Es sei vor dem Hintergrund der vielen politischen Krisen in aller Welt wichtig, dass die Deutsche Bank ihre Kunden bei ihren Geschäften in aller Herren Länder begleite. "Diese globale Aufstellung, davon bin ich zutiefst überzeugt, ist heute für unsere Volkswirtschaft so wichtig wie seit dem Fall der Mauer nicht mehr."

In Zeiten unübersehbarer Spannungen zwischen Europa und den USA wäre es aus seiner Sicht "geradezu riskant, die wichtige Funktion der Finanzierung und des Risikomanagements wenigen außereuropäischen Banken zu überlassen", erklärte Sewing, der im April die Führung des größten deutschen Geldhauses übernommen hatte. Die Deutsche Bank hat in den vergangenen drei Jahren Verluste eingefahren und ist weit hinter die Konkurrenz vor allem aus den USA zurückgefallen. Sewing hat der Bank eine Rosskur und die Rückbesinnung auf das Geschäft in Deutschland und Europa verordnet, was mit einem Schrumpfkurs des US-Geschäfts einhergeht.

DIE NEUE BESCHEIDENHEIT

Weltmarktführer sein, so wie es die Deutsche Bank vor der Finanzkrise 2008/09 in einigen Geschäftszweigen war, will Sewing längst nicht mehr: "Es wäre falsch zu sagen, wir wollen die Nummer eins, zwei oder drei sein. Das können wir natürlich nicht", sagte der 48-Jährige auf einer Finanzkonferenz. Es sei nicht sein Ziel, in allen Bereichen Spitze zu sein, jedoch halte sein Haus etwa beim Zahlungsverkehr, dem Clearing von Euro- und Dollargeschäften und insbesondere im Devisenhandel weiterhin Top-Positionen. Deshalb und weil die vielen Firmenkunden es verlangten, müsse die Deutsche Bank auch weiterhin im zuletzt schwächelnden Investmentbanking aktiv bleiben.

Nach Ansicht von Sewing ist nach den Aufräumarbeiten der vergangenen Jahre nun der Punkt gekommen, die Bank wieder nachhaltig profitabel zu machen. Dies sei "das große Ziel", dafür müsse das Institut aber in den kommenden zwölf bis 18 Monaten noch "deutliche Fortschritte" machen. Dann werde es auch zu einer Neubewertung der Deutschen Bank an den Finanzmärkten kommen, glaubt Sewing. "Wenn wir das in den nächsten drei, vier Quartalen zeigen."

"EUROPA BRAUCHT STARKE BANKEN"

Die Herausforderungen für die Branche seien angesichts der strengen Regulierung, der Digitalisierung und des sich rasant ändernden Verhaltens der Kunden so groß wie seit Jahrzehnten nicht, sagte Sewing. Viele Banken dürfte dies überfordern. Der Konsolidierungsdruck in Europa werde "erheblich" zunehmen. "Europa braucht nicht möglichst viele Banken. Europa braucht vor allem starke Banken."

Zu den immer wieder hochkochenden Spekulationen um eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank wollten sich weder Sewing noch der ebenfalls bei der Konferenz anwesende Commerzbank-Chef Martin Zielke äußern. Unions-Fraktionschef Volker Kauder hatte zuvor im "Handelsblatt" (Mittwochausgabe) einem Zusammengehen der beiden Frankfurter Großbanken eine Absage erteilt: "Ich glaube, dass unsere Weltmarktführer von zwei kräftigen Großbanken profitieren könnten. Wir müssen uns überlegen, wie wir in Deutschland wieder leistungsfähige Großbanken bekommen". Der Staat hält auch zehn Jahre nach der Finanzkrise noch 15 Prozent an der Commerzbank und hätte bei einer Fusion ein gewichtiges Wort mitzureden.

Zunächst steht den beiden deutschen Kreditinstituten aller Voraussicht nach aber noch ein Abstieg bevor: Die Commerzbank muss bei der im September anstehenden Neuordnung des deutschen Aktien-Leitindex Dax wohl ihren Platz für den Online-Zahlungsabwickler Wirecard räumen. Unabhängig davon fällt die Deutsche Bank vermutlich aus dem EuroStoxx50 heraus, dem Top-Index der Euro-Zone.

rtr