AUSGANGSLAGE
Zur Jahresmitte hatte die Bank für sämtliche Rechtsstreitigkeiten 5,5 Milliarden Euro zur Seite gelegt, weitere 1,7 Milliarden Euro für weniger wahrscheinliche Strafen (Eventualverbindlichkeiten). Für den Hypotheken-Streit sind Insidern zufolge etwa 2,5 bis drei Milliarden Euro reserviert. Fällt die Strafe deutlich höher aus, werden die ohnehin dünnen Kapitalpolster der Bank aus Sicht von Analysten weiter schmelzen. "Jede Milliarde Dollar, für die es keine Rückstellungen gibt, belastet das Kapital der Deutschen Bank mit rund 25 Basispunkten", rechnet einer der Top-10-Aktionäre vor.
Eine Hypothekenstrafe über sieben Milliarden Dollar wäre aus seiner Sicht für die Deutsche Bank "sehr gefährdend". Das Institut müsse sich dann Gedanken machen, wie es die Kapitalquote erhöhen könne. Sonst rücke das Ziel, bis Ende 2018 eine Kernkapitalquote von 12,5 Prozent zu erreichen, in weite Ferne. LBBW-Analyst Ingo Frommen sieht schon ab einer Strafe von 5,6 Milliarden Dollar Handlungsbedarf. "Investoren wollen nicht, dass die Kapitalquote der Bank zu nahe an den Mindestanforderungen der Regulierer liegt."
Besonders brisant: Die Deutsche Bank zählt zu jenen Instituten, die als relevant für das weltweite Finanzsystem gelten - entsprechend streng sind die Kapitalauflagen. Dass die Bank die Kapitaldecke mit erwirtschafteten Gewinnen stärkt, ist aus Sicht von Clemens Fuest, dem Präsident des Münchener Ifo-Instituts, unwahrscheinlich. "Die Gewinne der Bank sind derzeit so niedrig, dass sie kaum ausreichen werden, die Lücke zu füllen."
Seiten 2 und 3: Vier Möglichkeiten, um an Geld zu kommen
SCHNELLERER RISIKOABBAU
Der vermeintlich einfachste Weg, um die Kapitalquote zu erhöhen, ist der Abbau von Risiken. Die Deutsche Bank hat das ohnehin vor, besonders im Investmentbanking. Bereits Ende Juli hat Cryan durchblicken lassen, dass der 2015 verkündete Schrumpfkurs womöglich verschärft werden muss. Experte Dieter Hein vom Analysehaus Fairesearch geht davon aus, dass die Deutsche Bank eine Kapitalerhöhung auch bei einer hohen Strafzahlung verhindern will. "Stattdessen erwarte ich, dass sie riskante Wertpapiere losschlägt und größere Einschnitte im Investmentbanking vornimmt."
Das könnte in der Praxis aber schwierig werden, warnte die Ratingagentur Moody's erst vor wenigen Tagen. Denn in Europa sei das wirtschaftliche Umfeld derzeit so unsicher, dass viele potentielle Käufer dieser riskanten Vermögenswerte lieber in Deckung blieben - trotz der niedrigen Zinsen und der Geldflut der Notenbanken. Die Experten erwarten, dass sich der Abverkauf der "Bad Bank"-Bestände bei den großen europäischen Investmentbanken eher verlangsamen wird.
KAPITALERHÖHUNG
Cryan hat mehrfach deutlich gemacht, dass die Bank Investoren nicht erneut um frisches Kapital bitten möchte. Angesichts des Absturzes der Aktie wäre das ohnehin schwierig. Selbst wenn der Kapitalrahmen voll ausgereizt würde, könnte das Institut derzeit nur etwa fünf Milliarden Euro einsammeln. Es müsste neue Aktien zu je sieben Euro verramschen - das ist ein Abschlag von rund 30 Prozent auf den durch die Emission verwässerten Wert, wie Banker vorrechnen. Einige Analysten glauben, dass das Institut fast das doppelte bräuchte - bis zu 9,5 Milliarden Euro - um beim Thema Kapital ein für allemal auf der sicheren Seite zu sein.
