Der Kuchen ist wegen der strengeren Regulierung nach der Finanzkrise nicht nur insgesamt kleiner geworden. Die europäischen Banken kommen auch schwerer heran, weil ihnen die Konjunktur - anders als den US-Konkurrenten - keinen Aufwind verleiht. Bis sich die Euro-Zone wieder fängt, heißt es durchhalten und zumindest keine Marktanteile verlieren. 2015 wird das nicht anders sein. Die Frage ist, wie lange die Deutsche Bank das aussitzen kann. Eine Wachstumsstory sieht anders aus, mosern die ersten Großinvestoren.
"Die Musik spielt derzeit in den USA, das bremst die Deutsche Bank", klagt einer der zehn größten Aktionäre. "Sie steckt aber auch wegen hausgemachter Probleme in einem Dilemma. Wegen der vielen Rechtsstreitigkeiten und drohenden Strafen muss sie ständig gucken: Wieviel Kapital habe ich noch? Da kann man nicht einfach durchstarten wie die US-Rivalen." Seit 2012 haben die Frankfurter für Strafen und Vergleiche mehr als sechs Milliarden Euro ausgegeben. Weitere drei Milliarden sind im Moment zur Seite gelegt, und nach Einschätzung von Insidern dürfte die Vorsorge eher noch steigen. Mit einer harten Kernkapitalquote von 11,5 Prozent sieht sich das Geldhaus derzeit aber gut kapitalisiert.
Über das schwierige Konjunkturumfeld in Europa macht man sich im Konzern dagegen keine Illusionen. Im Moment heiße die Devise im Investmentbanking: in der Krise eine schlagkräftige Truppe formen und sparen, berichten Insider. "Wir setzen nicht darauf, dass die Erträge großartig anziehen. Wenn das doch passiert, wäre das ein nettes Extra." Die Kosten müssen runter. Nicht unbedingt durch einen radikalen Jobabbau in der Sparte mit ihren gut 25.000 Mitarbeitern. Aber Geschäftsbereiche, die nicht genug abwerfen oder zu viel Kapital fressen, werden zurückgebaut - zuletzt etwa der Handel mit Edelmetallen oder das Geschäft mit Kreditderivaten (CDS).
Jain setzt stattdessen mehr denn je auf die wichtigste Domäne des Geldhauses: den Anleihehandel. Er spekuliert auf höhere Margen, wenn es hier nach dem Rückzug wichtiger europäischer Konkurrenten weniger Mitspieler gibt. Einziges Problem: So lange die Notenbanken rund um den Globus an ihrer Nullzinspolitik festhalten und keine Möglichkeiten für lukrative Wetten bieten, bleiben viele Investoren an der Seitenlinie.
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KNAPP HINTER DER WELTSPITZE
Hoffnung schöpft Investmentbanking-Chef Colin Fan im Moment aus etwas anderem, wie er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters betont: Dass renditehungrige Anleger gerade in Europa immer stärker auf riskantere Anlagen schielen - Aktien etwa oder Hochzinsanleihen. "Alles Bereiche, in denen wir zu den Top-Anbietern zählen", betont er.
Reicht das, um sich dauerhaft einen Platz an der Weltspitze zu sichern? In den von Thomson Reuters zusammengestellten Ranglisten ("League Tables") der großen Investmentbanken hat sich die Deutsche Bank zwar hochgearbeitet: Bezogen auf die insgesamt kassierten Gebühren im globalen Investmentbanking liegt sie kurz vor dem Jahresende 2014 auf dem sechsten Platz, nach Platz acht im Jahr 2007. In der Top-5-Spitzengruppe, also der berühmten Handvoll, sind aber allesamt US-Institute - angeführt vom Branchenprimus JP Morgan, der in den vergangenen Jahren ohne Unterbrechung auf dem Thron stand.
Eines fällt allerdings auch auf: Während fast alle US-Banken ihren "Share of Wallet", also ihren Anteil am Erlöstopf, sinken sehen, hält ihn die Deutsche Bank im Vergleichszeitraum zumindest stabil. Und nach Daten des Analysehauses Coalition zählen die Frankfurter in ihrer Lieblingsdomäne, dem Handel mit Anleihen, Devisen und Rohstoffen (FICC), schon heute zu den Top-3 hinter JP Morgan und Citi.
