Der Schlüsselfaktor für nachhaltig steigende Kurse ist ohne Zweifel das Wachstum. Wachstum bedeutet eigentlich nicht mehr, als größer zu werden. Auch wenn das in höchstem Maße selbstverständlich klingt, ist dem nicht zwangsläufig so. Zahlreiche Unternehmen kämpfen jahrelang mit sinkenden Erträgen, weil sie sich beispielsweise in irgendeinem Projekt verzettelt oder einfach nur schlecht gewirtschaftet haben. Jüngstes Beispiel ist Air Berlin. Während die Konkurrenz in Form von Ryanair und EasyJet seit Jahren hohe Gewinne einfliegt, sorgte Missmanagement bei den Deutschen für anhaltend hohe Verluste, was die Airline nun letztendlich in die Pleite trieb.

Auf der Suche nach aussichtsreichen Aktien heißt es für Anleger daher, genau hinzusehen. Einen wichtigen Rat gab Investorenlegende Philip A. Fisher bereits in den 50er-Jahren in seinem Kassenschlager "Common Stocks and Uncommon Profits": "Identifiziere eines der seltenen Unternehmen, welches in der Lage ist, über Jahre hinweg Umsatz und Gewinn weit überdurchschnittlich steigen zu lassen."

Für ihn war die Anlage in Unternehmen mit hoher Profitabilität und überdurchschnittlichen Wachstumsaussichten der Knackpunkt für einen langfristigen Anlageerfolg. Wettbewerbsvorteile und Wachstumspotenzial erschienen ihm deshalb viel wichtiger als beispielsweise eine niedrige Bewertung.

Wertvolle Datenbank



Nachhaltigkeit ist bei der Aktienauswahl also ein ausschlaggebendes Kriterium. Die Aktien müssen nicht nur am günstigsten sein, sie sollten ebenso über eine solide Bilanz und fortwährenden Umsatz- und Gewinnzuwachs verfügen. Dass die "Eier legende Wollmilchsau" nicht so einfach zu finden ist, versteht sich von selbst.

Wir haben daher unsere Datenbank bemüht, die Abonnenten von BÖRSE ONLINE übrigens jederzeit im Internet abrufen können, und uns auf die Suche nach wachstumsstarken Qualitätsaktien gemacht.

Oberste Priorität hatte für uns die Auswertung der Überschüsse. "Die Gewinnentwicklung ist der zentrale Treiber für die Aktienkurse", erklärt Portfoliomanager Marcus Ratz von Lupus alpha. Betrachtet haben wir den Zeitraum zwischen 2010 und 2018. Der Start wurde deshalb auf 2010 gesetzt, da es das Jahr des Aufbruchs nach der Finanzkrise 2008/2009 war. Nur Unternehmen, die es geschafft haben, in den vergangenen sieben Jahren ihre Ergebnisse stetig zu steigern, haben unseren ersten strengen Auswahlprozess bestanden.

Allerdings haben wir den Untersuchungszeitraum zudem auf die Zukunft ausgeweitet. Folglich müssen die Gesellschaften nach Schätzungen der Analysten und unseren eigenen Prognosen für die Jahre 2017 und 2018 Wachstum aufweisen. "An den Märkten wird in erster Linie die Zukunft von Unternehmen gehandelt", sagt Ratz.



Harter Auswahlprozess



Nach diesem letzten Schritt kam es zu prominenten "Opfern". Namhafte Konzerne wie BMW und Daimler wurden aus der Riege der nachhaltigen Wachstumstitel im DAX verbannt: Bei beiden Unternehmen rechnet der Markt 2018 mit Ergebnisrückgängen. Dazu passt auch die jüngste Aussage von Daimler-Chef Dieter Zetsche, der die Investoren aufgrund der hohen Kosten für Elektroautos auf zeitweise kleinere Margen eingestimmt hat.

