Geplante weltweite Regeln, über die der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht am Freitag in Frankfurt beraten will, würden Deutschland besonders hart treffen, warnte Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands (BdB), in einem am Mittwoch veröffentlichen Reuters-Interview. "Wenn es bei den aktuellen Plänen bleibt, würden die Kapitalanforderungen für die deutschen Banken um mindestens 50 Prozent steigen." Eine derart signifikante Erhöhung wäre "angesichts der realen Risiken völlig unangemessen und würde die Fähigkeit der Banken drastisch einschränken, die Wirtschaft mit Krediten zu versorgen."

Der Basler Ausschusses will weltweit den Einsatz interner Modelle begrenzen. Damit berechnen vor allem Großbanken, mit wie viel Eigenkapital sie Kredite und Handelsgeschäfte unterlegen. Durch den Einsatz interner Modelle brauchen Banken meist weniger Kapital als mit dem Standardansatz, der zentral vorgegeben ist. Deutsche Institute profitieren laut Kemmer besonders, weil Immobilien- und Unternehmenskredite in der Bundesrepublik vergleichsweise selten ausfallen. "Die internen Modelle, die das reflektieren, bringen den deutschen Banken eine höhere Kapitalentlastung als Geldhäusern in anderen Ländern."

Die Deutsche Bank und andere Institute gehen gegen die Regeln seit langem auf die Barrikaden. Sie könnten dazu führen, dass das Geschäft "in einem der sichersten Bereiche des Bankings" nicht mehr funktioniert, warnte Deutsche-Bank-Chef John Cryan kürzlich.. Kritiker werfen den Geldhäusern dagegen vor, mit den internen Modellen ihre Risiken und damit ihren Kapitalbedarf zu stark herunterrechnen. Kemmer weist das zurück. Aus seiner Sicht kann es jedoch Sinn machen, "ein paar Parameter zu standardisieren, um die Vergleichbarkeit zwischen den Banken zu erhöhen."

Aktuell diskutieren die Regulierer über Untergrenzen - sogenannte Floors -, die verhindern sollen, dass Banken ihre Risiken mit internen Modellen zu stark herunterrechnen. Laut Kemmer will der Baseler Ausschuss aktuell, dass die Risiken der Banken durch den Einsatz interner Modelle maximal auf 60 bis 90 Prozent der Standard-Berechnungsmethode sinken dürfen. "Wir sind der Meinung, dass solche Floors unnötig sind", betont der BdB-Geschäftsführer. "Wenn man eine Untergrenze einziehen will, sollte diese deutlich unter 60 Prozent liegen."

COCKTAIL SETZT BANKEN SCHWER ZU



Kemmer ist zuversichtlich, dass die Regulierer die Regeln, die bis Jahresende beschlossen werden sollen, noch einmal entschärften werden. "Wir haben Signale, dass der Baseler Ausschuss die Bedenken von Banken und Politikern ernst nimmt, und gehen davon aus, dass es bei den Diskussionen noch zu deutlichen Änderungen kommen wird."

Für die deutschen Banken ist das von großer Bedeutung, da sie wegen rekordniedriger Zinsen, steigender regulatorischen Ausgaben und der Digitalisierung ohnehin unter Druck stehen. "Das ist ein Cocktail, der in den kommenden Jahren immer mehr Druck auf die Ertragslage der Banken ausüben wird", sagte Kemmer. Er geht davon aus, dass es deshalb in den kommenden Jahren auch verstärkt zu Fusionen und Übernahmen kommen wird. "Leider lehrt die Erfahrung, dass richtig Bewegung erst dann reinkommt, wenn der Druck sehr hoch ist. Und wir stehen am Anfang einer Phase, in der der Druck sehr hoch sein wird."

Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret forderte kürzlich im Reuters-Interview, dass Banken über Zusammenschlüsse nachdenken und sich neue Ertragsquellen erschließen sollen Mehrere Geldhäuser haben zuletzt bereits kostenlose Girokonten abgeschafft und Gebühren für die Kreditkarte erhöht. "In der Vergangenheit sind von den Banken viele Dienstleistungen durch das Zinsergebnis quersubventioniert worden - gerade im Zahlungsverkehr", betont Kemmer. "Das ist wegen der rekordniedrigen Zinsen heute nicht mehr möglich. Deshalb ist zu erwarten, dass immer mehr Banken für die Kontoführung kostendeckende Entgelte erheben werden."

rtr