BASF kassierte Anfang der Woche die Jahresziele und schickte den Kurs auf Talfahrt - zwischenzeitlich verlor die Aktie mehr als fünf Prozent. Für 2019 erwartet der Chemiekonzern jetzt einen Rückgang des bereinigten operativen Gewinns (Ebit) um bis zu 30 Prozent. Zuvor war der Vorstand von einem Zuwachs von ein bis zehn Prozent ausgegangen, wobei er das untere Ende der Spanne als realistischer eingeschätzt hatte. Analysten hatten aber schon daran ihre Zweifel, so dass die Gewinnwarnung nicht überraschend kam. Allein das Ausmaß fiel unerwartet hoch aus.
Das dürfte der Auftakt zu einem turbulenten Jahr für die Wirtschaft sein. Die Analysten der Commerzbank gehen davon aus, dass "viele Unternehmen aufgrund der unerwartet schwachen Weltkonjunktur Gewinnwarnungen abgeben". Vor allem zyklische Branchen haben es schwer.
Als Airline bekommt auch die Lufthansa eine Konjunkturabkühlung schneller zu spüren als andere Unternehmen. So senkte die Fluggesellschaft bereits im Juni die Prognose: Die Ebit-Marge werde in diesem Jahr lediglich bei 5,5 bis 6,5 Prozent liegen und damit im besten Fall am unteren Rand des alten Prognosekorridors. Die Lufthansa verweist auf den harten Wettbewerb im Europa-Verkehr. Auch der gestiegene Ölpreis belastet, weil die Airline dadurch mehr Geld für Treibstoff ausgeben muss.
Konjunkturindikatoren deuten darauf hin, dass sich die Wirtschaft eintrübt. Der Geschäftsklimaindex des Ifo-Instituts etwa, der die Stimmung der deutschen Unternehmen misst, ist in neun der vergangenen zehn Quartale gefallen.
Schon 2018 war ungewöhnlich holprig. Nach Berechnung der Unternehmensberatung EY hat jedes dritte Unternehmen aus dem Prime Standard der Deutschen Börse seine Prognose gekürzt. Allein im DAX gab es 18 Warnungen und damit so viele wie in den vorangegangenen drei Jahren zusammen. Besonders oft warnten Unternehmen aus den Sektoren Handel und Autoindustrie. Außerdem gab es erstmals seit dem Jahr 2014 wieder mehr negative als positive Prognoseänderungen.
Das Börsenjahr hat gewöhnlich einen vertrauten Rhythmus: Im Frühjahr, wenn die Geschäftszahlen des Vorjahres präsentiert werden, geben die Unternehmen ihre neuen Ziele für Umsatz und Gewinn bekannt. Gern werden diese vorsichtig formuliert, schließlich will sich ein Vorstand nicht die Blöße geben, zu enttäuschen. Zur Jahresmitte lässt sich dann bereits erahnen, wer trotzdem zu optimistisch geplant hat. Die meisten Gewinnwarnungen - Unternehmen sprechen lieber von "Anpassung" oder "Aktualisierung" - gibt es im vierten Quartal, wenn sich die letzten Hoffnungen auf eine Trendwende zerschlagen haben.
Beliebig warten darf ein Unternehmen mit seiner Meldung allerdings nicht: Als Insiderinformationen müssen Prognoseänderungen so schnell wie möglich veröffentlicht werden. Auch für die Glaubwürdigkeit des Vorstands ist es besser, das Unvermeidliche nicht unnötig hinauszuschieben. Der von der US-Regierung angeheizte Handelskrieg bietet den Managern gegenwärtig die Möglichkeit, zumindest einen Teil der Schuld an schlechten Ergebnissen abzuwälzen.
Manchmal kommen unerwartete Ereignisse hinzu: Daimler meldete im Juni, dass man bei Mercedes-Benz mehr Geld für "behördliche Verfahren und Maßnahmen" bei Dieselfahrzeugen zurückstellen müsse. Als Konsequenz haben sich die Schwaben von dem Ziel verabschiedet, den operativen Gewinn zu steigern. Das Ebit wird jetzt nur noch auf Vorjahresniveau erwartet. Daimler geriet unter Druck, die Aktie kam am Tag der Gewinnwarnung mit einem Minus von etwas mehr als drei Prozent aber glimpflich davon.
Wen könnte es als Nächstes erwischen? Probleme bei Daimler zerren immer auch den Erzrivalen BMW ins Scheinwerferlicht. Die Münchner haben allerdings gleich zu Jahresbeginn die Erwartungen eingebremst und Börsianer auf einen Vorsteuergewinn "deutlich unter dem Vorjahreswert" eingestimmt.
