"Dem hat der Euro derzeit wenig entgegenzusetzen", sagt Commerzbank-Analystin Antje Praefcke. Ein Grund hierfür sei das zuletzt schwächelnde Wirtschaftswachstum in Europa. "Es wird zunehmend deutlich, dass die EZB die Zinsen wohl noch länger nicht anheben wird, als dies einige Marktteilnehmer erwartet hatten."

Auch bei anderen großen Notenbanken rückt ein Ende der ultra-lockeren Geldpolitik in immer weitere Ferne. Die Bank von Japan kassierte Ende April ihren Zeitplan für das Erreichen des Inflationsziels. In Großbritannien gilt eine baldige Zinserhöhung inzwischen als ausgeschlossen, nachdem Notenbankchef Mark Carney entsprechende Spekulationen gedämpft hat.

"Die Erwartungen an das europäische und japanische Wachstum waren wohl überzogen", sagt Fondsmanager Nick Wall vom Vermögensverwalter Old Mutual Global Investors. "Damit bleibt die Fed die einzige Notenbank, die die Zinsen weiter anhebt." Die US-Zentralbank signalisiert für das laufende Jahr noch zwei weitere Schritte nach oben, manche Experten erwarten sogar drei.

"WÄHRUNG DER STUNDE"



Die Luft für den Dollar wird jetzt aber dünner. Der Greenback sei zwar "momentan die Währung der Stunde", sagt Ökonom Cyrus de la Rubia von der HSH Nordbank. Andere Fachleute verweisen aber darauf, dass politische Interessen einer noch deutlicheren Stärke des Dollar entgegenstehen: Eine schwache Währung, die die Wettbewerbschancen der US-Unternehmen auf dem Weltmarkt verbessere, sei für die Regierung in Washington wichtig, um die durch Steuersenkungen aufgerissenen Haushaltslöcher zu stopfen, argumentieren sie. Außerdem sei sich die Fed der Auswirkungen einer deutlichen Dollar-Aufwertung auf die Schwellenländer durchaus bewusst.

Devisenexperte Oliver Jones vom Analysehaus Capital Economics geht davon aus, dass viele Währungen aus Ländern mit aufstrebenden Volkswirtschaften im Jahresverlauf gegenüber dem Dollar weiter Federn lassen müssen. Offenbar habe die Investoren allgemein der Mut verlassen, ins Risiko zu gehen: Allerdings werde sich ein Verfall wie in der Zeit nach dem sogenannten "Taper tantrum" von 2013 nicht wiederholen. Die damaligen Turbulenzen an den Finanzmärken hatte der einstige US-Notenbankchef Ben Bernanke ausgelöst: Er ließ damals in einer Anhörung im US-Kongress beiläufig die Bemerkung fallen, die Fed könnte bei anhaltend positiven Wirtschaftsdaten ihre Wertpapierkäufe allmählich zurückfahren. Ein Beben an den Märkten war die Folge. Ökonom Jones rechnet trotz der Dollar-Stärke nicht damit, dass die Schwellenländer nun in eine ähnliche Lage geraten: "Denn anders als damals ist kaum eine Währung in Schwellenländern überbewertet." Zudem wiesen außer Argentinien und der Türkei kaum mehr aufstrebende Volkswirtschaften große Leistungsbilanzdefizite auf, die sie anfälliger machten.

Denn das Ungleichgewicht zwischen Einfuhren und Ausfuhren führt dazu, dass die Wirtschaft eines Landes Zahlungsverpflichtungen im Ausland anhäuft. Da im Vergleich zu anderen Schwellenländern in der Türkei relativ viele Firmen Darlehen in Auslandswährungen wie dem Dollar aufnehmen, erhöhen sich mit einem Kursanstieg des Greenback tendenziell auch die mit den Krediten verbundenen Kosten. Die Rating-Agentur Standard & Poor's senkte aus diesem Grund die Note für die Kreditwürdigkeit des Landes.

Derzeit ist eher die Fed mit ihrer immer strafferen Geldpolitik dafür verantwortlich, dass Anlagen in Dollar attraktiver werden und Kapital verstärkt aus Schwellenländern abfließt. Denn bei steigenden Zinsen winken höhere Renditen auf dem US-Rentenmarkt, der als risikoarm gilt: "Damit können viele Schwellenländer derzeit nicht mithalten", so Capital-Economics-Experte Jones. In Argentinien hat die Zentralbank gerade auf den Fall des Peso mit einer drastischen Straffung der Geldpolitik reagiert: Der Leitzins liegt nach einer Serie hektischer Erhöhungen bei 40,0 Prozent. Ende April lag der Schlüsselsatz noch bei 27,25 Prozent. Und in der Türkei sah sich die Notenbank jüngst gezwungen, einen ihrer Leitzinsen um 0,75 Punkte auf 13,5 Prozent anzuheben, als die Lira auf ein Rekordtief zum Dollar fiel.

rtr