Februar 2016: In den Doppeltürmen im Frankfurter Bankenviertel ist die Nervosität groß. Die Führung der Deutschen Bank sieht sich gezwungen, gleich mehrfach zu beteuern, dass das Geldhaus ausreichend Reserven hat, um seine Schulden am Anleihemarkt zu bedienen. Vorstandschef John Cryan schreibt in einem Brief an die Mitarbeiter: "Sie können Ihren Kunden mitteilen, dass die Deutsche Bank angesichts ihrer Kapitalstärke und ihrer Risikoposition absolut grundsolide ist."Ein ungewöhnlicher Schritt, der auch leicht nach hinten losgehen kann. Wie konnte das einstige Aushängeschild der deutschen Wirtschaft in so eine missliche Lage geraten?

Jahrelang drehte die Deutsche Bank ein großes Rad auf dem Kapitalmarkt, doch inzwischen laufen ihr die Aktionäre in Scharen davon. Der Absturz von Deutschlands größtem Geldhaus ist dramatisch: Die Börse taxiert die Bank mittlerweile nur noch auf gut 20 Milliarden Euro. Allein seit Jahresbeginn wurden fast zehn Milliarden Euro an Wert vernichtet - so viel kostet nicht einmal die gesamte Commerzbank.

Branchenexperten gehen auf Ursachenforschung. Sie verweisen auf die Unentschlossenheit der Bank in ihrer Strategiesuche, die nun schon etliche Jahre andauert. "Die Deutsche Bank ist irgendwo in der Mitte steckengeblieben, verloren zwischen ihren globalen Ansprüchen und ihrem vernachlässigten Heimatgeschäft", sagt ein hochrangiger Bankberater. "Universalbank ohne klare Stärke funktioniert nicht."

Zwar haben alle Großbanken einen schwachen Start ins Börsenjahr 2016 hingelegt. Aber in Europa sind die Kursverluste besonders groß. Die Anleger glauben nicht daran, dass die hiesigen Geldhäuser schnell wieder zu Gewinnmaschinen werden - anders als die Rivalen an der Wall Street, die dank ihrer beherzten Aufräumarbeit nach der Finanzkrise und der anziehenden US-Wirtschaft längst Oberwasser haben.

Die dauerhaften Niedrigzinsen in der Euro-Zone sind dabei aber nur ein Aspekt. Diesseits des Atlantiks schlummerten einfach noch immer zu viele faule Kredite und alte Rechtsstreitigkeiten in den Bilanzen, sagt Branchenexperte Matthias Memminger von der Beratungsfirma Bain & Company. Das sei für die Anleger wie eine "Black Box". "Und zweitens fragen sich die Investoren bei etlichen Häusern, wie nachhaltig deren Geschäftsmodell ist. Gefragt sind Banken mit aufgeräumter Bilanz und stabilem Cashflow."

Das setzt voraus, dass sich Banken genau überlegen, womit sie künftig noch Geld verdienen wollen. Sie brauchen ein klares Profil, ein Unterscheidungsmerkmal zur Konkurrenz. Und eben das habe die Deutsche Bank nicht, sagen auch andere Experten hinter vorgehaltener Hand. Das Institut habe sich seit 2008 zwar permanent mit der Suche nach einer Strategie befasst, erst unter Josef Ackermann, dann unter Anshu Jain, jetzt unter Cryan. Aber die Antworten seien nicht überzeugend. Denn die Frankfurter wollen auch in Zukunft von allem ein bisschen machen: Investmentbanking, Privatkundengeschäft, Vermögensverwaltung. "Globale Universalbank" heißt das Schlagwort.

