Die Deutsche Bank macht im operativen Geschäft deutliche Fortschritte: Knapp drei Wochen vor Veröffentlichung der Quartalszahlen am 29. Oktober ist bereits durchgesickert, dass das größte deutsche Geldhaus vor allem im Investmentbanking, aber auch im klassischen Privatkundengeschäft im dritten Quartal wohl erheblich besser abgeschnitten hat als erwartet. Nach Einschätzung von Analysten haben vor allem die großen Kursschwankungen auf den Anleihe- und Devisenmärkten den Anleihehandel der Deutschen Bank beflügelt - ein kapitalintensives Geschäft, aus dem sich andere europäische Großbanken wie UBS oder Barclays derzeit zurückziehen. Auch in der Fusionsberatung konnte die Deutsche Bank zuletzt wieder lukrative Aufträge einsammeln.
Auf Seite 2: Wo die Probleme liegen
Ungünstiger sieht die Lage allerdings auf der Kostenseite aus. Hier schlägt nach wie vor ein hoher Restrukturierungsaufwand zu Buche. Das größte Problem der Deutschen Bank sind jedoch nach wie vor die zahlreichen Rechtsrisiken. Auch im dritten Quartal dürften hohe Rückstellungen dafür das Ergebnis belasten. Am Donnerstag erst hatte die Schweizer Tochter eine Selbstanzeige in einem US-Steuerstreit eingeräumt. Der Bank wird Beihilfe zur Steuerhinterziehung vorgeworfen.
Nach eigenen Angaben ist das Geldhaus in rund 1000 größere Verfahren verwickelt. Zum Halbjahr hatte die Bank dafür über zwei Milliarden Euro zurückgestellt, bis zum Jahresende wird ein Anstieg auf drei Milliarden Euro erwartet. Laut einem Bericht des "Spiegel" könnten die Rückstellungen und Eventualverbindlichkeiten für Rechtsrisiken sogar auf fünf bis sieben Milliarden Euro wachsen.
Das Problem hat für das Führungsduo Anshu Jain und Jürgen Fitschen längst oberste Priorität. So sollen die wichtigsten Auseinandersetzungen mit den angelsächsischen Behörden wegen mutmaßlicher Sanktionsverstöße und Manipulationsvorwürfen bei Referenzzinssätzen (Libor-Skandal) so rasch wie möglich aus der Welt geschafft werden. Ob das noch in diesem Jahr gelingt, ist zweifelhaft. Denn in der Praxis erweisen sich die Verhandlungen mit den verschiedenen Regulierern in London und den USA als schwierig. US-Medienberichten zu Folge ziehen die US-Behörden gerade bei den Ermittlungen zu Referenzzinssätzen die Zügel an und fordern nicht nur hohe Strafzahlungen, sondern verlangen auch, dass sich die Bank schuldig bekennt, den Libor manipuliert zu haben.
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Einschätzung der Redaktion
Der EZB-Bankenstresstest, dessen Ergebnisse am 26. Oktober veröffentlicht werden, dürfte für die Deutsche Bank keine negativen Überraschungen bringen. Auch macht die Bank im operativen Geschäft Fortschritte. Gemessen am starken Kursrückgang seit Jahresbeginn und an klassischen Kriterien wie dem KGV (2015: 9,1) und einem Kurs-Buchwert-Verhältnis von 0,6 erscheint die Aktie derzeit zwar günstig. Aufgrund der unsicheren Marktlage und der weiterhin hohen und nicht klar erkennbaren Belastungen aus Rechtsstreitigkeiten ist ein Investment derzeit hochriskant.
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