Eine Fokussierung auf den Heimatmarkt sei keine Option, denn Deutschland sei eine Exportwirtschaft. "Warum sollte man sich da einen Bankensektor leisten, der nur national ausgerichtet ist?" Die Deutsche Bank habe mit ihrem internationalen Kapitalmarktgeschäft die Möglichkeit, Firmen ins Ausland zu begleiten. Daran werde das Institut festhalten, um nicht der US-Konkurrenz das Feld zu überlassen, betonte Jain, der jahrelang das Investmentbanking im Konzern geleitet hat. Auch in der Politik habe er bislang nicht den Wunsch wahrgenommen, dass sein Haus in dieser Hinsicht umsteuern müsse.

Die Deutsche Bank ist gerade dabei, eine grundsätzliche Standortbestimmung vorzunehmen und tüftelt an neuen Zielen. Ergebnisse sollen im zweiten Quartal präsentiert werden. Finanzkreisen zufolge gibt es dabei intern keine Denkverbote, denn wegen der anhaltenden Renditeschwäche wird das Murren der Großinvestoren immer lauter. Sie sind besonders gespannt, wie künftig die "Machtverteilung" zwischen Investmentbanking und Privatkundengeschäft ausfallen soll. Insidern zufolge hat die Bank auch eine Abspaltung des Privatkundengeschäfts rund um die Postbank durchgespielt, möglicherweise über einen Börsengang. Entscheidungen seien bislang aber nicht gefallen. Generell gilt eine neue Sparrunde als wahrscheinlich.

Das Investmentbanking wirft in guten Zeiten das meiste Geld ab, während die in Europa zementierten Mini-Zinsen das Privatkundengeschäft belasten. Allerdings hat die Regulierung viele Bereiche des Kapitalmarktgeschäfts auch deutlich teurer gemacht. Je kleiner die Bilanz, desto weniger Eigenkapital wird benötigt - insbesondere mit Blick auf die absolute Verschuldungsquote (Leverage Ratio). Etliche Geldhäuser in Europa treten deshalb den Rückzug an und fahren das Investmentbanking zurück - Beispiele sind etwa Barclays, Royal Bank of Scotland oder die UBS . Auch bei der Credit Suisse erwarten Beobachter nach dem überraschenden Chefwechsel eine Verschlankung der einst so mächtigen Sparte.

Jain dagegen argumentiert, gerade der Rückzug der Rivalen biete der Deutschen Bank Chancen, denn sie könne in diese Lücken vorstoßen. Andernfalls würden die US-Institute nur noch stärker. "Natürlich können wir hier ein weiteres US-Monopol zulassen - ähnlich wie beim Internet", bekräftigte er nun. Die Fakten sprächen aber dagegen. Denn Europa könne nur auf den Wachstumspfad zurückkehren, wenn sich die Unternehmen weniger abhängig von Bankkrediten machten und ihre Finanzierung auf eine breitere Basis stellten. Der Kapitalmarkt mit seiner weiten Bandbreite an Produkten spiele hier eine wichtige Rolle.

Auch einer der größten Deutsche-Bank-Aktionäre, der Vermögensverwalter Blackrock, hatte die Strategiedebatte unlängst in Richtung Kapitalmarktgeschäft gelenkt. Dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" sagte Blackrock-Chef Larry Fink, der als enger Vertrauter von Jain gilt: "Ich denke, dass es auch in Europa Banken geben sollte, die ihre Kunden weltweit begleiten." Blackrock ist weltweit an vielen Großunternehmen beteiligt, meldet sich aber äußerst selten öffentlich zu Wort, sondern bevorzugt normalerweise den Dialog hinter verschlossenen Türen.

Reuters