Fitschen kann sich damit auf der Hauptversammlung im Mai mit weißer Weste in den Ruhestand verabschieden. "Das Urteil ist so, wie ich es von Anfang an erwartet habe", sagte der 67-Jährige, der den Chefposten künftig seinem Amtskollegen John Cryan allein überlässt. Der Prozess war das letzte große Gerichtsverfahren, in das die Bank im Zusammenhang mit dem Kollaps des Medienimperiums von Leo Kirch vor 14 Jahren verwickelt war. Kirch, der 2011 starb, machte die Bank für die Pleite verantwortlich, weil sich deren damaliger Chef Breuer in einem Interview kritisch über Kirchs Kreditwürdigkeit geäußert hatte.
Fitschen, Ackermann, Breuer und zwei weitere Ex-Vorstände der Bank standen seit 28. April 2015 vor Gericht. Die Anklage warf den Bankern versuchten Betrug in einem Schadenersatzprozess vor, den der Medienunternehmer Leo Kirch gegen das Institut geführt hatte. Die Manager hätten versucht, das damalige Gericht hinters Licht zu führen, um ein Schadenersatzurteil abzuwenden. Die Staatsanwaltschaft hatte bis zuletzt an diesem Vorwurf festgehalten und Freiheitsstrafen gefordert. Die Verteidiger plädierten auf Freispruch.
"EIN GANZ NORMALER VORGANG"
Dennoch ist sich die Anklagebehörde noch nicht sicher, ob sie gegen das Urteil Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) einlegt. "Jetzt müssen wir uns überlegen, ob wir in eine weitere Instanz gehen", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. "Ob wir jetzt bei unserer Bewertung bleiben, das müssen wir uns überlegen." Traditionell hebt der BGH Urteile der Vorinstanzen nur selten wieder auf. In einem Revisionsverfahren sammelt das oberste Bundesgericht keine neuen Beweise, sondern klärt lediglich, ob das Landgericht rechtlich sauber gearbeitet hat.
Richter Noll, der die Staatsanwaltschaft während des Verfahrens noch überraschend deutlich kritisiert hatte, nahm die Strafverfolger bei der Urteilsverkündung in Schutz. Angesichts der Vorwürfe gegen die Banker, die zuerst ein Richter im Schadenersatzstreit erhoben habe, habe es durchaus Anlass für Ermittlungen und für den Strafprozess gegeben, sagte Noll. Dies sei "ein rechtsstatliches Verfahren, für das sich niemand schämen muss. Das war unausweichlich." Doch im Lauf der 35 Verhandlungstage habe sich gezeigt: "Je näher man kam, je genauer man hingeschaut hat, umso kleiner wurden die Vorwürfe. Und am Ende war es ein ganz normaler Vorgang." Noll sprach von einem "Scheinriesen" wie der Figur des Herrn Tur Tur aus dem Kinderbuch "Jim Knopf".
Noll sagte, für die Verschwörungstheorie, die die Staatsanwaltschaft den Bankern unterstelle, gebe es keine Anhaltspunkte. Nach Ansicht der Strafverfolger sollen die Banker 2002 die Kirch-Gruppe in die Pleite getrieben haben, um später an der Zerlegung des Medienkonzerns zu verdienen. Beginn des Plans sei ein Interview Breuers gewesen, in dem dieser Kirchs Kreditwürdigkeit angezweifelt hatte. Darüber hätten sie das damalige Gericht täuschen wollen. "Die Beweisaufnahme hat hier keinen Hinweis darauf gegeben, dass die Angeklagten ein Mandat angestrebt haben", sagte dagegen Strafrichter Noll.
RICHTER: MÜSSEN ANGABEN DER BANKER GLAUBEN
Was die Banker im einzelnen in einer Vorstandssitzung Ende Januar 2002 besprochen hätten, sei nicht mehr restlos aufzuklären, sagte Noll. Deshalb müsse das Gericht den Angaben der Banker glauben, die eine Verschwörung gegen Kirch stets bestritten haben. "Unschuldsvermutung heißt, dass ich die Beweise, die ich habe, im Lichte der vermuteten Unschuld anschauen muss", sagte Noll. Es sei unzulässig, die vorliegenden Informationen zu Ungunsten der Angeklagten auszulegen. Dass die Banker im Schadenersatzprozess für ihren Vorteil gekämpft hätten, sei ihnen nicht anzulasten. "Dass man natürlich versucht hat, sich in einem besseren Lichte darzustellen, ist völlig klar, aber nicht strafbar."
Der Strafprozess gegen Fitschen hatte kurz vor dem Abschluss noch eine überraschende Wendung genommen. Als die Staatsanwaltschaft eine neuerliche Durchsuchung der Bank beantragte, ließ das Landgericht bereits vor dem Urteil kein gutes Haar an der Anklage: Die Vorwürfe gegen die Banker träfen nicht zu, deshalb gebe es auch keinen Grund für eine Durchsuchung. Vergeblich schaltete die Staatsanwaltschaft das Oberlandesgericht ein - auch dort blitzten die Ankläger mit ihrem Durchsuchungsbegehren ab.
Reuters