Der US-Dollar - Nur noch so stark wie Popeye ohne Spinat?
Jeder ist sich selbst der Nächste und Trump steht direkt neben sich. In der Tat, für eine zweite Amtszeit hat Trump keine Hemmungen, auch die Reputation seines ach so geliebten Vaterlands aufs Spiel zu setzen. Unberechenbar schlägt er auf China ein und schwankt bei Russland zwischen Kumpel- und Rüpelhaftigkeit. Auch Amerikas Verbündete werden wie Schwerverbrecher behandelt, um im November zu gewinnen. Er ist wie ein Komiker, der für einen guten Witz seine eigene Mutter verkauft.
Und dann ist da die Sorge vor einer widerlichen Schlammschlacht nicht nur vor, sondern vor allem nach der Wahl. Ein großer Streit zwischen Republikanern und Demokraten, wer Wahlsieger ist und ob das Wahlergebnis gefakt ist, könnte eine Verfassungskrise mit Auseinandersetzungen auf Amerikas Straßen und Plätzen auslösen. Sicherlich würde dann der Dollar als sicherer Hafen an Sicherheit einbüßen.
Unabhängig davon ist man in den USA nicht mehr an einem starken Dollar interessiert. Das Außenhandels-Feld will man nicht mehr den typischen Exportnationen Europas, Asiens und der Schwellenländer überlassen. Vom süßen Export-Kuchen will auch Amerika ordentlich naschen. Erfüllungsgehilfe bei der Dollar-Schwäche ist die Fed, die Export-Darwinismus betreibt. Sie drückt die Zinsen, was ebenso dem Schultern der Jahrhundert-Schulden zur Bewältigung der Jahrhundert-Rezession zugutekommt.
Könnte tatsächlich die politische Unsicherheit der USA gepaart mit Finanz-Instabilität am Nimbus des Dollars als Weltleitwährung rütteln und stattdessen dem Euro die Tür öffnen?
Kann der Euro vor Kraft kaum laufen?
Das frühere Sorgenkind Europa hat sich durchaus gemacht. Auch wenn momentan die Infektionszahlen wieder ansteigen, managt der alte Kontinent die Corona-Krise besser als die USA. Das spricht 2021 sogar für ein höheres Wirtschaftswachstum in Europa als in den USA, was wirklich eine Rarität ist.
Selbst von der politischen Großwetterlage erhält der Euro Unterstützung. Der Wiederaufbaufonds scheint Ruhe in den notorisch konfliktträchtigen europäischen Karton gebracht zu haben. Kein Wunder, es wird ja auch viel Geld verschenkt. Oder hat sich der Fuchs jemals über einen prall gefüllten Hühnerstall beschwert? So ist das Thema Euro-Krise einstweilen vom Brüsseler Tisch.
Damit bekommt der Euro auch rein finanztechnisch die höheren Weihen. Zur Finanzierung des Hilfsfonds werden erstmals gemeinsame Schulden der EU-Länder emittiert. Man braucht keine Hoffnung zu haben, dass diese Stabilitätssünde einmalig bleibt. Doch so erhöhen sich immer mehr Liquidität und Marktfähigkeit von "Euro-Anleihen" im Vergleich zu Dollar-Papieren, die wie Sand am Meer vorhanden, bislang den internationalen Anleihehandel dominiert haben. Auf europäischer Seite gab es lediglich nationale Schuldscheine, die, wenn sie von guten Adressen wie Deutschland stammten, schnell vergriffen waren, zumal bis vor kurzem keine Neuschulden gemacht wurden. Und bei Papieren aus dem EU-Süden roch es sowieso latent nach EU- und Euro-Exit. Doch jetzt mit gemeinschaftlichen Euro-Anleihen, für die die gesamte Familie haftet, verflüchtigt sich das eurosklerotische Kreditrisiko. Dass die EZB in diesem Zusammenhang hemmungslose Staatsfinanzierung betreiben muss, ist dabei kein Wettbewerbsnachteil. Denn wer ohne Stabilitätssünde ist, werfe den ersten Stein.
Insgesamt bekommt der Dollar als Anlage- und damit Leitwährung Konkurrenz vom Euro. Russen und Chinesen, die mit Amerika viele Hühnchen zu rupfen haben, werden zukünftig noch mehr Lust verspüren, dem Dollar fremdzugehen.
Tatsächlich, gegenüber Dollar auf Rekordniveau befindliche spekulative Netto-Long-Positionen des Euros sprechen zunächst für eine Fortsetzung des Abwertungstrends. Langfristig sehen viele Analysten sogar eine Befestigung bis 1,40 US-Dollar.
Einen starken Euro scheut Europa wie der Frosch einen trockengelegten Tümpel
Trotz sintflutartiger Geldpolitik hat die EZB seit 2003 kein Glück bei der Inflationsbeschleunigung gehabt. Und jetzt in der coronalen Konjunktur-Diaspora hat ein stark aufwertender Euro gerade noch gefehlt. So droht ein deflationärer Teufelskreis: Sinkende Inflation wegen Exportkonkurrenz und fallenden Importpreisen könnten europäische Firmen veranlassen, Arbeitsplätze abzubauen und Investitionen zu bremsen. Das wiederum schmälert die Konsumfreude und lässt die Preise noch weiter fallen.
Insofern muss man kein großer Prophet sein, um zu wissen, dass die EZB im Rahmen eines Währungskriegs mit der Fed alles daransetzen wird, den Euro klein und kurz zu halten wie Tennisrasen in Wimbledon.
Wer nur moralisch gewinnen will, hat wirtschafts- und währungspolitisch schon verloren
Als Hegemon hat es Amerika mit dem "Durchregieren" einfacher. Großzügige Geschenke mögen zwar die Freundschaft erhalten und den europäischen Frieden wahren. Dennoch bleibt es eine Herausforderung, die vielen bunten EU- bzw. Euro-Länder unter einen Hut zu bringen.
Ohnehin sorgt dieser nicht mehr umkehrbare EU-Länderfinanzausgleich für ein Problem, das schon die alten Römer mit "Voller Bauch studiert nicht gern" beschrieben. Wenn ebenso heute den jungen Römern keine Hungersnot droht, so werden auch sie keine Anreize verspüren, auf die Jagd zu gehen, d.h., die dramatischen infrastrukturellen Strukturdefizite anzupacken.
Hilfreich ist es ebenso nicht, dass in immer mehr EU-Ländern die kalte haarige Hand der Staatswirtschaft zugreift. Das macht behäbig, weil anstelle des Leistungsprinzips und der Wettbewerbs- bzw. Innovationsfähigkeit eine ideologisierte, moralisch einwandfreie Gefälligkeitsökonomie mit unbezahlbaren Wohltaten gesetzt wird. Damit wird alles gesteigert, aber nicht Wirtschaftswachstum und Währungsstärke.
Dagegen sind die Amerikaner wirtschaftlich noch hungrig. Man muss sie nicht zum Jagen tragen.
Der Euro ist die stärkste Schwachwährung der Welt
Aktuell scheint nicht der Weißkopfseeadler, sondern der Pleitegeier oder der komische Kauz das Wappentier Amerikas zu sein. Und so ist die jüngste Stärke des Euro vor allem als Schwäche des US-Dollars zu verstehen. Doch ist Amerika (wirtschafts-)politisch immer wieder auferstanden. Warum sollte das zukünftig anders sein? Trotz seiner Schwächen bleibt der Dollar die Leitwährung.
Denn der Euro will es nicht und kann es auch nicht.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725
Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.
Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.