Auf Seite 2:

DIE EINZELTEILE SIND MEHR WERT





DIE EINZELTEILE SIND MEHR WERT



Aber ein Blick auf die Bewertungen an der Börse zeigt: Anleger honorieren Geldhäuser, die sich spezialisiert haben. So wird die Aktie des US-Hypothekenfinanzierers Wells Fargo seit langem klar über dem Buchwert gehandelt. Noch deutlicher ist das bei den kleinen Schweizer Vermögensverwaltern Vontobel und Julius Bär. Und selbst das Züricher Dickschiff UBS, das seine Investmentbanking-Träume nach der Krise nur zögerlich beerdigte und sich jetzt auf die Geldvermehrung der Reichen und Superreichen konzentriert, kommt beim Kurs-Buch-Verhältnis auf eine Eins vor dem Komma. Auf der Gewinnerseite sind auch skandinavische Institute, die sich auf das klassische Kreditgeschäft mit Privat- und Firmenkunden beschränken, etwa Nordea und Handelsbanken.

Die US-Investmentbank Goldman Sachs wird zwar leicht unter ihrem Buchwert gehandelt, schneidet aber immer noch besser ab als "Gemischtwarenläden" wie die französische BNP, die britische Barclays, Italiens Unicredit oder die Schweizer Credit Suisse. Schlusslicht unter den internationalen Großbanken ist die Deutsche Bank: Händler taxieren ihren Wert inzwischen nur noch auf etwa ein Drittel dessen, was tatsächlich an Vermögen in den Büchern steht. Mit anderen Worten: Die Einzelteile sind mehr wert als das Ganze. Das kann gefährlich werden, wenn sich aktivistische Investoren einklinken, die auf eine Zerschlagung dringen.

"Die Zeit der großen Bilanzen und der großen Kostenblöcke ist vorbei", sagt ein Investmentbanker, der Finanzinstitute bei Restrukturierungen berät. Im aktuellen Umfeld müsse man aufpassen, dass die Erträge nicht schneller wegbrächen, als die Kosten sinken könnten. Wer sich wie US-Branchenprimus JP Morgan trotzdem dafür entscheidet, die gesamte Klaviatur des Banking zu spielen und auf allen Kontinenten gleichermaßen präsent zu sein, der muss es sich in Form einer dicken Kapitaldecke auch leisten können. Und er muss die Investoren mit ordentlichen Renditen bei der Stange halten.

Auch hier kann die Deutsche Bank nicht mithalten. Sie wird am Markt nicht nur permanent mit Spekulationen über eine neue Kapitalerhöhung konfrontiert. Sie verbrennt im Moment auch Geld, weil immer wieder Altlasten durchschlagen. Die Rendite war 2015 negativ. "Die Deutsche Bank hat unter Jain einfach drei Jahre verloren", heißt es bei einem großen Konkurrenten.

Eigenkapitalrenditen von 25 Prozent, wie sie einst Ackermann ins Spiel brachte, sind heute zwar Utopie, weil die Regulierer einen dickeren Kapitalpuffer verlangen. Aber wenige Top-Banken - JP Morgan gehört dazu - kommen immer noch auf zehn bis 15 Prozent vor Steuern. Die beiden US-Investmentbanken Goldman Sachs und Morgan Stanley haben zehn Prozent sogar als Mindestlatte ausgegeben. Alle anderen Institute dürften sich eher bei fünf bis zehn Prozent einpendeln, sagt Bain-Bankenexperte Memminger. Und er warnt: "Häuser mit weniger als fünf Prozent Eigenkapitalrendite müssen sich fragen, ob ihr Geschäftsmodell stimmt, denn damit verdienen sie nicht mal ihre Kapitalkosten. Das kann auf Dauer nicht gutgehen."

Auf Seite 3: DER BEFREIUNGSSCHLAG, DER KEINER WAR





DER BEFREIUNGSSCHLAG, DER KEINER WAR



April 2015: Die Deutsche Bank steht vor der Entscheidung, mit welchem Geschäftsmodell sie in die Zukunft gehen will. Die neue Strategie soll der Befreiungsschlag für Co-Vorstandschef Jain werden, der bei etlichen Großinvestoren angezählt ist. Denn nach ihrem Geschmack treibt er die Sanierung der Bank nicht schnell genug voran. Bis zuletzt ist intern die "große Lösung" im Gespräch, wie Insider berichten: eine Aufspaltung der Deutschen Bank in eine Privatkundenbank auf der einen und eine Investmentbank mit angeschlossener Vermögensverwaltung auf der anderen Seite. Vorbild: Goldman Sachs. Vor allem die angelsächsischen Vertreter im Aufsichtsrat finden diese Idee mutig und konsequent.