Hinzu kommt: Wohl kaum ein Investor würde der Bank Geld geben, so lange der Hypothekenstreit nicht beigelegt ist. Zu groß ist die Sorge, dass die Mittel abermals nur für Altlasten draufgehen. Und selbst nach dem mit Spannung erwarteten Vergleich - die Anleger wollen eine überzeugende "Story", warum die Deutsche Bank ein lohnenswertes Investment ist. Ihre Kosten sind nach Einschätzung von Analysten seit Jahren zu hoch, die unzähligen Strategieschwenks haben die Rendite nie nachhaltig angekurbelt.
Selbst der größte Aktionär Katar - der bei der letzten großen Kapitalmaßnahme 2014 eingestiegen ist - grummelt inzwischen: Er würde Finanzkreisen zufolge bei einer Kapitalerhöhung zwar mitziehen, weil er die Deutsche Bank als langfristiges Investment sieht. Doch gebe es den klaren Wunsch, dass sich das Institut endlich wieder auf sein Tagesgeschäft konzentriere, berichten Insider.
VERKAUF VON UNTERNEHMENSTEILEN
Die Deutsche Bank könnte auch ihr Tafelsilber verkaufen. Dazu zählen Analysten insbesondere die Vermögensverwaltung, die in den vergangenen Jahren umgebaut wurde und stabile Erträge abliefert. Sie bindet vergleichsweise wenig Kapital, ein Verkauf würde aber einen angenehmen Sondererlös bringen. Analysten taxieren die Sparte auf rund acht Milliarden Euro. Einen Blockverkauf halten Branchenkenner für unwahrscheinlich, eher würde die Deutsche Bank wohl einzelne Geschäftsbereiche herauslösen, weil sich dafür leichter Käufer finden lassen. Als Beispiele werden die erfolgreiche Publikumsfondsgesellschaft DWS oder die ETF-Marke DB X-Trackers genannt.
Auch ein Börsengang der Vermögensverwaltung, eventuell verbunden mit einer Minderheitsbeteiligung der Deutschen Bank, wird in Medienberichten immer wieder kolportiert. Bankchef Cryan hat sich unlängst aber erst klar zu der Sparte bekannt, auch wenn sie von der Schlagkraft her nicht mit den Schweizer Rivalen Credit Suisse und UBS mithalten kann.
Auch das florierende Geschäft mit dem Zahlungsverkehr und der Handelsfinanzierung (Transaction Banking) bringen Banker gerne ins Spiel für einen Verkauf. Die Deutsche Bank hat diese Sparte aber gerade erst in ihr Kerngeschäft eingegliedert: das Investmentbanking. Eine Herauslösung wäre schwieriger als bei der eigenen Konzernsparte Vermögensverwaltung.
STAATSHILFE
Cryan hat die Befürchtung, die Deutsche Bank brauche eventuell am Ende den Staat als Retter, weit von sich gewiesen. Auch die Bundesregierung wischte das Thema vom Tisch. Außerdem gibt es inzwischen neue Regeln: Stünde eine Bank tatsächlich vor der Pleite, käme der seit diesem Jahr in der EU greifende "einheitliche Abwicklungsmechanismus" in Gang. Dieser sieht vor, dass der Kapitalbedarf ganz überwiegend von den Anteilseignern und Gläubigern gedeckt würde und nicht von den Steuerzahlern. Die große Frage ist aber, ob dieser Mechanismus schon stark genug ist, um eine systemrelevante Bank aufzufangen beziehungsweise geordnet abzuwickeln.
Es gibt allerdings eine Möglichkeit, den Staat schon vor einer Pleite ins Boot zu holen: Die Regierung kann bei einer gesunden Bank im Rahmen einer Kapitalerhöhung einsteigen. Die Bedingung dafür wäre, dass auch private Investoren dabei sind und sich der Staat den Anteil zu marktüblichen Konditionen besorgt. Überprüfen würde das die EU-Kommission nach den beihilferechtlichen Regeln.
rtr