DAS IST LOS BEI DELIVERY HERO:

Wie eh und je verfolgt Delivery Hero weiter seiner Strategie: Expandieren um jeden Preis. Vor allem mit dem Zukauf des südkoreanischen Lieferdienstes Woowa Brothers geriet der Dax-Konzern zuletzt in die Schlagzeilen. Erst beschäftigte sich der Vorstand rund um Konzernchef Niklas Östberg monatelang mit den Rahmenbedingungen für die Übernahme. Dann musste Delivery Hero eine "potenzielle Wertberichtigung" in Höhe von 1,4 Milliarden Euro befürchten.

Denn bei dem Woowa-Deal sollte die Mehrheit des Kaufpreises in Form von 40 Millionen neuen Delivery-Hero-Aktien beglichen werden. Weil der Aktienkurs aber seit der Ankündigung der Übernahme Ende 2019 im Zuge der Corona-Pandemie rasant an Wert hinzugewonnen hatte, war der ursprüngliche Preis je Aktie und der bezifferte Firmenwert von Woowa in Höhe von 3,6 Milliarden Euro schnell überholt.

Schlussendlich fiel die Korrektur des Firmenwertes aber deutlich geringer aus. Wahrscheinlich werde diese nun bei weniger als 500 Millionen Euro liegen, hieß es zuletzt. Genauere Zahlen hat Delivery Hero bislang nicht kommuniziert.

Insgesamt ist der deutsche Konzern mittlerweile in rund 50 Ländern weltweit vertreten, seit dem Verkauf der heimischen Aktivitäten an den Wettbewerber Takeaway allerdings ohne eigenes Deutschland-Geschäft. Seit März etwa bietet die konzerneigene Marke Talabat ihren Lieferdienst im Irak an, in El Salvador startete PedidosYa mit Auslieferungen von Essen, Tiernahrung und Kosmetika. Letzteres zeigt die Richtung, in die das Unternehmen gehen will.

Das aggressive Vorpreschen in neue Märkte hat einen Grund: So will Delivery Hero zunächst neue Kunden für sich gewinnen - in der Hoffnung, dass diese dann erneut Essen nach Hause bestellen. Dabei nimmt der Lieferdienst auch Marketingausgaben wie Gutscheine in Kauf. Zuletzt stellte der Vorstand fest, dass Kunden verstärkt bestellen. Dabei spielen Corona-Maßnahmen und Ausgeh-Beschränkungen dem Unternehmen freilich in die Karten.

Neben Essenslieferungen vom Restaurant nach Hause setzt Delivery Hero aber auch auf neue Technologien, um sich die Gunst seiner Kunden weiterhin zu sichern. Mit personalisierten Empfehlungen will es der Konzern schaffen, den so genannten Q-Commerce noch attraktiver zu gestalten.

Denn Delivery Hero bietet auch die Zustellung von Drogerieartikeln, Lebensmitteln oder anderen schnell benötigten Gegenständen an. Diese sollen dann binnen einer Stunde von einem Geschäft in der Nähe des Kunden direkt nach Hause geliefert werden. Q-Commerce gilt als besonders lukrativ: Der Vorstand will bis 2030 ein Achtel des weltweiten Q-Commerce-Marktes mit einem geschätzten Volumen von 448 Milliarden Euro für sich beanspruchen.

Daher verwundert es nicht, dass Delivery Hero zuletzt erst seine Investitionen an der spanischen App Glovo um 229 Millionen Euro erhöht hat. Davor waren die Berliner bereits mehr als ein Drittel an dem Unternehmen beteiligt, das nach eigenen Angaben Restaurants, Lebensmittelläden, Apotheken und den Einzelhandel zusammenbringen will.

Wie der Jahresstart unterdessen gelaufen ist, dazu will sich der Vorstand an diesem Mittwoch (28. April) äußern. Neben den Ergebnissen für das erste Quartal will das Unternehmen dann auch die Ziele für das laufende Geschäftsjahr bekannt geben.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Selten zeigen sich Experten so einig wie bei Delivery Hero: Alle acht im dpa-AFX Analyser seit März erfassten Analysten raten zum Kauf von Aktien des Unternehmens. Bis zum durchschnittlichen Kursziel von rund 150 Euro hat die Aktie nur noch ein Stück vor sich. Derzeit kostet ein Papier knapp 130 Euro.