Auch die Arbeitnehmerseite signalisiert zunächst Unterstützung - in der Hoffnung, so die meisten Jobs im Privatkundengeschäft erhalten zu können. Doch die Europäische Zentralbank als Oberaufseherin und die Ratingagenturen grätschen Finanzkreisen zufolge dazwischen. Die Bank könne sich dieses Geschäftsmodell nicht leisten. Denn die Finanzierung einer reinen Investmentbank wäre deutlich teurer geworden. Am Ende soll nur die Postbank verkauft werden, damit die Deutsche-Bank-Bilanz wenigstens ein bisschen schrumpft.

Viele Großaktionäre sind enttäuscht - bis heute. "Was man am Ende nach monatelangen Beratungen präsentiert hat, war ein Minimalkompromiss", kritisiert einer der Top-10-Anleger der Bank. "Wofür steht die Deutsche Bank? Man weiß es nicht." Jains Abgang ist einige Wochen später besiegelt. Doch auch unter Cryan folgt keine Kehrwende, schließlich hat er die "Strategie 2020" im Aufsichtsrat mit auf den Weg gebracht. Im Kern belässt er sie so, als er im Juli die Nachfolge von Jain antritt.

Er gibt im Herbst zwar dem Druck der Investoren nach, baut den Vorstand um und verkündet konkrete Sparziele - inklusive dem Abbau von 9000 Stellen im Konzern, der fast 100.000 Köpfe zählt. Aber ansonsten bleibt die "kleine Lösung" unfokussiert. Eine vergebene Chance, wie ein weiterer Großaktionär klagt.

Widersprüche gibt es viele. Beispiel globale Präsenz: Die Bank will nach offiziellem Bekunden nicht mehr weltweit alles für jeden machen, zieht sich aber nur aus zehn Ländern wie Argentinien, Peru oder Malta zurück, die ohnehin keine große Rolle spielen. Beispiel Investmentbanking: Der Handel etwa mit Anleihen und Aktien soll so gestutzt werden, dass er weniger Kapital aufzehrt.

Die Deutsche Bank will hier aber weiter ein dominanter Spieler sein, obwohl sich die Flaute in dem einst so lukrativen Geschäftsbereich zu einem Problem entwickelt. "Der Ausblick gerade für den Handel mit festverzinslichen Wertpapieren ist nicht gerade rosig", gibt Fondsmanager Domenico Vinci vom Investmenthaus GAM zu bedenken. Die Deutsche Bank ist ihm als Investment zu riskant. "Wir mögen Geschäftsmodelle, bei denen sich die künftige Rentabilität besser abschätzen lässt."

Die Deutsche Bank setzt ihre Hoffnung auch in die Beratung von Firmen bei Fusionen und Übernahmen (M&A), die kein Kapital kostet. Doch hier spielen die Frankfurter nicht in der ersten Liga mit, wie Thomson-Reuters-Daten zeigen: Auf der Rangliste jener Investmentbanken, die 2015 das meiste Geschäft in der M&A-Beratung nach Hause fuhren, stammen die ersten fünf aus den USA. Die Deutsche Bank rangiert auf Platz neun.

Beispiel Privatkundengeschäft: Die Deutsche Bank will sich durch den Verkauf der Postbank, der Reduzierung der "blauen" Filialen und der engeren Verzahnung mit der Vermögensverwaltung für reiche Privatkunden mehr auf die höheren Einkommensklassen ausrichten. Sie leistet sich aber weiter die Norisbank, die auf das Massengeschäft ausgerichtet ist - wenn auch als reine Online-Bank.

