-Führung wiederhole zwar gebetsmühlenartig, dass die Geldpolitik locker bleibe, sagte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. Die Andeutung des Vize-Chefs Richard Clarida, dass eine Debatte über eine Drosselung der Wertpapierkäufe näher rücke, bedeute allerdings eine leichte Veränderung der Tonlage. Daher scheuten Investoren vorerst weitere Aktienkäufe.
ANLEIHEN GEFRAGT - EURO UNTER DRUCK
So lange sich die US-Notenbank nicht bewege, werde auch die Europäische Zentralbank (EZB) an ihrer bisherigen Geldpolitik festhalten, sagte Anlagestratege Max Kettner von der HSBC Bank. Sie wolle nicht ihren Fehler von 2011 wiederholen, als sie der Fed mit Zinserhöhungen vorgegriffen habe. Im anschließenden Konjunkturzyklus habe die Euro-Zone den USA beim Wachstum hinterhergehinkt.
Unterdessen entspannte sich die Lage am Bondmarkt weiter. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen fiel auf minus 0,203 Prozent. Gleichzeitig verbilligte sich der Euro auf 1,2226 Dollar.
GOLD EROBERT 1900ER MARKE ZURÜCK - KUPFER IM AUFWIND
Fallende Anleiherenditen machten Gold attraktiver. Das Edelmetall verteuerte sich um 0,3 Prozent auf 1905 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). "Auch einige Zentralbanken haben offenbar ihre Kaufzurückhaltung abgelegt", sagte Commerzbank-Analyst Daniel Briesemann. "Zusammen mit der erwartet höheren Konsumenten- und der wieder anziehenden Investmentnachfrage sollte dies dem Goldpreis Auftrieb geben."
Mit Kupfer deckten sich Investoren ebenfalls ein. Dies trieb den Preis für das Industriemetall um 0,5 Prozent auf 9971 Dollar je Tonne. Anleger fürchteten Angebotsengpässe durch drohende Bergarbeiterstreiks im wichtigen Exportland Chile, sagten Börsianer.
Gleichzeitig pendelte Bitcoin um die Marke von 40.000 Dollar. Derzeit herrsche ein Tauziehen zwischen denjenigen, die eine strengere Regulierung des Kryptowährungssektors befürchteten, und denjenigen, die den jüngsten Kursrutsch als Einstiegsgelegenheit sähen, sagte Analyst Timo Emden von Emden Research.
MARKS & SPENCER TROTZ GEWINNEINBRUCH IM PLUS
An der Londoner Börse stiegen die Aktien von Marks & Spencer zeitweise um gut acht Prozent auf ein 15-Monats-Hoch von 168,6 Pence, obwohl der Einzelhändler einen Gewinneinbruch bekanntgegeben hatte. Der Ausblick für das angelaufene Geschäftsjahr 2021/2022 liege aber über den Markterwartungen, kommentierte Analyst Ioannis Pontikis vom Research-Haus Morningstar.
Die Titel von Spire stiegen sogar auf ein Drei-Jahres-Hoch von 249 Pence und steuerten mit einem Plus von bis zu 29 Prozent auf den größten Tagesgewinn der Firmengeschichte zu. Der australische Rivale Ramsay will den Krankenhaus-Betreiber für 240 Pence je Aktie oder umgerechnet insgesamt 1,16 Milliarden Euro übernehmen. Gegenofferten seien zwar nicht zu erwarten, kommentierte Analyst Graham Doyle von der Investmentbank Liberum. Allerdings könne es kartellrechtliche Probleme geben.
rtr