Nach Einschätzung von Experten wird Cryan einen Gewinnsprung präsentieren. Denn im Tagesgeschäft dürfte sich das Institut wacker geschlagen haben. Und die noch immer schwelenden Rechtsstreitigkeiten haben vermutlich keinen Grund geboten, so viel mehr Geld zur Seite zu legen, dass es wehtut. Das verschafft Cryan, der Anfang Juli überraschend Anshu Jain ablöste, eine Atempause. Bis Oktober will er an den Details der "Strategie 2020" feilen. Solange heißt es für Aktionäre und Analysten: abwarten. "Cryan wird sich die großen Nachrichten für den Herbst aufheben, deshalb ist die Halbjahresbilanz nur eine Momentaufnahme", glaubt Neil Smith vom Bankhaus Lampe.

Cryan präsentiert das Zahlenwerk zusammen mit dem ebenfalls neuen Finanzchef Marcus Schenck. Das Gros der Analysten rechnet mit einem Vorsteuergewinn zwischen 1,2 und 1,4 Milliarden Euro, vor einem Jahr stand nicht einmal eine Milliarde in den Büchern. Viel spannender dürfte für Cryan der Blick in die einzelnen Sparten sein, muss er doch über den endgültigen Zuschnitt der "neuen" Deutschen Bank entscheiden. Dass das Privatkundengeschäft unter anderem durch den Verkauf der Postbank deutlich verkleinert wird, steht fest. Das Filialnetz verschlingt viel Geld, während die dauerhaften Niedrigzinsen am Ergebnis nagen. Die Vermögensverwaltung wiederum, die auf reiche Privatkunden und Profi-Anleger zielt, hatte unlängst über florierende Geschäfte berichtet und hohe Erwartungen geweckt.

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INVESTMENTBANKER ZITTERN



Zittern muss die Investmentbank, wo die Geschäfte traditionell stärker schwanken. Dass die Frühjahrsmonate eher eine Enttäuschung waren, hat sich bereits in den Bilanzen großer US-Rivalen wie JP Morgan und Goldman Sachs gezeigt: Der Handel mit festverzinslichen Wertpapieren - die wichtigste Domäne der Deutschen Bank - lief zuletzt zäh. Denn wegen der griechischen Schuldenkrise blieben viele Investoren in Deckung. Das spülte den Investmentbankern weniger Geld in die Kasse, obwohl sie am Auf und Ab der Märkte normalerweise gut verdienen. Jain, der die Sparte viele Jahre selbst geleitet hatte, wollte stets am teuren Handelsgeschäft festhalten. Der Rückzug anderer Institute biete Chancen, Marktanteile zu gewinnen. Cryan sieht das anders. Schon an seinem ersten Arbeitstag erklärte er, die Bank könne sich den "Luxus" nicht mehr leisten, ein derart bilanzintensives Handelsgeschäft zu betreiben.

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"ES WIRD REINREGNEN"



Fest steht, dass sich ein teurer Konzernumbau anbahnt, dem tausende Stellen zum Opfer fallen dürften. Wieviel Kosten Cryan bereits zum Jahresende in der Bilanz verbuchen wird, darauf wollen sich die wenigsten Experten festlegen. Aber dass einiges kommen wird, gilt als sicher. "Es wird im zweiten Halbjahr kräftig ins Zahlenwerk reinregnen", sagt ein Banken-Analyst, der namentlich nicht genannt werden will. Dirk Becker von Kepler Cheuvreux hält die Füße still: "Wir haben die Deutsche-Bank-Aktie auf 'hold' gesetzt, uns kann nichts passieren."

Mehr Klarheit dürfte schon jetzt der Aufsichtsrat bekommen, der am Donnerstag in New York tagt. Cryan, der dem Gremium in den letzten zwei Jahren angehörte, wird dort Finanzkreisen zufolge erste konkrete Ideen präsentieren, etwa den Rückzug aus sechs Ländern. Auch der Fahrplan der Postbank-Abspaltung über die Börse soll diskutiert werden, wie ein Insider berichtet. Es ist offensichtlich: Cryan will keine Zeit verlieren.

Reuters