Wenn Jürgen Fitschen am 28. April auf der Anklagebank im Münchner Gerichtssaal B 273 Platz nimmt, steht für ihn sehr viel auf dem Spiel: seine Reputation, seine Karriere als Co-Chef der Deutschen Bank und als Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, womöglich seine Freiheit. Bis zu zehn Jahre Gefängnis drohen dem 66-Jährigen, falls sich der Vorwurf der Anklage erhärtet - versuchter schwerer Betrug im jahrelangen Rechtsstreit mit Medienmogul Leo Kirch.

Der Prozess vor dem Landgericht München ist nicht nur für Fitschen bedrohlich. Für Deutschlands führendes Geldhaus kommt er zur Unzeit. Denn das Institut steht wahrscheinlich vor dem größten Umbau seiner Geschichte und braucht dafür die komplette Führungsmannschaft. Aller Voraussicht nach wird die neue Strategie ebenfalls Ende April verkündet. Doch wenn es dann an die Umsetzung geht, wird Fitschen einmal pro Woche sein Büro mit dem Gerichtssaal tauschen. Bis September sind vorerst 16 Verhandlungstage angesetzt. Ob das reicht, ist offen.

Fitschen will kämpfen. "Ich habe weder belogen noch betrogen", betont der Banker. Vertrauten zufolge hat er einen Deal mit der Staatsanwaltschaft ausgeschlagen, bei dem er möglicherweise mit einer Geldbuße davongekommen wäre. An Fitschens Seite steht Hanns Feigen, einer von Deutschlands renommiertesten Strafverteidigern, der schon den früheren FC-Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß vertreten hat. Ins Gefängnis musste Hoeneß wegen Steuerhinterziehung trotzdem.

Obwohl sich das Gericht auf einen Verhandlungstag pro Woche beschränkt, strapaziert das Verfahren Fitschens Terminkalender. Am Tag nach dem Prozessauftakt steht die Veröffentlichung der Quartalszahlen an.

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KANN DAS GUTGEHEN?

Im Aufsichtsrat wird schon debattiert, ob das überhaupt gutgehen kann, wie Insider berichten. Kann sich einer der beiden Bankchefs in solch turbulenten Zeiten regelmäßig ausklinken? Chefkontrolleur Paul Achleitner steht noch fest zu Fitschen, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Auch die Finanzaufseher haben - bislang - keine Bedenken. Allerdings ist offensichtlich: Die Politik geht auf Distanz. Als der Bankenverband mit Fitschen unlängst in Berlin Hof hielt, blieben hochkarätige Gäste aus dem Finanzministerium oder der Koalition fern. Die Bank verweist auf die Unschuldsvermutung, die für Angeklagte gilt.

Neben Fitschen müssen sich seine Vorgänger Josef Ackermann und Rolf Breuer sowie zwei weitere Ex-Vorstandsmitglieder verantworten. Sie alle sollen das Münchner Oberlandesgericht belogen haben, um Kirchs Schadenersatzforderungen ins Leere laufen zu lassen. Ackermann stand bereits vor elf Jahren im Mannesmann-Prozess unter Anklage. Seine Victory-Geste im Gericht gilt Kritikern bis heute als Sinnbild für überhebliche Banker. Breuer saß in München schon einmal wegen Betrugsvorwürfen im Kirch-Streit vor Gericht. Beide Prozesse wurden gegen Geldauflagen eingestellt.

Prominent besetzt ist auch die Richterbank: Der Vorsitzende der fünften Strafkammer, Peter Noll, führte die spektakulären Korruptionsprozesse gegen Formel-1-Chef Bernie Ecclestone und den früheren BayernLB -Vorstand Gerhard Gribkowsky wegen ihrer Absprachen beim Besitzerwechsel der Motorsportserie.

Kirch, der 2011 starb, hatte der Deutschen Bank die Schuld an der Pleite seiner Mediengruppe gegeben, nachdem Breuer öffentlich Zweifel an seiner Kreditwürdigkeit gesät hatte. Aus Kirchs Sicht wollte die Bank an der Zerschlagung des Imperiums verdienen. Die Banker wiesen diese Darstellung zurück. Doch der damalige Richter Guido Kotschy warf ihnen unwahre Angaben vor, rief damit die Staatsanwaltschaft auf den Plan und verurteilte das Institut zu Schadenersatz. Bevor Kotschy ein zweites Urteil über die Summe fällte, einigte sich die Bank mit Kirchs Erben und zahlte ihnen 925 Millionen Euro. Kotschy ist nun ein wichtiger Zeuge, ebenso wie Staatsanwältin Christiane Serini. Sie ließ zweimal die Konzernzentrale der Deutschen Bank durchsuchen. Die Münchner Strafverfolger gelten in Wirtschaftsverfahren bundesweit als besonders hartnäckig.

Reuters