Ein ähnliches Schicksal ereilte Wirecard im TecDAX. Der Zahlungsspezialist weist von 2010 an durchweg steigende Ergebnisse aus, allerdings wird für dieses Jahr mit einem minimalen Rückgang gerechnet. Zu einer kleinen Gewinndelle, allerdings in der Vergangenheit, kam es auch bei Bechtle und Nemetschek. Obwohl wir das Techtrio durchaus für aussichtsreich halten, scheitern die Unternehmen aufgrund der fehlenden Kontinuität.

Letztendlich konnten nur Gesellschaften, die in der Lage sind, ihren Gewinn stetig zu steigern, das strenge Auswahlverfahren bestehen. Das Anlageuniversum stellte der Prime Standard dar. Dieses Segment verfügt über das höchste Transparenzlevel für börsennotierte Unternehmen. So müssen die Gesellschaften quartalsweise über ihr Geschäft berichten. Nur wer im streng regulierten Prime Standard zugelassen ist, hat auch die Chance auf eine Aufnahme in die Auswahlindizes DAX, MDAX, SDAX und TecDAX.

Erfüllt haben unsere Kriterien letztendlich nur ein knappes Dutzend. Wie bereits aufgezeigt, sind im TecDAX alle 30, wenn auch manche überaus knapp, gescheitert. Der DAX stellte dagegen mit den vier Titeln Bayer, Continental, Fresenius und Henkel die meisten nachhaltigen Wachstumsstars.

Aussichtsreiche Bluechips



An oberster Stelle in unserem kaufenswerten Klassement steht im DAX der Automobilzulieferer Continental. Mit einem durchschnittlichen jährlichen Gewinnwachstum von 29,5 Prozent zwischen 2010 und 2018 stellt er alle seine Mitstreiter in den Schatten. Kurz- wie auch langfristig fährt Conti einen heißen Reifen. Zum einen hob das Unternehmen aufgrund der anhaltenden Wachstumsdynamik im Autogeschäft zum Halbjahr erneut die Umsatzprognose um 500 Millionen Euro an. Zum anderen hat die zunehmende Digitalisierung die Autowelt voll erfasst und wird zu einem dauerhaften Wandel in der Branche führen.



Ohne Zulieferer wie Continental sind Zukunftstrends wie beispielsweise das autonome Fahren kaum umsetzbar. Die Hannoveraner zeigten auf der Internationalen Automobilausstellung 2017 ihre innovativen Technologien, die den Weg Richtung "Vision Zero" ebnen sollen. Hinter diesem Schlagwort verbirgt sich ein voll autonomes, mit anderen Verkehrsteilnehmern vernetztes und elektrisch angetriebenes Fahrzeug. Bis zum Jahr 2025 rechnet Continental mit einem Weltmarktumsatz für Technologien zum automatisierten Fahren von mehr als 30 Milliarden Euro. Das würde in etwa eine Verdopplung im Vergleich zu 2020 bedeuten.

Gut aufgestellt für die Zukunft ist auch Fresenius. Der Gesundheitskonzern spielt in unterschiedlichen Bereichen wie Dialyse, Infusionstherapien oder privaten Kliniken eine führende Rolle, und das auf internationaler Ebene. Damit das auch so bleibt, nimmt Fresenius derzeit viel Geld in die Hand. Zuletzt sorgten die Hessen mit den beiden Milliardenübernahmen des US-Konkurrenten Akorn sowie des spanischen Klinikbetreibers Quiron für Aufsehen. Damit wird Fresenius in neue Umsatz- und Gewinnsphären eintreten.

Die Strategie des Unternehmens zahlt sich bereits seit vielen Jahren aus. Ungeachtet der Rezessionen und Krisen legten Umsatz und Gewinn seit 2003 Jahr für Jahr zu. Zudem zählt Fresenius zu den Dividenden-Aristokraten, also zu jenen Unternehmen, die ihre Gewinnausschüttungen über einen längeren Zeitraum stets steigern konnten oder zumindest nicht gekürzt haben. Allein zwischen 2010 und 2016 legte der Konzern im Durchschnitt jährlich 13,7 Prozent bei der Auszahlung an die Aktionäre drauf.

