"Wir sehen signifikante Abwärtsrisiken und wenig Spielraum auf der Kapitalseite", sagt Analyst Eoin Mullany von Berenberg. Die Goldman-Experten gehen davon aus, dass die Deutsche Bank im Sommerquartal einen Verlust von 882 Millionen Euro erzielt hat, nach einem Minus von 3,2 Milliarden Euro im zweiten Quartal. Die meisten Analysten trauen sich aber keine konkreten Prognosen zu, was zeigt, wie unübersichtlich die Lage derzeit bei Deutschlands größtem Geldhaus ist. Auch Anleger sind auf Abstand gegangen: Seit Sewings Amtsantritt im April 2018 verloren die Titel mehr als 40 Prozent auf 7,10 Euro. Deutschlands größtes Geldhaus ist an der Börse gerade einmal noch knapp 15 Milliarden Euro wert.

Dabei kämpft der 49-Jährige an allen Fronten: Die Leitzinsen in der Eurozone bleiben noch jahrelang niedrig und belasten die Erträge der Finanzinstitute. Der Wettbewerb um Privat- und Firmenkunden - dem neuen Kerngeschäft der Deutschen Bank - ist extrem hoch und die Risikovorsorge für faule Kredite steigt wegen der schlechteren Konjunkturaussichten. Hinzu komme, dass US-Investmentbanken ihren Wettbewerbern in Europa lukrative Aufträge wegschnappen, erläutern die Analysten von Goldman Sachs. Im prestigeträchtigen Geschäft mit Fusionen und Übernahmen fiel die Deutsche Bank in ihrem Heimatmarkt bereits zurück, wie aus den vom Datenanbieter Refinitiv veröffentlichten "League Tables" im September hervorging.

Ein Großteil der erwarteten Quartalsverluste dürfte auf den Konzernumbau zurückgehen, für den Sewing 7,4 Milliarden Euro veranschlagt hat. Im Rahmen dessen wird der Aktienhandel dicht gemacht, der Anleihehandel muss abspecken, weltweit fallen 18.000 Jobs weg. Außerdem parkte die Deutsche Bank ein Fünftel ihrer Bilanzrisiken in einer internen Abwicklungseinheit.

Analysten erhoffen sich nun auch Details darüber, wie der Abbau der darin enthaltenden Bestände voran geht. Jedes Papier, das verkauft wird, setzt dringend benötigtes Eigenkapital frei. Sollte der Abbau mehr kosten als erwartet, könne die Bank womöglich zu einer weiteren Kapitalerhöhung gezwungen werden, warnt Berenberg-Analyst Mullany.

NUR FIRMENKUNDENGESCHÄFT HAT IM HALBJAHR ZUGELEGT

Auf welch tönernen Füßen die Deutsche Bank steht, zeigt sich in den neuen Segmentergebnissen, die sie vor kurzem rückwirkend für das erste Halbjahr veröffentlicht hat. Grund dafür ist die neue Aufteilung der Sparten innerhalb der Bank. Diesen "Pro-Forma-Ergebnissen" zufolge stiegen die Erträge von Januar bis Juni nur im Geschäft mit Firmenkunden an. In der Investmentbank, der Privatkundensparte sowie im hochgelobten Geschäft mit Zahlungsverkehrsdiensten gingen die Einnahmen dagegen zurück.

Finanzchef James von Moltke dämpfte schon wenige Wochen nach Verkündung der neuen Strategie Anfang Juli die Ertragsprognosen der Bank ein. Bei einer Analystenkonferenz in New York stellte er für 2022 Erträge zwischen 24 und 25 Milliarden Euro in Aussicht. Bis dato war er von "rund" 25 Milliarden ausgegangen. 2018 hatte die Deutsche Bank auf vergleichbarer Basis einen Ertrag von knapp 23 Milliarden Euro erzielt.

Mit Argusaugen dürften Investoren auch darauf schauen, ob beim jährlichen Strategietreffen von Vorstand und Aufsichtsrat neue Pläne geschmiedet werden. Die Manager treffen sich am Wochenende nach Veröffentlichung der Quartalszahlen.

rtr