Der Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, der Demokrat Steny Hoyer, nannte Mittwoch als wahrscheinlichen Termin für eine Abstimmung. Eine etwaige Verurteilung in der zweiten Kongresskammer, dem Senat, könnte erst Monate nach dem Ende von Trumps Amtszeit am 20. Januar erfolgen. Er wäre damit jedoch von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Eine Stellungnahme von Trump lag zunächst nicht vor.
Parallel zum Amtsenthebungsverfahren trieben die Demokraten einen zweiten Vorstoß voran, um den Republikaner abzusetzen. Am Dienstag soll das Repräsentantenhaus über einen Aufruf an Vizepräsident Mike Pence abstimmen, zusammen mit dem Kabinett Trump für amtsunfähig zu erklären. Die Präsidentin der Kammer, Nancy Pelosi, setzte Pence eine Frist von 24 Stunden nach der Verabschiedung der Resolution, um dieser Folge zu leisten. Ansonsten werde man über das Amtsenthebungsverfahren abstimmen lassen, sagte sie. "Die Bedrohung für Amerika durch den Präsidenten ist akut, wie auch unser Handlungsbedarf." Pence äußerte sich zunächst nicht.
VERFAHREN MÖGLICHERWEISE ERST IN EINIGEN MONATEN
Mit den beiden Vorlagen decken die Demokraten zwei Möglichkeiten ab, einen Präsidenten abzusetzen: Durch das Kabinett im Falle einer Amtsunfähigkeit nach dem 25. Verfassungszusatz und durch ein Amtsenthebungsverfahren im Kongress. Die Aussichten für beide Vorstöße blieben unklar. Pence will Insidern zufolge Trump nicht für amtsunfähig erklären. Zwar dürften die Demokraten im Repräsentantenhaus genug Stimmen haben, um ihn zum zweiten Mal anzuklagen (Impeachment) - ein einmaliger Vorgang in der US-Geschichte. Allerdings dürften sie wie beim ersten Verfahren nicht genug Stimmen im Senat haben, um ihn zu verurteilen. Die Kammer befasst sich ohnehin frühestens am 19. Januar mit der Vorlage, einen Tag vor der Vereidigung des demokratischen Wahlsiegers Joe Biden.
Allerdings hat der hochrangige Demokrat Jim Clyburn vorgeschlagen, erst in einigen Monaten die Anklageschrift an den Senat zu schicken. Dies würde verhindern, dass der Kongress zu sehr mit Trump beschäftigt ist, um die politischen Pläne des neuen Präsidenten Biden in den ersten Tagen seiner Amtszeit umzusetzen. Auch ein vergleichsweise spätes Verfahren würde die Republikaner dazu zwingen, entweder Trumps Verhalten während der Erstürmung des Kapitols öffentlich zu verteidigen oder aber seine Anhänger zu verärgern, in dem sie sich gegen ihn stellen. Im kommenden Jahr finden Kongresswahlen statt. Zudem wäre Trump bei einer Verurteilung von weiteren öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Spekuliert wird, dass er bei der Wahl 2024 für eine zweite Amtszeit antreten könnte.
TRUMP-VERBÜNDETE ZUNEHMEND UNTER DRUCK
Die Erstürmung des Kapitols fand statt, als der Kongress Bidens Wahl beglaubigte. Zahlreiche Trump-Anhänger unter den Abgeordneten in beiden Kammern stellten sich dabei dem sonst rein formellen Schritt entgegen. Neben dem politischen Druck auf sie nach der Gewalt im Sitz des Kongresses verschärfte sich am Montag noch der finanzielle: Mehrere weitere Konzerne kündigten an, ihre Spenden an sie einzustellen. Der Chef von American Express, Stephen Squeri, erklärte, der Versuch von einigen Abgeordneten "das Wahlergebnis zu untergraben und die friedliche Machtübergabe zu stören" sei unvereinbar mit den Werten seines Konzerns. Andere Unternehmen setzten zunächst alle politischen Spenden aus, um das weitere Vorgehen zu prüfen.
Die Gewalt am Kapitol hat die Furcht vor weiteren Ausschreitungen zu Bidens Amtseinführung am 20. Januar verstärkt. Dem Sender ABC zufolge hat die Bundespolizei FBI davor gewarnt, dass bewaffnete Demonstranten bereits am Samstag nach Washington reisen wollten, um eine Absetzung Trumps zu verhindern. Zudem seien ähnliche Proteste in den Hauptstädten aller 50 Bundesstaaten geplant. Eine Stellungnahme des FBI zu dem Bericht lag nicht vor. In Washington selbst sollen bis zu 15.000 Soldaten der Nationalgarde die Vereidigung sichern. Bis Samstag sollten etwa 10.000 von ihnen in der Hauptstadt sein, kündigte General Daniel Hokanson an.
rtr