Dass nachhaltiges Wachstum sowie eine kontinuierliche Dividendenzahlung der Motor für die Kursentwicklung sind, zeigt der Chart: Der DAX-Titel hat sich in den vergangenen zehn Jahren vervierfacht, beim Gesamtmarkt steht dagegen "nur" ein Plus von rund 60 Prozent zu Buche.

Auf einem langfristigen Outperformance-Kurs ist auch Henkel. Und das nicht ohne Grund: Der Konsumgüterriese zählt ebenfalls zu den nachhaltigen Wachstumsstars. Nach unseren Berechnungen legte der Gewinn je Aktie zwischen 2010 und 2016 um elf Prozent zu. Bei Berücksichtigung der Schätzungen für 2017 und 2018 wird die Kurve sogar noch etwas steiler. Dann errechnet sich eine Steigerungsrate von knapp zwölf Prozent pro Jahr.

Zuletzt kamen am Markt allerdings Sorgen auf, dass der Konsumgüterkonzern seine Jahresziele womöglich senken müsse. Ausgerechnet im Kosmetikgeschäft stagnierte nämlich im abgelaufenen Quartal der organische Umsatz. Marken wie Schwarzkopf, Syoss und Fa macht zunehmender Wettbewerbsdruck zu schaffen. Vor allem in Europa lief es abseits des deutschen Heimatmarkts nicht rund.

Henkel-Chef Hans Van Bylen lässt sich davon aber nicht aus der Ruhe bringen. Er geht nach wie vor davon aus, dass die Kosmetiksparte im Gesamtjahr ihre Ziele beim organischen Umsatz erreichen wird. Die Aktie bietet weiterhin eine solide Wachstumsstory.



Gewinner aus dem MDAX



Bei den Mid Caps haben drei Aktien unseren Ausleseprozess überstanden, im SDAX dagegen keiner. Zwar zeigte beispielsweise auch der Small Cap Grenke ein entsprechend nachhaltiges Wachstum, allerdings halten wir die Aktie auf dem aktuellen Niveau bereits für ausreichend bewertet. Potenzial verspricht dagegen Krones.

Der Weltmarktführer im Bereich Getränkeabfüllanlagen steigert sein Ergebnis je Aktie bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten unaufhörlich - wäre da nicht das Jahr 2009 gewesen. Die Finanzkrise sorgte bei den Bayern für das erste Verlustjahr seit 1951. Dennoch konnte der oberpfälzische Maschinenbauer unsere strengen Kriterien erfüllen.

Insgesamt errechnet sich zwischen 2010 und 2018 eine jährliche Gewinnsteigerung von satten 20,3 Prozent. Die Rekordserie sorgt auch für nachhaltige Dividendenzahlungen. Für das abgelaufene Geschäftsjahr wurde das 2,5-Fache im Vergleich zu 2008 - also vor dem Verlustjahr - ausgeschüttet. Für die Zukunft hat sich das Management in der Oberpfalz weiterhin viel vorgenommen. Die mittelfristige Planung sieht vor, die operative Rendite von derzeit sieben auf acht Prozent bis 2020 zu verbessern. Der Umsatz soll im gleichen Zeitraum um jährlich sieben Prozent zulegen.

Wachstum sowie eine hohe Profitabilität schreibt sich auch Symrise auf die Fahnen. Der weltweit führende Anbieter von Duft- und Geschmacksstoffen ist zuversichtlich, seine Erlöse mittelfristig um fünf bis sieben Prozent pro Jahr steigern zu können. Die Ebitda-Marge soll dabei in einer Bandbreite zischen 19 und 22 Prozent liegen. Für 2017 hat Symrise nach einem erfolgreichen ersten Halbjahr seine Renditeprognose angehoben. War zuvor von einer Marge von "rund 20 Prozent" die Rede, sind es nun "über 20 Prozent".

Vorstandschef Heinz-Jürgen Bertram liefert die Begründung gleich mit: "Das starke Wachstum resultiert aus unserer einzigartigen Aufstellung." Erreicht wird diese mitunter auch durch Übernahmen, wie der jüngste Zukauf von Cobell im lukrativen britischen Getränkemarkt zeigt. Das Unternehmen stellt natürliche Grundstoffe und Saftgrundlagen für die heimische Industrie her. Aber auch im Segment Nutrition feiert Symrise Erfolge. Mit individuellen Lösungen für die Lebensmittelhersteller sowie für den Heimtierbedarf erwirtschaftete die Sparte nach sechs Monaten einen operativen Gewinn von 71,6 Millionen Euro - 13,1 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.



