Früher haben bei der Hauptversammlung der Deutschen Bank vor allem Kapitalismuskritiker und Umweltschützer protestiert. Das hat sich in den vergangenen Jahren, in denen Deutschlands größtes Geldhaus in erster Linie mit Skandalen und Milliarden-Strafen für Schlagzeilen sorgte, geändert. Inzwischen kommt die schärfste Kritik von den eigenen Aktionären. 2015 war ihr Unmut so groß, dass die Vorstandschefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen wenig später ihren Rückzug ankündigten.

Beim Aktionärstreffen in diesem Jahr, das am Donnerstag in der Frankfurter Festhalle stattfindet, muss sich vor allem der Aufsichtsrat auf Gegenwind einstellen. Eine Aktionärin hat vier Sonderprüfungen beantragt, die unter anderem vom einflussreichen US-Aktionärsberater Glass Lewis unterstützt werden. Geprüft werden soll etwa, ob die Deutsche Bank in der Affäre um Zinsmanipulationen (Libor) eine höhere Strafe bezahlen musste, weil Vorstände und Aufsichtsräte mit den Aufsichtsbehörden nicht ordentlich zusammengearbeitet haben. Einige Kritiker fordern hinter vorgehaltener Hand sogar den Rücktritt von Chefkontrolleur Paul Achleitner. Aus Sicht seiner Kritiker hat er zu lange zugeschaut und Jain zu spät abgelöst.

Doch mehrere Großaktionäre, mit denen die Nachrichtenagentur Reuters in den vergangenen Tagen gesprochen hat, mahnen zur Ruhe. "Der Aufsichtsrat hat sicher keine gute Figur abgegeben", betont einer der zehn größten Investoren der Bank. "Aber wenn wir den Aufsichtsrat jetzt fällen, würde das die Bank weiter destabilisieren - das wäre ein Rückschritt." Beim Personal müsse nun wieder Ruhe einkehren, fordert ein anderer Top-10-Aktionär. "Es gibt derzeit dringendere Probleme, die die Bank hat."

"DIE STEINE WURDEN SCHON DREI MAL UMGEDREHT"



Im vergangenen Jahr hat das Institut einen Rekordverlust von fast sieben Milliarden Euro geschrieben. In der Europäischen Zentralbank (EZB) machen sich manche Sorgen über die Entwicklung der Bank und dringen auf einen beschleunigten Umbau, wie ein Insider berichtet. Die EZB äußert sich dazu nicht. In Berlin spricht ein hochrangiger Regierungsmitarbeiter offen darüber, dass man der Bank notfalls unter die Arme greifen werde, auch wenn es dafür aktuell keinen Bedarf gebe. Der neue Vorstandschef John Cryan sieht sich im Februar gezwungen, in einem Brief an die Mitarbeiter zu betonen, "dass die Deutsche Bank angesichts ihrer Kapitalstärke und ihrer Risikoposition absolut grundsolide ist".

Angesichts dieser Gemengelage finden es viele Großaktionäre unangebracht, alte Skandale nun im Rahmen von Sonderprüfungen erneut unter die Lupe zu nehmen. "Die Steine wurden schon drei Mal umgedreht", sagt ein Top-10-Aktionär. "Jetzt nochmal Sonderuntersuchungen zu starten, würde nur viel Geld und Zeit kosten und wenig bringen." Das Institut hat sich mit der Aktionärsvereinigung DSW bereits darauf verständigt, seine Risikokontroll-Systeme von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer unter die Lupe nehmen zu lassen. Zusätzliche Sonderprüfungen seien nicht nötig, findet DSW-Vizepräsident Klaus Nieding. "Die Bank muss wirklich aufpassen, dass sie sich vor lauter Vergangenheitsbewältigung auch noch mit dem aktuellen Geschäft beschäftigt. Man muss den Blick wieder nach vorne richten."

Weitere Personalquerelen können dabei nur schaden, finden mehrere Großaktionäre. Die Herrscherfamilie aus Katar hat sich bereits Ende März demonstrativ hinter Chefkontrolleur Achleitner gestellt. Vorstandschef Cryan trat am Freitag im "Handelsblatt" Gerüchten entgegen, er werde die Bank nach zwei oder drei Sanierungsjahren wieder verlassen. Er werde "auf jeden Fall" eine volle Amtszeit bis 2020 an Bord bleiben.

ACHLEITNER MUSS UM ZWEITE AMTSZEIT BANGEN



Thematisieren wollen viele Aktionäre auf der Hauptversammlung allerdings die jüngste Fehde im Aufsichtsrat der Deutschen Bank. Kontrolleur Georg Thoma ist auf Druck seiner Kollegen zurückgetreten, weil diese ihm Übereifer bei der Aufarbeitung von Skandalen vorwarfen. "Ich will wissen, was an den Vorwürfen gegen ihn dran ist", sagt DSW-Vizepräsident Nieding. Andere Investoren fordern, Achleitner müsse die Leitung der Hauptversammlung zeitweise abgeben, wenn die Aktionäre über die Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen den Aufsichtsrat in der Libor-Affäre abstimmen.

Achleitner selbst hat im April in einem Interview erklärt, er sei bereit, 2017 für eine weitere Amtszeit zu kandidieren. Ob die Aktionäre das unterstützen, ist allerdings höchst ungewiss. Dies hänge vor allem davon ab, wie sich die Bank in den kommenden zwölf Monaten entwickle, sagt einer der zehn größten Investoren. "Wenn bis nächstes Jahr keine Erfolge sichtbar sind, wird er schwer für Achleitner."

Reuters