Den Anfang mache die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag mit einer Senkung des Zinses für Einlagen bei der Notenbank auf minus 0,5 von minus 0,4 Prozent, prognostiziert Anlagestratege Axel Botte vom Vermögensverwalter Ostrum. Dies sei der Auftakt zu einer Reihe von Schritten, die den Einlagensatz auf bis zu minus 0,7 Prozent bringen könnten. In der abgelaufenen Woche legte der Dax bereits knapp zwei Prozent zu.
Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners warnt aber vor überzogenem Optimismus. Der Widerstand innerhalb der EZB-Führung gegen eine Wiederaufnahme der Anleihekäufe wachse. "Notenbank-Chef Mario Draghi wird im eigenen Haus einige Überzeugungsarbeit leisten müssen. Die Börsen positiv zu überraschen, dürfte schwierig werden." Auch beim Thema Zollstreit zwischen den USA und China mahnt Altmann trotz der jüngsten Entspannungssignale zur Besonnenheit: "Persönliche Gespräche in Washington sind nicht gleichbedeutend mit einer Einigung."
Etwa eine Woche nach der EZB wird wohl auch die US-Notenbank Fed an der Zinsschraube drehen. Eine Senkung um einen viertel Prozentpunkt gilt als sicher. Einige Anleger rechnen sogar mit einem größeren Schritt. Vor diesem Hintergrund warten Börsianer gespannt auf die deutschen und die US-Inflationsdaten am Donnerstag. Von ihnen erhoffen sie sich Rückschlüsse auf das Tempo der erwarteten geldpolitischen Lockerung durch EZB und Fed. Am Freitag stehen zudem die US-Einzelhandelsumsätze auf dem Terminplan. Der private Konsum gilt als Hauptstütze der weltgrößten Volkswirtschaft.
Weiter keine Klarheit beim Thema Brexit
Der Sieg des britischen Parlaments in der Brexit-Machtprobe mit Premierminister Boris Johnson verschafft Investoren Börsianern zufolge nur eine kurze Atempause. Die Abgeordneten verboten der Regierung, das Land zum 31. Oktober ohne eine Austrittsvereinbarung aus der EU zu führen. Stattdessen solle Johnson einen weiteren Aufschub des Brexit bis zum 31. Januar 2020 beantragen. Dieser betonte allerdings, "lieber tot im Graben" liegen zu wollen. Das Pfund Sterling werde erst dann zu alter Stärke zurückfinden, wenn die wirtschaftliche Zukunft des Vereinigten Königreichs gesichert sei, sagte Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann. "Bis dahin ist's auch im günstigsten Fall noch ein langer Weg."
Außerdem müsse weiterhin mit Neuwahlen gerechnet werden, sobald das am Mittwochabend verabschiedete Gesetz in Kraft getreten sei, sagte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. Dies könnte zu neuer Unsicherheit führen, warnte Etsy Dwek, Chef-Anlagestrategin beim Vermögensverwalter Natixis. "Das Ergebnis könnte den Brexit vollständig in Frage stellen, da viele Parteien gesagt haben, dass sie die Durchführung eines weiteren Referendums befürworten. Sollte Johnson hingegen eine absolute Mehrheit gewinnen, könnte dies auch dazu führen, dass die EU einige Aspekte des Abkommens neu verhandelt, um das auch für sie schlimmste Szenario des 'No Deal' zu vermeiden."
rtr