"Unsere Ziele bleiben unverändert: Wir wollen weiterhin zu den am schnellsten wachsenden Unternehmen der Branche zählen und hochprofitabel wirtschaften", so Konzernlenker Bertram nach dem ersten Halbjahr.

Auch Fuchs Petrolub, ebenfalls aus dem MDAX, ist es gelungen, unsere Anforderung von acht Jahren durchgängigem Wachstum zu meistern. Im Schnitt bringt es der Spezialist für Schmierstoffe auf eine jährliche Ergebnisverbesserung von sieben Prozent. Bei der Dividende, die in diesem Zeitraum ebenfalls kontinuierlich zunahm, beträgt das Plus sogar 10,5 Prozent pro Jahr. Ein derartig positiver Trend wird an der Börse belohnt: Seit Anfang 2010 kletterte die im Auswahlindex enthaltene Vorzugsaktie um 350 Prozent empor. Das entspricht einer langfristigen Outperformance gegenüber dem MDAX von mehr als 100 Prozent.

Kurzfristig zeigt sich ein vergleichbares Bild. Mit einem Zuwachs von mehr als einem Fünftel seit dem Jahreswechsel rangiert die Aktie acht Prozentpunkte vor dem Gesamtmarkt. Der Anstieg ist fundamental untermauert: "Wir haben unsere Ziele beim Ergebnis erreicht und beim Umsatz übererfüllt", lautet das Fazit des Vorstandsvorsitzenden Stefan Fuchs nach sechs Monaten.

In Zahlen ausgedrückt legte der Umsatz um ein Zehntel zu, das Ergebnis um vier Prozent. Dies zog eine Korrektur der Jahresprognose nach sich - und zwar nach oben. Anstatt mit einem Erlösplus von vier bis sechs Prozent rechnet Fuchs nun mit einer Verbesserung zwischen sieben und zehn Prozent. Beim operativen Ergebnis bleibt der Manager noch etwas vorsichtig und hält an den alten Zielen von einer Steigerung zwischen einem und fünf Prozent fest.



Wachstumsstarke Nebenwerte



"Nicht kleckern, sondern klotzen" lautet das Motto bei Technotrans. Das bei der Kühlung oder auch Filtration auf Flüssigkeitentechnologien spezialisierte Unternehmen schraubte nach der Hälfte des Jahres gleich beide Zielwerte für das Gesamtjahr nach oben. Die Umsatzprognose wurde von 185 bis 195 Millionen Euro auf 203 bis 208 Millionen Euro angehoben, der operative Gewinn soll neu eine Bandbreite zwischen 16 und 17 Millionen Euro erreichen (bisher zwölf bis 14 Millionen Euro).Synchron mit dem starken Wachstum in 2017 geht es auch mit dem Aktienkurs gen Norden.

Seit Jahresbeginn hat sich der im Prime Standard notierte Titel mehr als verdoppelt. Trotz dieser Rally ist die Aktie mit einem 2018er-KGV von rund 26 noch nicht zu teuer. In diesem Jahr erwartet der Konsens - angetrieben durch eine Akquisition - eine Profit-steigerung von stolzen 48 Prozent, 2018 wird mit einer weiteren Verbesserung um knapp 17 Prozent gerechnet. Die Wachstumsstory ist auch darüber hinaus intakt. Allein die organische Wachstumsrate beziffert das Unternehmen bis 2020 auf durchschnittlich fünf bis sechs Prozent jährlich. Mögliche Übernahmen kommen noch "on top".