Und auch in der privaten Vermögensverwaltung zählen die Frankfurter nicht zu den Top-5-Banken weltweit: Hier steht die UBS an der Spitze, die rund zwei Billionen Euro an Kundengeldern verwaltet - die Deutsche Bank kommt gerade mal auf gut 300 Milliarden Euro. Das Vermögensverwaltungsgeschäft mit institutionellen Kunden ist vom Volumen zwar größer, aber keine Goldgrube - hier sind die Margen für alle Anbieter unter Druck.

Auf Seite 4: EIN AUFGEDRÄNGTER WETTBEWERBSVORTEIL





EIN AUFGEDRÄNGTER WETTBEWERBSVORTEIL



Cryan wirbt bei Mitarbeitern und Aktionären um Geduld. Der Umbau der Bank - die Konzernsparten werden gerade wieder neu geordnet - und die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten werde noch einmal zwei Jahre dauern, wird er nicht müde zu betonen. Man könne nicht alle Probleme über Nacht lösen. Die Unsicherheit darüber, welche Jobs wegfallen, zermürbe die Belegschaft, sagt ein Insider. "Im Moment leben alle in einer Welt, von der sie wissen, dass sie nicht mehr lange existieren wird." In der Führungsetage sieht man das anders. "Die Stimmung ist fokussiert und angestrengt", erzählt ein Manager. Die Bank wisse, dass sie endlich den Nachweis erbringen müsse, dass sie ihre Altlasten konsequent abarbeite. "Aber das Umfeld ist alles andere als einfach und der Markt verleiht uns nicht gerade Rückenwind."

In den vergangenen Jahren verwies die Deutsche Bank im Chor mit anderen Häusern der Euro-Zone gerne darauf, dass ihr die strengere Regulierung die Luft zum Atmen nehme. Das war vor allem Jains Mantra. Mit der absoluten Verschuldungsquote (Leverage Ratio) tun sich die Frankfurter mit ihrer Bilanzsumme von immer noch fast zwei Billionen Euro schwerer als andere - der Hauptgrund für die ausgerufene Schrumpfkur. Ein Blick ins Ausland zeigt allerdings: Heute geht es den Großbanken in jenen Ländern am besten, die von Anfang an die strengste Regulierung auf den Weg gebracht haben. Sie drängten ihren Finanzinstituten einen Wettbewerbsvorteil geradezu auf.

Schnell und entschlossen wie kein anderes Land reagierten beispielsweise die USA auf die Finanzkrise, die allerdings auch dort ihren Ursprung hatte. Der Staat verordnete den Banken Kapitalspritzen. Das Vertrauen in den angeschlagenen Sektor kehrte zurück. "Den Amerikanern muss man Respekt zollen", sagt Jürg Frick, Bankenexperte beim Beratungshaus Deloitte. "Wenn sie in die Misere kommen, geht es ein, zwei, drei Jahre und sie sind wieder draußen."

Auch die Schweiz zog früher als der Rest Europas die Daumenschrauben an. Der Weckruf für die Eidgenossen kam 2008, als die UBS gerettet werden musste: Die größte Bank des Landes hatte sich mit US-Hypothekenpapieren verzockt, die in der Krise plötzlich wertlos waren. "Nie wieder", sagten sich die Politiker, als sie realisierten, wie nahe das Land an einer Katastrophe vorbeigeschlittert war. Denn nirgendwo sonst sind die Großbanken im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung des Landes so überdimensioniert. Die Leverage Ratio wurde damals sofort eingeführt, bei den Eigenkapitalvorgaben nimmt die Schweiz inzwischen international eine Spitzenposition ein.

Und damit nicht genug: UBS und Credit Suisse wurden schon 2012 angehalten, Notfallpläne zu erarbeiten, damit Schlüsselfunktionen wie der Zahlungsverkehr oder die Spareinlagen auch alleine überleben können, wenn riskantere Geschäftsteile wackeln. Deutschland zog erst später nach. Eine Einigung auf ein Trennbankengesetz auf EU-Ebene gibt es nach wie vor nicht.