So zeigte sich zuletzt Analyst Andrew Ross von der britischen Investmentbank Barclays vorsichtig optimistisch. Bei dem Essenslieferdienst gebe es in Hinblick auf die Quartalszahlen viele Variablen. Die Erwartungen an den Gewinn seien jüngst etwas gesunken. Die Aktie sei günstig.

Deutlicher wird da sein Kollege Adrien de Saint Hilaire von der US-Investmentbank Bank of America: Nach Gesprächen mit dem Management des Essenslieferdienstes und Branchenexperten habe sein Optimismus noch zugenommen. Zudem seien die Trends im ersten Quartal besser als erwartet.

Marcus Diebel von JPMorgan (JPMorgan ChaseCo) zehrt von der Hoffnung, dass die Verbraucher viele während des Corona-Lockdowns angenommene Gewohnheiten auch nach der Krise beibehalten dürften. Dazu zähle auch das verstärkte Arbeiten von zu Hause aus. Der Lieferdienst Delivery Hero gehöre daher zu seinen bevorzugten Werten unter den europäischen Internet-Unternehmen.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Mit rund 130 Euro je Aktie hat der Kurs seine jüngste Talfahrt wieder locker hinter sich lassen können. Zu Jahresbeginn war die Aktie zwei Monate lang arg unter Druck geraten, auch weil die hohe Wertberichtigung für den Zukauf von Woowa im Raum stand. Für Verkäufer der Aktie war das zwar schlecht - doch für Delivery Hero selbst hätte es nicht besser laufen: Durch den niedrigeren Wert fiel die Wertberichtigung deutlich geringer aus als zunächst befürchtet.

Anleger, die gleich in den ersten Monaten nach dem Börsengang von Delivery Hero zugriffen und seither die Aktien hielten, können zufrieden sein: Seit den Sommermonaten 2017 hat sich der Wert der Papiere verfünffacht. Wer erst Ende 2019 eingestiegen war, kann sich immer noch über eine knappe Verdopplung seiner Anlage freuen. Das ist deutlich mehr als die Konkurrenz vorweisen kann.

Zwar musste auch die Delivery-Hero-Aktie während des Corona-Crashs im Februar und März 2020 Kurseinbußen hinnehmen. Diese waren aber nur von kurzer Dauer: Seit April befindet sich die Aktie im Höhenflug und schaffte so im Sommer vergangenen Jahres den Aufstieg in den Dax (DAX 30). Dieser wurde von einigen Experten unter anderem wegen des anhaltenden operativen Verlusts stark kritisiert.

Die Deutsche Börse änderte daraufhin die Regeln für den Aufstieg in den deutschen Leitindex. Künftig müssen Unternehmen nicht nur auf eine ausreichende Marktkapitalisierung kommen, sondern auch operativ profitabel sein. Delivery Hero bringt es derzeit auf eine Marktkapitalisierung von rund 32 Milliarden Euro und liegt damit im Dax-Mittelfeld vor Traditionskonzernen wie Eon (EON SE), RWE, Fresenius (Fresenius SECo), Continental oder der Deutschen Bank (Deutsche Bank).

Und auch im europäischen Branchenvergleich steht Delivery Hero gut da: So kommt Just Eat Takeaway (Just Eat Takeawaycom), zu dem auch die deutsche Marke Lieferando gehört, auf knapp 14 Milliarden Euro. Der erst vor kurzem an die Börse gegangene Lieferdienst Deliveroo aus England schafft es gerade so auf vier Milliarden Pfund oder umgerechnet 4,6 Milliarden Euro.

Größter Aktionär von Delivery Hero ist der südafrikanische Medienkonzern Naspers. Dieser hielt einer Aufstellung der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge zuletzt knapp 25 Prozent der Anteile, die Investmentfirma Baillie Gifford kommt demnach auf rund neun Prozent. Rund drei Viertel der Aktien befinden sich im Streubesitz.

dpa-AFX