Durch Zukäufe wachsen, das steht auch bei KPS auf der Agenda. Die Münchner Unternehmensberatung verleibte sich im abgelaufenen Quartal die spanische ICE Consultants Europe, einen führenden SAP-Beratungspartner, ein. Das Unternehmen soll eine KPS ebenbürtige Ebit-Marge sowie eine vergleichbare Wachstumsdynamik aufweisen. Darüber hinaus verschafft ICE seiner neuen Muttergesellschaft Zugang in neue Branchen wie den Automotive- und Pharmabereich. "Wir erwarten, dass die langfristige Wachstumsdynamik der KPS durch die Übernahme noch weiter gestärkt wurde," erklärt GBC-Analyst Matthias Greiffenberger.

Für das aktuelle Geschäftsjahr 2016/2017 (30. September) plant das Unternehmen mit einem Umsatzplus von einem Zehntel sowie einem überproportionalen Anstieg des operativen Ergebnisses um zwölf Prozent. Mit Blick auf die Zahlen für die ersten neun Monate wirkt die Prognose äußerst konservativ, da damit für das vierte Quartal nur eine Stagnation der Geschäfte unterstellt wird. Folglich besteht eine realistische Chance, dass KPS positiv überraschen wird. Wie auch immer: Die langfristige Wachstumsstory der Münchner bleibt so oder so intakt. Derzeit errechnet sich ein beachtliches durchschnittliches Ergebnisplus zwischen 2010 und 2018 von 34,8 Prozent.











Auf Seite 8: Interview: Gewinn ist zentraler Treiber für Kurse





Gewinn ist zentraler Treiber für Kurse



Portfoliomanager Marcus Ratz von Lupus alpha erklärt, wie der Markt aktuell bewertet ist und warum der Ergebnisentwicklung eine so wichtige Rolle an der Börse zufällt.

Auf der Suche nach dem Idealtypus einer Kapitalanlage stürzen sich Investoren gern auf günstig bewertete Aktien. Doch das allein reicht nicht. Um einen langfristigen Anlageerfolg zu erzielen, sind eine solide Bilanz sowie ein nachhaltiges Umsatz- und Gewinnwachstum unverzichtbar. Das weiß auch Marcus Ratz von Lupus Alpha. Der Fondsmanager verantwortet den Lupus alpha Smaller Euro Champions (ISIN: LU 012 923 244 2), der in die aussichtsreichsten Small & Mid Caps der Eurozone investiert. Bei seiner Titel-auswahl verfolgt er den Bottom-up-Ansatz, also eine Strategie, bei der erst das Unternehmen ausführlich analysiert wird und dann die Branche und die Märkte.

Im Idealfall verfügen die Unternehmen seiner Ansicht nach über stabile Dividenden und nachhaltiges Ergebniswachstum. Mit derartigen Qualitätstiteln, die mehrheitlich aus Deutschland kommen, ist Ratz eine langfristige Outperformance gelungen. Seit Auflage im Jahr 2001 errechnet sich für den Fonds ein jährliches Plus von 9,6 Prozent, der Euro Stoxx TMI Small Return Index liegt dagegen knapp einen Prozentpunkt dahinter.

Börse Online: Herr Ratz, der DAX ist nun bereits seit mehreren Jahren auf Rekordjagd. Passen die Gewinnentwicklungen der deutschen Unternehmen mit der Kursrally noch zusammen?


Marcus Ratz:

Die Bewertungen der Unternehmen sind trotz der steigenden Aktienkurse auf einem gesunden Niveau. Denn die Gewinne der Unternehmen befinden sich immer noch im Einklang mit der Entwicklung der Aktienmärkte. Die Bewertungen auf der Basis des Buchwerts hingegen sind angestiegen. Das liegt daran, dass die Unternehmen ihre Profitabilität steigern konnten.

Bedrohen aktuelle Entwicklungen wie der Anstieg des Eurokurses oder fortschreitender Protektionismus das Gewinnwachstum?


Die aktuelle Stärke des Euro ist vor allem für die exportierenden Unternehmen eine He-rausforderung, die ihre Wettbewerber im Dollarraum haben. Das gilt zum Beispiel für den deutschen Maschinenbau. Auf der anderen Seite stehen die Unternehmen, die Waren importieren. Gerade Firmen im Bereich der Bekleidungsindustrie oder der Elektronikbranche profitieren derzeit von der Schwäche des US-Dollar. Das Thema Protektionismus wirkt sich am stärksten auf lokale Industrien einzelner Länder aus. So wird etwa die Stahlbranche in Europa dadurch vor Importen aus Asien geschützt.