Diese Position zu halten, frisst viel Kapital auf. Der britischen Großbank Barclays ist das Wettrennen angesichts der anhaltenden Marktflaute zu teuer geworden. Sie verkleinert die Sparte deutlich. Und auch die Schweizer UBS hat das Geschäft zurückgefahren und beschränkt sich hier künftig lieber auf eine reine Maklerrolle für den Kunden. Scope-Analyst Jacques-Henri Gaulard glaubt, dass die Deutsche Bank ganz ordentliche Chancen hat - wenn der Atem lange genug reicht: "Sie wollen in einem Markt bleiben, aus dem sich andere verabschieden. Das ist eine schwierige Strategie, aber irgendwie auch eine gute."
Eine schnelle Belebung der Geschäfte ist indes nicht in Sicht. Die Experten von Coalition gehen davon aus, dass die Branchen-Einnahmen im gesamten Kapitalmarktgeschäft 2014 auf 257 Milliarden Dollar fallen - vier Prozent weniger als 2013 und sogar 27 Prozent weniger als im Boomjahr 2009.
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EINE KAMPFANSAGE
Manche sehen in der Berufung von Marcus Schenck als neuen Finanzchef der Deutschen Bank eine Kampfansage an die Konkurrenz. Finanzkreisen zufolge hat ihn Aufsichtsratschef Paul Achleitner an Bord geholt - beide Männer kennen sich aus ihrer Zeit beim Erzrivalen Goldman Sachs. "Mit Jain und Schenck ist die Deutsche Bank wieder eine Investmentbank wie in den besten Zeiten vor der Finanzkrise", heißt es von einem Großaktionär des Geldhauses. "Das macht uns etwas Sorge." Das in den vergangenen Jahren sorgsam austarierte Gleichgewicht zwischen dem schwankungsanfälligen Kapitalmarktgeschäft auf der einen Seite und dem Privatkundengeschäft und der Vermögensverwaltung auf der anderen Seite dürfe nicht einfach aufgegeben werden.
In den ersten neun Monaten 2014 steuerte die Investmentbank die Hälfte zum bereinigten Vorsteuergewinn im Konzern bei - die übrigen Bereiche zusammen mit dem Zahlungsverkehr die andere Hälfte. Trotzdem ist einigen Investoren das Investmentbanking des Geldhauses schon heute zu übermächtig. Fondsmanagerin Andrea Williams von Royal London Asset Management zum Beispiel legt sich trotz der überaus günstigen Bewertung keine Deutsche-Bank-Aktien ins Depot, sondern bevorzugt stattdessen UBS oder Credit Suisse. Denn bei den Schweizer Großbanken gebe es mit einer überaus starken Vermögensverwaltung ein überzeugendes Sicherheitsnetz, erklärt sie.
Die Kursentwicklung zeigt ein massives Vertrauensproblem: Seit dem Amtsantritt von Jain und seinem Co-Chef Jürgen Fitschen am 1. Juni 2012 hat die Deutsche-Bank-Aktie gerade einmal vier Prozent zugelegt - der europäische Bankenindex dagegen kletterte im selben Zeitraum um fast 70 Prozent.
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"DA KOMMT NICHTS AN"
Womit die Deutsche Bank im Moment auf breiter Front enttäuscht, am meisten wohl sich selbst, das ist die Eigenkapitalrendite. Nach Steuern lag sie per Ende September wegen der vielen Sonderbelastungen bei weniger als drei Prozent - 2016 sollen es etwa zwölf Prozent sein. Die Bank hofft weiter, dass bis dahin der größte Teil der Rechtsstreitigkeiten abgearbeitet ist und nicht mehr negativ durchschlägt. Verwässernd wirkten in diesem Jahr auch die Kapitalmaßnahmen im Volumen von insgesamt 13 Milliarden Euro, mit denen sich das Institut insbesondere bei der absoluten Verschuldungsquote (Leverage Ratio) über die Mindestschwelle von drei Prozent hievte. Im Moment sind es 3,3 Prozent, Ende 2015 sollen es 3,5 Prozent sein.
Investoren haben beim Zeitplan grundsätzliche Zweifel. "Ich glaube nicht, dass sie ihr Renditeziel bis dahin schaffen", sagt ein weiterer Top-10-Aktionär des Geldhauses. "Dafür hätte sich der Markt längst erholen müssen." Die neu aufgestellte UBS kommt schon heute auf eine Rendite von rund sieben Prozent, JP Morgan gar auf zehn Prozent. Was den Großaktionär aber noch mehr ärgert, das ist die nicht vorhandene Aussicht auf eine höhere Dividende. "Es ist extrem frustrierend. Da kommt nichts an."
Reuters