Seit Herbst hat das Papier, das in den vergangenen Jahren meist ein Mauerblümchendasein im DAX gefristet hat, um mehr als 40 Prozent zugelegt. Inzwischen notiert die Aktie auf einem Niveau wie zuletzt im Jahr 2008. Der Börsenbetreiber profitiert vor allem von der steigenden Handelsaktivität und der wachsenden Volatilität an den Märkten. Das dürfte sich auch in den Zahlen und Prognosen niederschlagen, die die Deutsche Börse bereits am Mittwoch nach Handelsschluss veröffentlicht. Analysten rechnen mit einem deutlichen Gewinnanstieg.

Francioni, gebürtiger Schweizer, der im August 60 Jahre alt wird, steht seit nunmehr fast einem Jahrzehnt an der Börsenspitze. Er trieb den internationalen Ausbau des Börsenbetreibers voran, musste in dieser Zeit aber auch viel Kritik einstecken. So scheiterte er 2012 mit seinem Versuch, die Deutsche Börse mit der Nyse Euronext zu fusionieren, am Widerstand der Regulierungsbehörden.

Um den Börsenbetreiber für die Zukunft wetterfest zu machen, forciert Francioni seitdem die Strategie der Internationalisierung und peilt vor allem die Expansion nach Südostasien an. Flankiert wird dies vom Ausbau von Geschäftsbereichen wie der Wertpapierabwicklung, mit denen die Deutsche Börse an der Weltmarktspitze steht. Anleger und Investoren ließen die Aktie dennoch bis zum Herbst eher links liegen - zu vage erschienen die Perspektiven, zu wenig lukrativ das Geschäftsmodell, zu träge bisweilen auch der Auftritt Francionis in der Kommunikation.

Auf Seite 2: Francioni-Nachfolger soll Internationalisierung weiter vorantreiben



Francionis Nachfolger Carsten Kengeter, der bis 2013 das Investmentgeschäft der Schweizer Bank UBS geführt hat, tritt seine neue Funktion mit Ablauf der Hauptversammlung im Mai 2015 an. Er soll den Börsenbetreiber zu "neuen, internationalen Perspektiven führen", wie Aufsichtsratschef Joachim Faber ankündigte. Manche Beobachter setzen darauf, dass der frühere Investmentbanker auch etwas dynamischere Akzente im Umgang mit Investoren setzen könnte.

Möglicherweise bekommt Kengeter aber auch die Klauen der US-Justiz zu spüren. Zwar hatte sich die Börse erst im vergangenen Jahr wegen umstrittener Iran-Geschäfte mit einer US-Exportbehörde auf eine Strafzahlung in Höhe von 152 Million Dollar geeinigt - und geglaubt, die Geschichte sei damit aus der Welt. Doch soll es inzwischen neue Forderungen von Klägern geben - das zumindest berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Der Fall ist im Detail sehr komplex, die Risiken kaum abschätzbar. Die Forderungen gehen zurück auf einen Bombenanschlag im Oktober 1983 in Beirut, bei dem 241 US-Soldaten getötet worden sind. Die Angehörigen der Soldaten machen den Iran dafür verantwortlich und haben Schadensersatz in Milliardenhöhe erstritten. Das geforderte Geld - Iraner Zentralbankguthaben - lagert laut einem Reuters-Bericht auf verschiedenen Depots der Deutsche-Börse-Tochter Clearstream in den USA und Luxemburg. Während Clearstream den Zugriff zu den US-Depots bereits ermöglicht hat, verweigert sie dies für das Luxemburger Depot mit der Begründung, dort gelte US-Recht nicht. Laut Reuters geht es um ein Depotvolumen von 1,7 Milliarden Dollar.

Auf Seite 3: Einschätzung der Redaktion



Einschätzung der Redaktion:

Nach dem deutlichen Kursanstieg seit Herbst 2014 halten einige Beobachter die Aktie der Deutschen Börse bereits für überbewertet. Im Sektorvergleich ist sie das allerdings noch nicht. Profitieren könnte der Börsenbetreiber von einer weiter lebhaften Entwicklung an den Märkten. Welche Akzente der neue Vorstandschef Carsten Kengeter setzen wird, bleibt abzuwarten. Er wird insbesondere deutlich machen müssen, wie er die Ertragsqualität des Geschäftsmodells verbessern will. Juristische Risiken lauern in Form von möglichen neuer Klagen und Forderungen aus den USA. Dafür hat die Börse bislang auch keine Rückstellungen gebildet. Nur für risikoorientierte Anleger.

Empfehlung: Kaufen

Kursziel: 82 Euro