Schlechte Vorzeichen
Offiziell wird die DAX-Berichtssaison am 18. Juli eingeläutet, wenn SAP seine Halbjahresergebnisse vorlegt. Die heiße Phase beginnt ab dem 24. Juli, wenn unter anderen Covestro und Daimler ihre Bücher öffnen. Die Wochen vor den offiziellen Terminen sind allerdings oft spannender, weil Gewinnwarnungen meist vorab veröffentlicht werden. In den USA gab es in der aktuellen Saison bereits ungewöhnlich viele Alarmmeldungen: Laut Datendienst Refinitiv kamen im marktbreiten Aktienindex S & P 500 bislang auf jede positive Vorabmeldung 3,7 negative - im langjährigen Schnitt liegt der Wert bei 2,7.
Die Berichtssaison bietet aber auch die Chance, mit guten Zahlen auf sich aufmerksam zu machen. In den USA übertreffen regelmäßig mehr als zwei Drittel der Unternehmen die Analystenerwartung. In Deutschland ist die Erfolgsquote meist niedriger.
Einen guten Lauf hatte zuletzt Adidas. Der Sportartikelkonzern hatte jüngst zwar mit Lieferproblemen in Nordamerika und schleppendem Geschäft in Europa zu kämpfen, aber in China und über das Internet wächst der Konzern kräftig. Positiv überrascht waren Börsianer nach dem ersten Quartal insbesondere von der Margenverbesserung. Die Privatbank M. M. Warburg kalkuliert, dass die Gewinnprognose von Adidas auf aktuellem Niveau konservativ ist. Beim Umsatz werde das Unternehmen dagegen wohl eher das untere Ende der Zielspanne erreichen.
Traditionell vorsichtig kalkuliert Beiersdorf. Der seit Jahresbeginn amtierende Konzernchef Stefan De Loecker hatte zunächst die Erwartungen gedämpft und 2019 als ein Jahr des Übergangs mit leicht sinkender Marge und höheren Investitionen ausgerufen. Schon das erste Quartal aber hat Börsianer versöhnt: Der Umsatz stieg um sechs Prozent. Analysten erwarten laut Bloomberg-Konsens, dass die Hamburger das Tempo des ersten Quartals halten werden und damit ihre Prognose von drei bis fünf Prozent Umsatzwachstum überbieten können.
Neben Adidas und Beiersdorf sehen die Analysten von M. M. Warburg im DAX auch beim Gesundheitskonzern Fresenius und bei der Techfirma Wirecard die Chance auf eine positive Überraschung in der jetzt anlaufenden Berichtssaison.
Tiefe Spuren
Das Dilemma für Anleger: Weil Börsianer ihre Schätzungen regelmäßig anpassen, sind die Prognoseänderungen der Unternehmen oft bereits vorab im Aktienkurs verarbeitet. Die wirklich großen Überraschungen wiederum kommen auch für Experten unerwartet. Einige Muster gibt es aber trotzdem. So zeigt die Analyse von EY, dass Prognosekürzungen tiefere Spuren im Aktienkurs hinterlassen als Anhebungen.
Voriges Jahr ist der Aktienkurs eines Unternehmens aus dem Prime Standard am Tag einer Gewinn- oder Umsatzwarnung im Schnitt um knapp acht Prozent gefallen. Prognoseanhebungen wurden von den Aktienmärkten dagegen nur mit einem Tagesgewinn von etwas über drei Prozent belohnt. Eine Erklärung für die Diskrepanz: Wenn Unternehmen ihre Prognosen kürzen, dann kräftig. Schließlich will sich ein Vorstand die Schmach einer zweiten Gewinnwarnung ersparen.
Investor-Info
Beiersdorf
Attraktive Mischung
Der vor allem für seine Kosmetikmarke Nivea bekannte Konzern bietet eine Mischung aus Wachstum und Defensive. Besonders gut läuft das Geschäft der Luxusmarke La Prairie. Die Klebstoffsparte Tesa ist anfälliger für eine Konjunkturschwäche, innerhalb des Konzerns aber nur ein kleiner Bereich. Der gute Jahresauftakt weckt die Hoffnung auf ein Anheben der Prognose, der Vorstand aber dürfte sich erst später im Jahr aus der Deckung wagen. Die Beiersdorf-Aktie bleibt attraktiv.
Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 120,00 Euro
Stoppkurs: 79,00 Euro
Fresenius
Schön vorsichtig
Nach etlichen Turbulenzen hat sich der Gesundheitskonzern fürs laufende Jahr vorsichtige Ziele gesetzt: Der Umsatz soll währungsbereinigt um drei bis sechs Prozent zulegen, der Gewinn wegen hoher Investitionen stagnieren. Nach dem ersten Quartal liegt Fresenius gut im Rennen: Der Umsatz legte um fünf Prozent zu, der Gewinn liegt im Plan. Die vorsichtige Jahresprognose lässt Raum für eine positive Überraschung. Auf lange Sicht bleibt das Unternehmen als defensiver Wachstumswert ein gutes Investment.
Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 60,00 Euro
Stoppkurs: 42,00 Euro