Die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) verursacht nach Ansicht von Deutsche-Bank -Chef John Cryan mittlerweile mehr Schaden als Nutzen. Die EZB habe in der Finanz- und Staatsschuldenkrise viel dafür getan, Europa zu stabilisieren. "Inzwischen aber wirkt die Geldpolitik den Zielen entgegen, die Wirtschaft zu stärken und das europäische Bankensystem sicherer zu machen", schrieb Cryan in einem Gastbeitrag für das "Handelsblatt" (Mittwochausgabe). Auch der Wirtschaftsweise Volker Wieland warnte vor zunehmenden Gefahren für die Finanzwirtschaft durch die lange Niedrigzinsphase.
Deutsche-Bank-Chef Cryan wies darauf hin, dass der Zinsüberschuss eine wichtige Ertragssäule für die Geldhäuser ist. Dieser sei aber über die gesamte Euro-Zone hinweg seit 2009 um sieben Prozent geschrumpft. "Nicht Geld aufnehmen, sondern Geld vorhalten kostet Zinsen. Sicherheit wird damit bestraft." Cryan forderte EZB-Präsident Mario Draghi zu einem Kurswechsel und einem Ausstieg aus den Minuszinsen auf. Es könne nicht sein, dass die Finanzaufseher höhere Sicherheitspolster von den Banken forderten, für diese zusätzlichen Reserven dann aber Strafzinsen verlangten. Nicht nur die Banken litten. "Auch für die Sparer und deren Altersvorsorge sind die Folgen fatal."
Aus Sicht des Wirtschaftsweisen Volker Wieland haben die Notenbanken in der Finanzkrise und in der europäischen Schuldenkrise zu Recht die Zinsen gesenkt und ihre Geldpolitik gelockert. "Inzwischen beharren die Fed und EZB jedoch viel zu lange auf der Niedrigzinspolitik und die EZB weitet ihre Anleihekäufe weiter massiv aus", sagte der Volkswirt der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Donnerstagausgabe) laut Vorabbericht. "Es bauen sich Risiken für den Finanzsektor auf, insbesondere im Bankensektor geht die Profitabilität zurück, risikoreiche Anlagen nehmen zu", warnte Wieland, der Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist. Regierungen verschleppten notwendige Strukturreformen, da sie durch rekordniedrige Zinsen auf langfristige Staatsanleihen Spielraum in der Ausgabenpolitik gewonnen hätten.
rtr