Welchen Einfluss hat die Gewinnentwicklung der Unternehmen generell auf den Verlauf der Aktienkurse?


Die Gewinnentwicklung der Gesellschaften ist der zentrale Treiber für die Aktienkurse. Beide Komponenten spiegeln sich im Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) wider. An den Märkten wird allerdings in erster Linie die Zukunft von Unternehmen gehandelt. Deshalb ist die erwartete, also die zukünftige Ergebnisentwicklung, für die Beurteilung des Kurs-Gewinn-Verhältnisses so wichtig. Je nachdem, wie hoch das künftige Wachstum ausfällt, sind dann durchaus auch höhere Bewertungen gerechtfertigt.



Auf welches Wachstum sollten Anleger ihren Fokus legen, das vergangene oder das zu erwartende?


Vergangenes Wachstum hat den Vorteil, dass es klar nachvollziehbar ist. Alle Fakten liegen auf dem Tisch. Die vergangene Entwicklung kann Anlegern jedoch nur eine gewisse Indikation für die Zukunft geben. Unternehmen können sich nach vorn hin stark verändern, beispielsweise durch die Verlagerung der Produktion in Niedriglohnländer. Gleiches gilt für externe Faktoren. Dazu zählen die digitale Transformation oder neue regulatorische Vorschriften, die ganze Geschäftsmodelle verändern. Die Börse schaut vor allem auf das zu erwartende Wachstum. Nur leider ist dies eine recht unsichere Variable, weil sie ausschließlich auf Annahmen basiert. Insofern ist es für Investoren wichtig, die Unternehmensentwicklung sehr eng zu verfolgen.

Welche grundsätzlichen Faktoren zeichnen Ihrer Meinung nach Wachstumswerte aus?


Es gibt zyklische und strukturelle Wachstumswerte. Während die zyklischen Werte temporär und damit nicht nachhaltig sind, verhält es sich bei den strukturellen genau umgekehrt. Daher sollten Anleger mit einem langfristigen Investmenthorizont eher auf strukturelle Faktoren achten.

Die Dividendenzahlungen sind eng mit einem nachhaltigen Ergebniswachstum verbunden. Wie entscheidend sind diese beiden Faktoren für den Attraktivitätsgrad einer Aktie?


Wichtig für die Dividendenzahlungen ist, dass sie aus dem Cashflow und nicht aus der Substanz des Unternehmens gezahlt werden. Ideal ist es, wenn bei Unternehmen stabile Dividenden und nachhaltiges Ergebniswachstum zusammenkommen. Denn dies zahlt sich für Anleger in der Regel in Form einer besseren Performance als der Marktdurchschnitt aus. Als Anleger kann man jedoch auch auf eine Dividendenzahlung verzichten, wenn das Geld sinnvoll und wertsteigernd in das Unternehmen reinvestiert werden kann.

Wie kann ein Unternehmen nachhaltiges Wachstum erzielen?


Nachhaltiges Wachstum lässt sich am einfachsten erreichen, wenn Unternehmen Teil einer prosperierenden Branche sind und permanent an ihrer Marktposition und Produktentwicklung arbeiten. So lassen sich wichtige Wettbewerbsvorteile erzielen.

Gibt es bei der Gewinnentwicklung branchenspezifische Unterschiede?


Ja, es gibt branchenspezifische Unterschiede. Je nachdem, ob es sich um zyklische oder um strukturelle Wachstumswerte handelt.

Was müssen Anleger generell beachten, wenn sie sich auf die Suche nach einer Wachstumsaktie machen möchten?


Aus meiner Sicht kommt es dabei auf zwei Faktoren an: steigende Dividendenzahlungen und kontinuierliche Investitionen in das eigene Geschäftsmodell. Daneben sollten Anleger die Marktposition und die Innovationskraft der Firmen unter die Lupe nehmen.