Es rächt sich, den aufgedrängten Wettbewerbsvorteil nicht zu nutzen. Das zeigt das Beispiel Credit Suisse, das zweite große Sorgenkind in Europa neben der Deutschen Bank. Während die UBS - damals übrigens unter ihrem Finanzchef John Cryan - die Bilanz früh entrümpelte, zögerte der frühere Boss der Schweizer Nummer zwei, Brady Dougan. Er kassierte dafür nicht nur eine seltene öffentliche Ermahnung der Schweizerischen Nationalbank.

Die vergleichsweise schwache Kapitalquote der Bank führte auch dazu, dass Credit Suisse der UBS bis heute in der Vermögensverwaltung hinterher hinkt. Denn viele reiche Privatkunden wünschen sich ein gut kapitalisiertes Haus. Dougans Nachfolger Tidjane Thiam fackelte denn auch nicht lange, eine sechs Milliarden Franken schwere Kapitalerhöhung auf den Weg zu bringen. Er will vor allem das Geschäft mit den Superreichen in Asien ankurbeln, das anders als in Europa noch Wachstumsraten verspricht.

Auf Seite 5: "TOO BIG TO SERVE"





"TOO BIG TO SERVE"



Asien freilich würde jeder gerne als Erfolg verbuchen, auch die Deutsche Bank redet in ihrer Vermögensverwaltung seit Jahren davon. Aber so groß könne der Kuchen gar nicht sein, dass alle satt werden, unken Branchenkenner. Die Rivalen im Inland freut es, wenn sich die Deutsche Bank im Ausland verzettelt. Das Geschäft mit der Finanzierung des Mittelstands ist inzwischen fest in den Händen von Commerzbank, DZ Bank und den Landesbanken. Michael Bücker, Firmenkundenchef der BayernLB, vertritt schon länger die These, dass Großbanken wie einfach "too big to serve" seien. Firmenkunden machten lieber Geschäfte mit Häusern, bei denen sie kurzfristig den zuständigen Vorstand ans Telefon bekommen könnten. "Fokussierte kleine Banken besitzen viel mehr Charme als die großen Dickschiffe."

Bei der Deutschen Bank hat man das Problem erkannt. "Wir sind in unserem Kern immer eine Firmenkundenbank gewesen, damit kann man auch gut Geld verdienen", sagt ein Manager. Allerdings müsse man eben genau diese Stärke wieder mehr herauskehren. "Wir wollen hier sozusagen ewiger Halbfinalist in der Champions League sein - und hier und da auch mal gewinnen." Nur leider sei in den vergangenen Jahren insbesondere das mittlere Kundensegment mit einem Umsatz von 30 bis 300 Millionen Euro vernachlässigt worden. "Der Ball liegt jetzt bei uns."

Bei den Dax-Konzernen hält sich das Geldhaus für unverzichtbar. Denn diese bräuchten als Alternative zu den US-Geldhäusern eine große heimische Bank, die sie ins Ausland begleitet, etwa bei Deals, Absicherungsgeschäften oder großen Krediten, wenn es schnell gehen muss. So beriet die Deutsche Bank Siemens bei der milliardenschweren Übernahme der US-Energietechnikfirma Dresser-Rand oder beteiligte sich an einer Kreditlinie für HeidelbergCement beim Kauf des italienischen Rivalen Italcementi. Milliardenschwere Einzelkredite sind allerdings selten geworden.

Um das Risiko zu streuen, tun sich oft mehrere Geldhäuser zusammen - so auch im Dezember, als Volkswagen einen 20 Milliarden Euro schweren Überbrückungskredit eintütete, um die Kosten des Abgasskandals ("Dieselgate") abzufedern. Hier ist die Deutsche Bank jedoch gar nicht dabei. Von den 13 Großbanken, die im Boot sind, macht als heimische Vertreterin nur die HypoVereinsbank mit.

