In einem Brief an die Belegschaft verwies der seit Juli 2015 amtierende Vorstandschef darauf, dass das Umfeld noch einmal schwieriger geworden sei: "Wir werden deshalb unseren Umbau beschleunigen und noch verstärken müssen, wie wir es ja zum Halbjahr schon angedeutet haben." Details ließ der Brite offen. Doch im Aufsichtsrat werden bereits Szenarien diskutiert, wie Insider berichten. Dazu zählt unter anderem eine Vollintegration des Ladenhüters Postbank.
Die Investoren nehmen die Signale wohlwollend zur Kenntnis. "Wenn die größten Rechtsstreitigkeiten bis Anfang 2017 geklärt sind und es eine überzeugende Nachjustierung der Strategie gibt, dann könnte der Bank auch eine weitere große Kapitalerhöhung gelingen", sagt einer der zehn größten Aktionäre zu Reuters. "Man müsste das in einem Zug machen. Und aus Investorensicht gäbe es dann nicht mehr die Sorge, dass das Geld gleich wieder für Vergleiche ausgegeben wird."
AUF DEM FALSCHEN FUSS ERWISCHT
Bis es so weit ist, bleiben die Anleger in Deckung: Die Deutsche-Bank-Aktie gab anfängliche Gewinne schnell wieder ab. Analysten lobten die steigenden Erträge und den Nettogewinn von 278 Millionen Euro, im Schnitt war ein Verlust von 600 Millionen erwartet worden. Die Kosten sinken langsam, denn der vor einem Jahr angekündigte Abbau von weltweit 9000 Stellen hat begonnen. In der Bankführung hält man weitere 10.000 Jobs für verzichtbar.
Der Kapitalpuffer wurde über die Sommermonate etwas dicker. "Heute dürften all diejenigen, die die Abwicklung der Deutschen Bank schon als ausgemachte Sache sahen, auf dem falschen Fuß erwischt werden", schrieben die Analysten der LBBW. Dennoch: Die Liquiditätsreserven der Deutschen Bank sind im dritten Quartal um 23 Milliarden auf 200 Milliarden Euro gesunken.
Vor einem Jahr hatte noch ein Verlust von sechs Milliarden Euro zu Buche gestanden, nachdem Cryan als erste Amtshandlung Abschreibungen durchdrückte. Seither baut er den Konzern um und versucht, den riesigen Berg an Altlasten abzutragen. Der Streit mit den US-Behörden über den Verkauf fauler Hypothekenpapiere vor der Finanzkrise ist einer der größten Brocken. Hier drohen die USA mit einer Strafe von 14 Milliarden Dollar, die die Bank deutlich herunterhandeln will. Sie stockte die Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten nur um 400 Millionen auf 5,9 Milliarden Euro auf - und die Hypotheken waren Insidern zufolge nicht der Grund dafür.
Es gibt noch andere große Fälle: der Geldwäsche-Skandal in Russland, die mutmaßlichen Verstöße gegen Iran-Sanktionen und Tricksereien auf dem billionenschweren Devisenmarkt. Die Bank hofft, alle diese Themen bis Mitte März abzuschließen - dann könnten sie noch 2016 gebucht werden - für Cryan ohnehin ein Sanierungsjahr, das er längst abgeschrieben hat.
Auf Seite 2: Millionäre laufen davon
MILLIONÄRE LAUFEN DAVON
Das Tagesgeschäft zeigte sich robuster als gedacht. Gut die Hälfte des Vorsteuergewinns von 600 Millionen Euro entfiel auf den wichtigen Wertpapierhandel. Insbesondere das Geschäft mit Anleihen boomte, denn die Volatilität an den Märkten war nach dem Brexit-Votum hoch. Die Bank verbuchte im Anleihehandel ein Ertragsplus von 14 Prozent, reichte damit aber nicht an die großen US-Rivalen heran. Cryan betrachtet den Handel weiter als Kerngeschäft. Weil die Erträge aber unberechenbar sind, könnte er den Anleihehandel in einer neuen Sparrunde weiter stutzen. Viele europäische Großbanken haben das schon getan.
Die britische Barclays, die neben der Deutschen Bank als Nachzügler gilt, gehört nicht dazu. Auch Barclays hatte dank des Handels ein überraschend starkes Quartal. Vorstandschef Jes Staley sieht sich darin bestätigt, dass eine reine Fokussierung auf das Firmen- und Privatkundengeschäft, wie von einigen Investoren gefordert, nicht nötig ist.
Die Deutsche Bank verdiente auch mit der der Fusionsberatung und in der Unternehmensfinanzierung gut, im Privatkundengeschäft und der Vermögensverwaltung standen ebenfalls schwarze Zahlen zu Buche. Allerdings zogen die Kunden allein in der privaten Vermögensverwaltung neun Milliarden Euro ab, das meiste davon nach dem Bekanntwerden der Milliardenforderung aus den USA. Im institutionellen Fondsgeschäft flossen weitere acht Milliarden ab. Da die Bank insgesamt 1,1 Billionen Euro für ihre Kunden verwaltet, ist das ein Minus von eineinhalb Prozent in wenigen Wochen.
Der Vertrauensverlust zieht weitere Kreise: Im September war bekannt geworden, dass Hedgefonds Gelder von der Bank abziehen. Insidern zufolge gehen nun auch die ersten Firmenkunden in der Transaktionsbank auf Abstand. Nach einem Bericht der "Financial Times" wacht die britische Notenbank mit Argusaugen darüber, wie groß das Engagement der heimischen Geldhäuser bei der Deutschen Bank ist.
rtr