Wer sich bei den Dax-Riesen zum Thema Deutsche Bank umhört, der erntet erstmals verhaltene Kritik. "Ich denke nicht, dass man sich existenzielle Sorgen um die Deutsche Bank machen muss", sagt der Finanzchef eines großen Industriekonzerns. "Umgekehrt ist auch klar, dass Restrukturierungsanstrengungen notwendig sind." Ein global aufgestellter Konzern habe zwar Alternativen.

"Aber wir sind als Dax-30-Unternehmen nur die Spitze des Eisbergs. Darunter steigt die Abhängigkeit von starken lokalen Banken schon sehr deutlich." Der Chef eines anderen Industriekonzerns unkt, er sei sich zwar nicht sicher, ob es wirklich eine deutsche Großbank geben müsse. Er wolle das Experiment ohne eine Deutsche Bank aber lieber nicht wagen - wenn es schief gehe, dann sei es zu spät.

Auf Seite 6: RADIKAL DENKEN - IN EIN PAAR JAHREN





RADIKAL DENKEN - IN EIN PAAR JAHREN



Welche Vision Cryan für die Deutsche Bank über die Aufräumarbeiten hinaus hegt, hat er bisher nicht verraten. Dabei würde sich das auch die Politik wünschen, wie in Berlin zu hören ist. Die mangelnde Fantasie trug mit dazu bei, dass der "Cryan-Bonus" bei der Aktie schnell wieder verpuffte. Stattdessen verteilt der neue Chef verbale Ohrfeigen an die Vorgänger: "Wir werden nicht in der Lage sein, etwas zu kaufen oder gekauft zu werden", sagte er Ende 2015 auf einer Investorenkonferenz in New York. Die Bank sei über Jahre ein chronischer Underperformer gewesen und habe zu wenig Kapital generiert.

Dafür machen sich Analysten und Investoren Gedanken - und sind dabei durchaus radikal. "Ich sehe nicht, dass die Deutsche Bank jemals das Potential hat, mit einer JP Morgan mitzuhalten", sagt ein Branchenexperte. "Wenn sie sich anstrengt, hat sie in einigen Jahren das Zeug zur Marktführerschaft in Europa - aber auch nicht alleine, sondern nur im Zusammenschluss mit einer Credit Suisse oder Barclays, wenn alle ihre Bilanzen auf Vordermann gebracht haben."

Soll heißen: Zunächst schrumpft jeder für sich, danach werden die Stärken gebündelt - eben um ein klar fokussiertes Geschäftsmodell zu haben. Idealerweise würde das als Fusion unter Gleichen verkauft, damit die Bundesregierung nicht dazwischen funkt. Denn die hat bereits signalisiert, dass sie eine Übernahme der Deutschen Bank verhindern würde, wenn es irgend möglich ist.

Credit Suisse bietet sich als Partner an, weil die Bank ihr heimisches Privat- und Firmenkundengeschäft bis Ende 2017 über die Börse abspalten will. Die Kernbank - also Kapitalmarktgeschäft im Dienste der Vermögensverwaltung - könnte nach Ansicht einiger Experten zu einer Deutschen Bank passen, bei der das klassische Privatkundengeschäft ebenfalls an Gewicht verliert. Vielleicht spielen dann auch die Ratingagenturen mit. Barclays kommt zumindest theoretisch infrage - ein Analyst forderte in einem scharfen Brief an den Vorstandschef, das US-lastige Investmentbanking vom heimischen Privatkundengeschäft abzutrennen, um den "Albtraum" der Investoren zu beenden.

"Großfusionen in der Bankenbranche sind nicht ausgeschlossen", sagt Bain-Bankenexperte Memminger. "Die Häuser müssen den Regulierern allerdings einen überzeugenden Plan vorlegen, dass sie mit einem Zusammenschluss die Risiken unter dem Strich minimieren." Ein anderer Branchenkenner formuliert es salopper: "Man kann nicht zwei Minderjährige verheiraten."